Ein Weltreich, in dem die Sonne niemals untergeht: Die Kolonien der EU. |
Es ist immer besser, politischer Kampf richtet sich gegen Symbole, als dass er versucht, in der Realität zu wirken. Um gegen Mauern zu streiten, bietet sich so eine nicht existierende, geplante Mauer im Süden der USA an. Und um zu zeigen, dass Europa seine kolonialistische Vergangenheit hinter sich gelassen hat, ist der Karneval mit seinen Eddie-Arent-Kostümen die passende Gelegenheit.
Alles andere könnte zu peinlichen Situationen führen. So bleibt stets nur konstatiert, dass Flüchtlinge aus Nordafrika immer wieder versuchen, über die beiden spanischen "Exklaven" Ceuta und Melilla in ein europäisches Asylverfahren zu gelangen. Wieso Spanien, dass sich eigentlich in Europa befindet, in Afrika mit Mauern und Zäunen befestigte Kolonien unterhält? Nun, frage nicht, sonst fällt nur wieder auf, dass die EU überhaupt keineswegs eine europäische, sondern eine Staatengemeinschaft von Weltgeltung ist, die auf fünf Kontinenten Kolonien unterhält, die sich ihre Mitgliedsstaaten einst mit brutaler Gewalt, dem Einsatz von Armeen und Gewehren und unter Inkaufnahme von Mord, Verschleppung und blutigem Rassismus unter die nationalen Nägel rissen.
Die Kolonien der EU
1633 etwa holten sich die seinerzeit mit Weltmachtambitionen ausgestatteten Holländer die Inseln Aruba, Bonaire und Curaçao in Südamerika. Sie brauchten vor allem die Insel Bonaire für die heimische Keramik-Industrie. Statt ein Freihandelsabkommen zu schließen, war es einfacher, zu nehmen, was man haben will. Und später war es einfach, zu behalten, was man durch Ansiedlung von Holländern mit seinem Anspruch versehen hatte: 1954 verrechtsstaatlichte das Königreich der Niederlande seine karibische Kolonie, indem es sie zum autonomen Bundesland erklärte.
Wer könnte dagegen etwas sagen? Frankreich sicher nicht, denn Frankreich unterhält ein außereuropäisches Kolonialgebiet, in dem etwa 2,65 Millionen Menschen leben. Diese Überreste des zwischen 1600 und 1880 mit Feuer und Schwert eroberten Kolonialreiches brachte die Grande Nation seinerzeit mit in die EU ein, heute gehören die euphemisch "Überseegebiete" genannten Kolonien wie selbstverständlich zum Euro-Gebiet. Das Selbstbestimmungsrecht der dort ursprünglich ansässigen Urbevölkerung ist ausgehebelt durch die historische Ansiedlungspolitik der Kolonialmächte, die zur Unterdrückung der eroberten Gebiete Franzosen dorthin beorderte. Und durch den Wohlstandssog der EU, die in den Armutsgebieten von Afrika, Ozeanien, Süd- und Nordamerika erstrahlt wie ein helles Licht des Fortschritts.
Widerrechtliches EU-Erbe
Bei stillschweigender Beibehaltung des Erbes, das widerrechtlich erworben und gewissenlos behalten wurde. Dank Holland, Spanien, Frankreich, Dänemark, Portugal und Großbritannien, das seine Kolonien heute seit 2002 nicht mehr „Britisches abhängiges Gebiet“, sondern ebenfalls augenzwinkernd "Überseegebiete" nennt, herrscht die EU faktisch über ein Weltreich, in dem die Sonne niemals untergeht. Gesprochen und geschrieben wird über dieses geheime Reich aus Anmaßung, skrupelloser Machtausübung und gegenseitigen Entschuldigungen höchstens, wenn der Kampf gegen Steueroasen wiedermal rituelle Schuldige und Opfer fordert.
Dass die in den Regierungen der EU-Staaten sitzen, die immer noch jede Gelegenheit nutzen, das EU-Kolonialreich auszubauen , steht dann auf einem anderen Blatt: Vor wenigen Jahren erst erweiterte sich die EU so recht unbemerkt bis nach Ostafrika. Dort wurde die Inselgruppe Mayotte, die wie das ohnehin zu Europa gehörende La Réunion bei Madagaskar liegt, nach einem Volksentscheid wie auf der Krim offiziell Teil der Europäischen Union.
Was spricht gegen die Zugehörigkeit geographisch nicht verbundener Gebiete in fernen Weltgegenden zu einem Staat in Europa? Früher waren diese Gebiete Kolonien, heute sind sie jedoch schon lange gleichberechtigt mit den Provinzen in Europa. Die Bewohner fühlen sich wohl in ihrer Zugehörigkeit zu einem europäischen Zentralstaat, warum muß man ihre Stellung abwerten? Fragen Sie einmal die Einwohner von Ceuta und Melilla in welchem Land sie vorziehen zu leben, in Spanien oder Marokko. Nur weil beide Exklaven in Afrika liegen, gehören sie noch lange nicht zu einem afrikanischen Staat.
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