Samstag, 15. September 2012

Armut: Steigendes Sinken

Mit dem Zählen ist es schon schwierig, aber Rechnen können sie auch nicht. „Jeder siebte Deutsche ist von Armut bedroht“, meldet die Qualitätspostille „Welt“ unter Bezugnahme auf das Statistische Bundesamt - und weil das Blatt nicht selbst gerechnet hat, sondern die Mathematik an die einzige wahre staatliche Danachrichtenagentur dpa ausgelagert wurde, steht das genauso in allen anderen 432 deutschen Zeitungen, Online-Nachrichtenportalen und Premium-Magazinen.

Erstaunlich ist das, weil zugleich wie jedes Jahr um diese Zeit berichtet wird, dass „die Gefahr, in die Armut abzurutschen“, in Deutschland „gestiegen“ sei. Die „sogenannte Armutsgefährdungsquote“ habe im Jahr 2011 15,1 Prozent betragen, im Jahr zuvor habe sie noch bei nur 14,5 Prozent gelegen.

Ein Zahlenwunder, war doch seinerzeit noch gemeldet worden, das jeder sechste Deutsche arm sei. Und noch ein Jahr zuvor war alles sogar noch viel, viel schlimmer: „Nach den Daten, die sich auf das Jahr 2008 beziehen, sind insgesamt 15,5 Prozent der Bevölkerung von Armut bedroht“, hieß es damals im Armutsbericht der Bundesregierung. Eine Situation, die seitdem auch nicht besser wurde: Nach Berechnungen der staatlichen Nachrichtensendung „Tagesschau“ war noch im März 2012 „fast jeder sechste Deutsche“ arm oder von Armut bedroht.

Mit einem Trick ließ sich die Schreckensbilanz sogar noch aufhübschen. „Rechnet man Personen, die Sozialtransfers wie beispielsweise Hartz IV oder Kindergeld erhalten, noch hinzu“, imaginierte die „Tagesschau“ eine Situation, in der niemand mehr Sozialtransfers bekommt, „verdoppelt sich das Armutsrisiko. Das bedeutet, dass jeder vierte Deutsche arm oder armutsgefährdet ist. Das sind mehr als 20 Millionen Menschen.“ „Jeder vierte Deutsche“ sei damit arm oder armutsgefährdet.

Heute ist es nur noch „jeder siebte Deutsche“, das aber bedeutet rätselhafterweise, dass „die Gefahr, in die Armut abzurutschen, ist in Deutschland gestiegen“ ist, wie die „Welt“ reportiert.

Eine bestechende Berechnung. Noch mehr steigen könnte die Armut nach dieser gänzlich arithmetikfreien Logik, wenn jeder zehnte, 20. oder gar 50. Deutsche arm würde, und sei es eventuell nur dadurch, dass man alle Personen hinzurechnet, die derzeit noch Arbeit haben, diese aber ja durchaus auch verlieren könnten. Die Armut wäre allgemein, spätestens bei „jeder hundertste Deutsche arm“ sogar allumfassend, nach "Welt"-Maßstäben.

Denn wie sagte einst der Fußballer Horst Szymaniak, als er in Gehaltsverhandlungen mal richtig hart pokern wollte: „Ein Drittel mehr Geld? Nee, ich will mindestens ein Viertel“.

Armut im Archiv:
Jeder vierte, sechste und siebente Deutsche ist arm oder könnte es bald sein
Jeder Achte ist jetzt schon jeder Sechste
Armut trifft vor allem Armut

6 Kommentare:

  1. Jeder hundertste Deutsche? Ja sind wir denn noch so viele?

    AntwortenLöschen
  2. Jeder hundertste Deutsche? Ja sind wir denn noch so viele?

    AntwortenLöschen
  3. egal, hauptsache, wir werden werden immer mehr. arme

    AntwortenLöschen
  4. ....arm dran - Arm ab.
    Der Unterschied ist 50 v. H.

    AntwortenLöschen
  5. ... es sei denn, man hätte nur einen Arm gehabt. Dann wäre man natürlich arm dran, aber das hatten wir ja schon.

    AntwortenLöschen
  6. Das regt mich schon lange auf.
    Eine Schande, dass in so einem reichen Land wie Deutschland das Einkommen von irgendwievielaberimmerzunehmend Prozent unterhalb des Durchschnitts liegt.

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.