Donnerstag, 22. August 2013

Der dünne Lack der Pressefreiheit

So ist es also um die Pressefreiheit bestellt im freien Westen, der sich viel darauf zugute hält, die ehernen Werte hochzuhalten, die er Grundrechte nennt. Ein ausgekügeltes System von Checks and Balances sorgt dafür, dass es in sogenannten Rechtsstaaten theoretisch wie beim Schnick-Schnack-Schnuck zugeht: Jeder prüft jeden, alles sind von allem abhängig - und ganz obendrüber gibt es dann noch jene mythische vierte Gewalt, die das Versagen der drei anderen öffentlich machen kann. Verhindern können die Betroffenen das über Einstweilige Verfügungen oder über Polizeieinsätze nach richterlichem Beschluss, deren Angemessenheit wiederum der Kontrolle durch die nicht beteiligten Gewalten und - über die Medien - die Öffentlichkeit unterliegt.

Die Theorie aber ist das eine, die Praxis auch hier eine andere. Nach den Erzählungen von Alan Rusbridger, dem Chefredakteur des "Guardian", spielt sich der Kampf um die Pressefreiheit in der Realität dann doch auf einer anderen Ebene ab. Im konkreten Fall: Es erscheinen Männer, die sich als Agenten des Geheimdienstes GCHQ bezeichnen, und verlangen die Zerstörung von Computer-Festplatten, auf denen die "Guardian"-Redaktion Unterlagen gespeichert hat, die sie vom Whistleblower Edward Snowden erhalten hat.

Alan Rusbridger hat über die Begegnung seiner Redaktion mit der dunklen Macht im Stil eines aufrechten Kämpfers berichtet. Anrufe aus Regierungskreisen habe es zuvor gegeben, Drohungen und "Druck auf die Zeitung". Ein Regierungsbeamter habe gesagt: „Ihr hattet euren Spaß, wir wollen das Zeug zurück.“ Offenbar hätten Herausgeber und Journalisten eingeschüchtert werden sollen, vermutlich auf einen Wink aus Washington hin.

Viel mehr brauchte es dann auch nicht. Nirgendwo berichtet Rusbridger von einem Gerichtsbeschluss, den die Geheimagenten vorlegten, um die Festplatten „mit Flex und Bohrer“ (Rusbridger) zerstören zu lassen. Nirgendwo spricht er auch nur vom Versuch seiner Redaktion, das Eindringen der nur über ihre eigenen Behauptungen legitimierten Spione mit Hilfe des Hausrechts oder der Polizei zu beenden.

Nein, wie anno 2006, als die gesamte deutsche Presse sich in Absprache mit dem kanzleramt anlässlich der Fußball-WM im eigenen Land bereiterklärte, über die unschönen Begleiterscheinungen des Großturnieres nicht zu berichten, ergab sich auch das britische Sturmgeschütz des linken Liberalismus anlasslos und ohne Not dem Verlangen der Regierung, etwas zu tun, zu dem vermutlich kein britisches Gericht das Blatt hätte zwingen mögen.

Der dünne Lack der Pressefreiheit, von Medienhäusern im Abendland traditionell zu einer undurchdringlichen, festungsartigen Schutzmauer verklärt, bekommt offensichtlich Risse, sobald nur ein subalterner Beamter aus dem Umfeld der Regierenden telefonisch Unmut äußert. Rusbridger zufolge hätte seinem Blatt ein „jahrelanger Rechtsstreit“ gedroht, währenddessen es „nicht mehr über Snowden und dessen Enthüllungen über Datenspionage durch die NSA und deren Partnerdiensten hätte berichten können“. Woher der Guardian-Chef dieses Wissen bezieht, bleibt rätselhaft: Ihm gegenüber hatten die Regierungsbeamten nur erklärt, sie wollten vor Gericht ziehen und den Guardian so zwingen, die Daten über Snowden herauszugeben.

Dies hätte sich möglicherweise über Jahre hingezogen,fürchtete Rusbridger, und in dieser Zeit hätte es sein können, dass seiner Zeitung per einstweiliger Verfügung jedwede Berichterstattung zum Fall untersagt worden wäre. Hätte, könne, wäre – statt es darauf ankommen zu lassen, ob wirklich der "Staat einen Verleger daran hindern kann, etwas zu veröffentlichen“, gab die drittgrößte britische Zeitung vor der Schlacht auf.


Selbstmord aus Angst vor den Tod, verklärt als heldenhafte Widerstandstat. "Ich wollte die Daten lieber zerstören, als sie den Geheimdiensten zu geben oder es den Gerichten zu erlauben, unsere Berichterstattung einzufrieren." Rusbridger warnt vor langfristigen Folgen des Überwachungsstaates für die freie Presse. Die nun noch genauso frei ist wie eine Knastzeitung, deren Endredaktion beim Gefängnsidirektor liegt.

2 Kommentare:

  1. Es werden wohl nicht die gräßlichen Drohungen der Regierung gewesen sein, die den Chefredakteur zum Einlenken bewogen haben.
    Denn wenn er nur für drei Cent Angst vor diesen Drohungen hätte, dann hätte er nicht anschließend öffentlich verkündet, daß er noch Kopien der Daten hätte.

    Für die widersprüchlichen Behauptungen des Guardian gibt es eine bessere Erklärung:
    http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_newspapers_in_the_United_Kingdom_by_circulation

    Die Auflage der Zeitung hat sich in den letzten 10 Jahren halbiert. Was kommt da besser, als aus einer Anfrage der Regierung einen großen Skandal zu inszenieren?

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  2. R.A., wenn Du schon mal hier bist …
    Warum ist das eigentlich so, dass Euch beim Bund der Reformkommunisten vor Angst die Knie schlottern, wenn jemand das Lügenmichl auch nur nebenher erwähnt?

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