Montag, 8. April 2013

Amazon: Nun war alles gar nicht wahr


Es hat ein wenig gedauert, aber nun scheint doch noch nachgewiesen, was Ende Februar schon jedem klar sein konnte, der die angebliche ARD-Reportage "Ausgeliefert!" gesehen hatte. Was aufmerksame Zuschauer schon anhand der Machart der vermeintlichen Dokumentation vermuteten, wird jetzt von einer Einstweiliger Verfügung bestätigt, die das Leipziger Job-Touristikunternehmen CoCo gegen den Hessischen Rundfunk erwirkt hat. Dessen Mitarbeiter hatten mit kreativ zusammengeschnittenen dunklen Bildern, Fotos von Emails und geraunten Kommentaren die angeblichen Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern bei Amazon angeprangert. Unter anderen hätten Leiharbeiter in Kellern hausen müssen, sie seien von Nazis überwacht und zwangsweise “abgefüttert” worden “wie die Schweine”.

Das Ergebnis war eine organisierte Aufwallung der medialen Emotionen, der die Leipziger Firma nicht nur ihren Vertrag mit Amazon kostete, sondern auch zehntausende bereitwillig Empörte auch dazu brachte, für sich selbst einen Einkaufsboykott beim Internetriesen zu verhängen. Politiker nutzten die Aufregung zur Aufmunitionierung im Kampf gegen die zuvor von ihnen selbst geförderte Globalisierung. Medienhäuser, die selbst ausschließlich Billiglöhner beschäftigen, ventilierten Entsetzen. Einsame Versuche, bei der Gelegenheit über die Rechtlosigkeit von Mitarbeitern in anderen Branchen zu sprechen, verpufften.

Nun war alles gar nicht wahr. Die im Film gezeigten "heruntergekommenen" Unterkünfte für die Leiharbeiter sind in Wirklichkeit "ordentliche Ferienanlagen" gewesen, der Speiseraum im Keller des Hotels existiert überhaupt nicht. Die beiden vom HR über Projektverträge beschäftigten Journalisten Diana Löbl und Peter Onneken hatten die gruselige Kellerbar nach Angaben der Firma "schlicht erfunden".

Schon vor der Gerichtsentscheidung habe die Rechtsabteilung des HR nach einem Bericht von Meedia Manipulationen eingeräumt. Eine im Film als Beweis für die behaupteten Missstände als Screenshot gezeigte E-Mail sei fingiert gewesen, eine angebliche polnische Zeugin frei erfunden. Wörtlich teilte die HR-Rechtsabteilung dazu mit: „Dass eine Frau Agnieszka Lewandowska niemals als Leiharbeiterin bei Amazon beschäftigt war, ist richtig". Der Film, der für eine bundesweite Diskussion über die Arbeitsbedingungen von Leiharbeitern gesorgt hat, darf in seiner ursprünglichen Fassung nun nicht mehr in der ARD-Mediathek gezeigt werden.

Eine Nachricht, für die weder die seinerzeit begeistert mitenthüllende taz, noch der stets ganz vorn kämpfende Spiegel, weder die verlässlich gegen jedes vermeintlich Böse einsatzbereite Süddeutsche noch die nimmermüd gegen Unrecht kämpfende "Zeit" in den Tagen seit Bekanntwerden ein Plätzchen fanden. Damit sind die Leitmedien, aus deren Phalanx nur der "Focus" ausschert, in bester Gesellschaft: Auch der Hessische Rundfunk schweigt in eigener Sache fein still.

10 Kommentare:

  1. Der Kampf der Gerechten findet nicht im öffentlichen Getöse statt, sondern im leisen Hintergrund. Beachten wir nicht die Heuchler, freuen wir uns an der Nachricht. Danke, ppq.

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  2. Für mich ist das nichts denn ein weiteres Zeichen für die Einflußnahme mächtiger Kapitalinteressen auf die Justiz.
    Ich hoffe auf eine enthüllende Reportage mutiger Journalisten zum Thema.

    Außerdem hat Mutti mir mitgeteilt, daß soeben Putin, in dessen Reich Journalisten ermordet werden, im deutschen Fernsehen zu sehen war. Solch einschüchternde Bilder muß das angeblich unabhängige Medium senden!

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  3. Alles nicht wahr? Das macht doch nichts! Die Kampagne ist gelungen et semper aliquid haeret.
    Daß auch hier ein mit Steuergeldern alimentiertes Medium kläglich versagt hat ist - auf die Gefahr, mich zu wiederholen - traurig.

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  4. Wie Thomas andeutet. Es ist halt schade, dass das Image mit solchen Mist beschädigt ist. Wer da nicht immer aktiv im Hinterkopf die Gegenseite hinzuzieht, nimmt automatisch/unbewusst die Postition der vorgegebenen Meinung ein. Es ist besser, nichts zu wissen als "informiert" zu sein.

    Ich dachte da an die Bemerkung von Bekannten, wie sie sich über die Amazonsache unterhielten und sagten, schaut, wie der Konzern seine Mitarbeiter unterdrückt und Nazis vs. Südländer und so. Ich dachte nur: "Mensch, Leute, glaubt *denen* doch nicht alles 1:1 ..." Weil reden hilft da nicht viel, wo soll man da anfangen oder aufhören?!

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  5. Es ist doch für einen guten Zweck !

    Apropos "Nazis vs. Südländer": aus gegebenem Anlaß bin ich ja gespannt, ob *Verfassungsklage* den Prozeß verschieben läßt.

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  6. Gut aufgepasst...

    seit 4 Tagen ist die Meldung der einstweiligen Verfügung gegen den hr / ARD veröffentlicht.
    Die "Doku" von Diana Löbl und Peter Onneken soll manipuliert worden sein.
    Eigentlich sollte es wert sein darüber zu berichten.
    Immerhin über Amazon und den Streik findet man jeden tag neue Artikel.Auch die ARd "Doku" wird dort oft zitiert.
    Aber irgendwie nehmen die großen Online Medien keine Notiz davon.
    Merkwürdig , oder?
    Hier sieht man deutlich welche Medien wo stehen.
    Soeben versucht die Sueddeutsche in einem kurzen Artikel den Erfolg kleinzureden und abzuschwächen.
    Bild bereichtet nur versteckt innerhalb eines Streiartikels darüber.
    Vielen Dank Fokus Redaktion ihr habt wenigstens berichtet!

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  7. Teilt doch bitte den Artikel hier aktiv jeder 2- 3x bitte....das wird immer zu sehr vernachlässigt.
    Vielleicht in euren Foren oder als Kommentar unter den Amazon und Amazon Streik Artikeln im Web.Nur so kann man auch ein Gegengewicht zur sonst manipulierten Berichterstattung erzeugen.

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  8. http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2013/04/10/schwere-vorwuerfe-gegen-die-ard-reporter-sollen-zeugin-erfunden-haben/

    hier gehte es wohl weiter..sehr guter Artikel..bitte mit einbauen.


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  9. Fügt doch mal bitte das Bild der manipulierten Email hier ein und sagt eure Meinung dazu.

    http://www.focus.de/kultur/kino_tv/tid-30538/leiharbeit-beim-online-haendler-amazon-doku-anwalt-wirft-ard-demagogie-vor_aid_957712.html

    Achtet auf den Posteingang links im Bild.

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  10. Sehr richtig bemerkt .

    Es gibt einen Block von Online Medien welcher völlig resistent gegen die derzeitige kritische Berichterstattung zur Amazon Doku des hr und ARD zu sein scheint.
    Dort wird rein gar nichts berichtet über die Manipulation an dem Film von Diana Löbl und Peter Onneken.
    Seit 14 Tagen kommen immer wieder neue Details ans Licht und die Bild, TAZ,FAZ,Spiegel findetn keinen Platz darüber zu berichten.
    Das ist ein unmögliches Verhalten!

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