Samstag, 10. November 2012

Lügen mit der Wahrheit

Im Kampf gegen "zunehmende Fußball-Gewalt" (dpa) kümmert sich der mitteldeutsche Staatssender MDR dankenswerterweise um die Brennpunkte der Gefahr im eigenen Sendegebiet. Leider sind die Fans des Halleschen FC, zuvor jahrelang verlässliche Partner in Crime, in den letzten Monaten von der Stange gegangen, auch aus Magdeburg, einem Ort an der Straße der Gewalt, sind kaum noch aktuelle Bilder von Ausschreitungen zu bekommen.

Wenn es einem aber andere nicht machen, macht man es sich eben selbst. Glücklicherweise verfügt der MDR über ein umfängliches Archiv voller Gewaltdarstellungen, die zum Teil einfach aus dem Internet zusammengeklaut wurden, zum anderen Teil aber von Mitarbeitern eigenhändig in freier Wildbahn gesammelt werden konnten. 2007 etwa berichtete es Olaf Meyer bei Telepolis über die grassierende Gewalt in der damaligen 5. Liga: Dynamo Dresden und Lok Leipzig lieferten sich an Bürgerkriege erinnernde Auseinandersetzungen, die in den Leitmedien keinerlei Beachtung fanden. Der Begriff "Ultras" galt dort damals noch als Synonym für ein Geschirrspülmittel, "Bengalos" hielt man für fest integrierte indische Computerspezialisten und "Pyrotechnik" für einen ausschließlich zu Silvester gepflegten Brauch.

Fünf Jahre später ist alles anders. An jedem Wochenende wird irgendwo gekloppt und geknüppelt, jeder Spieltag im internationalen Bereich bringt Bengalo-Feuer und Böllerattacken. Nun ist auch der MDR am Ball - und das, wie ostfussball.com detailliert ausführt, mit einem fünf Jahre alten Foto, das zudem auch noch liebevoll verschärft wurde.

Eine Grafik, die "nicht optimal" ist, wie der MDR in einer Stellungnahme eingesteht? Oder Zeichen für eine Art Wirklichkeitsverdrehung, die längst System hat? Lügen mit der Wahrheit war immer schon die beste Garantie für eine höhere Glaubwürdigkeit.

Ostfussball.com zitiert Novalis: “Auch der Zufall ist nicht unergründlich – er hat seine Regelmäßigkeit”. Beschränkt auf den Fussball ist er dabei nicht - schreibt doch die "Westdeutsche Zeitung" davon, die Bundesregierung mache "Weniger Schulden im Wahljahr 2013", obwohl der Haushalt eine Ausweitung um 14 Milliarden vorsieht. Und die Kölnische Rundschau fantasiert "Immer mehr Deutsche in der Schuldenfalle", obwohl die Zahl der überschuldeten Haushalte seit 2007 von 7,34 Millionen auf nur noch 6,59 Millionen gesunken ist.

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