Montag, 11. März 2019

Führergeburtstag: Rechtsextremer Angriff auf deutsche Medien

Aufgeflogen: Auch bekannte Journalisten besuchten die Geburtstagsparty von Robert Havemann.
Die Faktenlage ist klar. Matthias Matussek begann als Jesuit, landete beim "Spiegel", rutschte dann nach rechts und durfte schließlich straflos als „hinterfotziges Arschloch“ und „Puffgänger“ bezeichnet werden. Obwohl Träger des Kisch-Preises, der später nach dem Nazi Augstein umgbenannt wurde, um den zeitläuften Rechnung zu tragen, verrante sich der Publizist: Statt bei seinen Leisten zu bleiben, unterschrieb er gemeinsam mit anderen Rechtspublizisten gesellschaftsgefährdende Erklärungen. Und in einer Aufwallung von Rebellentum trat sogar als Redner auf einer „Merkel muss weg“-Kundgebung auf.

Ein Verirrter also, der auf keine Talkshow-Einladung mehr hoffen darf. Doch zu seinem 65. Geburtstag gelang es Matthias Matussek dennoch, eine ganze Reihe Prominenter auf seine Party zu locken. Matussek feierte, als wäre kein Bann über ihn gesprochen worden, als sei er nie wegen Abweichlertum und demokratischer Weichheit angeklagt und wegen Homophobie, fanatischem Katholizismus und wegen "schludriger Peinlichkeit" (Deutschlandradio) schuldig gesprochen worden.

Reinhold Beckmann, bekannt aus Funk und Fernsehen, war gekommen, um seinen früheren Freund umzuerziehen. Der Jubilar bezeichne "Journalisten heute als kümmerlichen Haufen angepasster Kugelschreiberträger", deshalb habe er ihm zum Ehrentag ein "vergiftetes Geschenk" mitgebracht. Ein Lied von Bob Dylan, in dem der Großmeister des Schludergesangs Matussek gekonnt porträtiere: „Ein trauriger Mann mit traurigem Geist, niemand mehr da, alle längst abgereist... Die Menschen sind verrückt, die Zeiten sind obskur. Er hängt hier fest, ist neben seiner Spur. Ihm war mal was wichtig, aber heut nicht mehr...“

Eine noble Geste des Fußballmoderators, der seine journalistische Unabhängigkeit einst unter anderem als Werbeträger der Regierungskampagne "Du bist Deutschland" unter Beweis stellte. Nein, Reinhold Beckmann war nie ein "Kugelschreiberträger". Er kämpfte stets, indem er ein Mikrophon hielt. Und er würde inzwischen wünschen, dass er dabei geblieben und nicht zur Gitarre gewechselt wäre.

Denn sein Ausflug in die Halbwelt des Faschismus hat die Blockwarte des Guten auf den Plan gerufen, die Beckmann auf Partyfotos entdeckt hatten, singend nicht nur vor Matussek, dem „versehentlichen Linken“, „unzuverlässigen Konservativer“ (Matussek) und Verteidiger des Rechtes der Pegida-Demonstranten, auf die Straße zu gehen („Wer beim rituellen Treten gegen diese Menschen mitmacht, hat die Gesinnung von HJ-Pöbeln.“). Sondern auch vor dem Indentitären-Anführer Mario Müller, der an den rechten Rand gerutschten früheren "Vertriebenenfunktionärin" (DPA) Erika Steinbach, Junge-Freiheit-Chef Dieter Stein und der vom Workshop „Rechte Netzwerke“ ausgeschlossenen Buchhändlerin Susanne Dagen.


Ein Geburtstagsfest, das aus Sicht engagierter Antifaschisten zeigt, dass rechts 74 Jahre nach Hitler nicht nur in die Mitte der Gesellschaft gewandert ist, sondern die Mitte der Gesellschaft mittlerweile wieder selbst rechts steht. "Die Gästeliste Matusseks zeigt, wie normal es für bestimmte Kreise der bürgerlichen Mitte mittlerweile ist, mit Rechtsaußen und Neofaschisten zu feiern, wobei sich diese gleichzeitig selten zu schade sind, antifaschistisches Engagement zu diskreditieren und als das Problem beim Erstarken der Rechten darzustellen", analysiert das "unabhängige Rechercheportal" Friedensdemowatch.

Jan Böhmermann, traditionell Diensthabender auf der Brücke der öffentlich-rechtlichen Feindbeobachtung, hat Spiegel-Redakteure unter Beckmanns Publikum entdeckt und fragt offiziell an: "1. Hatte die Chefredaktion von DER SPIEGEL vorab Kenntnis von dieser Zusammenkunft und/oder davon, dass mehrere Mitglieder der Redaktion an dieser Feier teilnehmen? 2. Wie bewertet die Chefredaktion des SPIEGEL die Teilnahme seiner Redakteure an der Veranstaltung?"

Wichtige Fragen. War die Teilnahme angemeldet, um an Informationen über die aktuellen Pläne der Rechtspublizisten zu kommen? Hatte die Spiegel-Chefredaktion eine Genehmigung erteilt? Wurden Spesen abgerechnet, Gedächtnisprotokolle erstellt, entlarvende Zitate gesammelt? Wurde Überzeugungsarbeit geleistet und versucht, vielleicht noch schwankende Elemente unter den Besuchern zurückzuholen? Vielleicht mit Hilfe der neuen Handreichung aus der CDU-Zentrale?

Umstände, die zu klären sind. Es ist wieder Zeit von Kritik und Selbstkritik, Zeit für Abweichler, zu erkennen, dass sie in falsche Kreise geraten sind. Und Gelegenheit für die demokratische Mehrheitsgesellschaft zu zeigen, dass Umkehr stets möglich ist, weil im Kampf der sich widersprechenden Tendenzen, im Ringen des Alten mit dem Neuen immer das Neue die Oberhand gewinnt und jeder Gelegenheit hat, sich zu rechtfertigen, seine Strafe positiv anzunehmen und neu anzufangen, im Dienst unserer Sache.

Reinhold Beckmann hat das verstanden und nur wenige Stunden nach seiner Enttarnung als Hofsänger der neuen Hitlers geliefert. Der Mikrophonträger und Hobbygitarrist hat erkannt, dass er dem Klassenfeind in die Hände gespielt hat, er wird es nie wieder tun. Es sei denn, um eine Aktentasche unter den Tisch des neuen Hauptquartiers zu schmuggeln, wie das engagierte Demokraten empfehlen.

Alle anderen verstockten Geburtstagsgäste wird Jan Böhmermann nun nach und nach mit seinem reisenden Volksgerichtshof zu Hause abholen. Ja, der Fortschritt geht mit großen Schritten: Musste bei Robert Havemann noch mühselig von Stasi-Leuten notiert werden, wer zum Geburtstag kam, erledigen das jetzt Freiwillige. Angeklagt und abgeurteilt wird anschließend vor einem informellen Volksgerichtshof, an dem Jan Böhmermann die Anklage vertritt, während "Bild", das Organ des gesunden Volksempfindens, das Urteil spricht.

5 Kommentare:

  1. Carl GustafMärz 11, 2019

    #keinGeburtstagfuerNazis

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  2. Ich liebe Satire, besonders, wenn Sie ernst daher kommt. Pööses, pööses rechtes Pack. Ach ne, das waren ja die Linken und ihre Schlägertrupps namens Antifa. Das stimmt übrigens wirklich mit Havemann. Eine der Aufschreiberinnen war unsere GröKaZ. Das weiß ich weil ich genau zu der Zeit auch in Grünheide war. Ja, ja....

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  3. @ppq: 20. April.
    Kaum jemand wird es noch bemerken.
    Nehmt es hin.

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  4. Frollein Schwerdtner will Einzelhaft für Liberale und Konservative. Weil die sich sonst einfach treffen. Und dauernd Party machen. Zusammen! Und das ist wirklich das Problem.

    https://twitter.com/Ruebenhorst/status/1105286220253458434

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  5. Es wurden keine mit deiner Suchanfrage - https://twitter.com/Ruebenhorst/status/1105286220253458434 - übereinstimmenden Dokumente gefunden.

    Putins Trolle einmal mehr.

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