Donnerstag, 25. Juli 2019

Verdummung: Verkleidete Verteidiger des Guten

Die Bewunderung der Deutschen gilt denen, die Gutes verkörpern. Ist das dumm?

Höflich sein, auch im Moment höchster Wut, sich gewählt ausdrücken, auch bei Gelegenheiten, in denen Abscheu und Verachtung mitgeteilt werden müssen – was früher zum Handwerkszeug jedes Publizisten gehörte, ist in den Tagen von Pegida, Höcke-Hetze und Trump-Bashing kaum mehr gefragt. Selbst ehemals seriöse Blätter beschäftigen Wortwerker, denen Begriffe wie „Volksverdummung“ leicht aus der Feder fließen. Kein Wunder, denn ihr Publikum halten die Westentaschenkinskis für „bescheuert“, „einfältig“ und leichtgläubig“.

Aber ob sie sich da mal nicht irren??

Bei der Frankfurter Rundschau, einem früher linksliberalen, nach der vierten Pleite aber nur noch flachen ehemaligen Leitmedium, verzehrt der Theatermacher Michael Herl seit Jahren die Dividende der Zeit, in der er sich einen Namen als unerschrockener Theatermacher machte. Das geschieht unter völligem Ausschluss der Öffentlichkeit, denn die FR wird von so wenigen Menschen gelesen, dass sie schon seit Jahren keine entsprechenden Zahlen mehr veröffentlicht. Normalerweise kommt es darauf auch nicht an, Ideologen schauen nie darauf, wie viele Empfänger sie erreichen, sondern ausschließlich darauf, dass ihre Botschaft stimmt.

Verkleidet als Verteidiger des Guten


Herl aber, lange Zeit vom Hessischen Rundfunk ausgehalten, stößt in seiner Kolumne immer wieder in Grenzbereiche einer Wahrheit vor, die er gar nicht mitteilen will: Verkleidet als Verteidiger des Guten, Wahren und Wichtigen rutschen dem einst von Günter Wallraff in die Psychiatrie eingewiesenen Künstler Dinge heraus, die vom Blick einer selbsternannten Elite auf Menschen erzählen, die aus ihrer Sicht „ganz unten“ (Wallraff) leben, dort, wohin die Sonne der Künstlerkultur und der Kulturkunst nicht strahlt, dort, wo Radioprogramme „durchhörbar“ sein und Buchhalter, Automonteure und Kassiererinnen nicht durch Wortbeiträge über Goethe, Wagners Antisemitismus und die führende Rolle der Pappe bei der Einhüllung von Christos Werk gestört werden wollen.

Da stellt sich Herl die ewige Frage: „Sind Sender wie der HR schuld an der Volksverdummung, oder waren die Leute schon vorher bescheuert?“ Muss so sein, denn obwohl da ja gerade „rechte Terroristen“ einen Politiker ermordet hätten, und „die Fahndungsmaßnahmen, gemessen an denen nach Anschlägen der RAF, mehr als überschaubar“ gewesen seien – fehlt es an Großdemonstrationen. Und trotz Klimawandel zähle der Frankfurter Flughafen immer mehr Fluggäste. Während die FR, siehe oben, trotz Klimawandel immer weniger Leser findet, obwohl sie auf teurem Papier gedruckt wird, für das Jahr für Jahr gewaltige Wälder sterben müssen, die im Kampf gegen den Klimawandel noch gute Dienste hätten leisten können.

Bezahlt mit toten Wäldern


Diese „Klimaproblematik“, schreibt Herl im zusammenhanglosen Stil einer anderen berühmten Krisenkolumnistin, „müsste mittlerweile auch dem letzten Dussel klar geworden sein“. Die Zahl der Neuzulassungen dreckschleudernder Geländewagen steige ständig, doch der „Bioanteil an Fleisch und Wurstwaren“ (Herl) liege trotzdem bei nur einem Prozent. Der Rest: Maschinell hergestellte Steaks, Algenbuletten aus der Kunststoffpresse und Entrecôte unnatürlichen Ursprungs.

„Sind die Menschen dumm?“, muss sich Herl, der SUV unter den Feuilletonisten, da fragen. Und eingestehen: „Schlimmer noch. Sie sind einfältig und leichtgläubig – vor allem aber überfordert.“ Angesichts der immer zahlreicher werdenden Informationsmöglichkeiten beschränkten sie sich „auf ein Mindestmaß“, also gar nicht wie er, der sich als „sorgfältig recherchierenden Journalisten“ sieht.

Ein Influencer für Gemüsesaftverächter


Er macht sich nicht wie „irgendwelche Influencer“ (Herl) „lustig über alte Frauen, die wöchentlich stapelweise Regenbogenblätter kaufen, wohl wissend, dort nur Lügen aufgetischt zu bekommen“. Er äußert stattdessen Abscheu über die, sich "das Geld von Großkonzernen aus der Tasche ziehen lassen, indem sie Kaffeekapseln kaufen oder minderwertigen Nahrungsdreck, von dem sie dann die Hälfte wegwerfen“. Und die, die „ein Gläschen frisch gepressten Gemüsesaft mit einem Tropfen Öl (Wareneinsatz 18 Cent, Verkaufspreis 5 Euro)“ genießen, „und sich nicht mal wundern, wie die Menschheit Jahrmillionen ohne Gemüsesaft mit einem Tropfen Öl überleben konnte“.

Es ist im Kleinen wie im Großen. Die Menschen suchen eine einfache Lösung, da ihnen das Weltgeschehen immer komplexer erscheint. Von daher ist die Kolumne von Michael Herl wahrscheinlich eine passende Zeiterscheinung.

Im PPQ-Archiv: Dummheit - das letzte Tabu 


9 Kommentare:

  1. KleidermacherJuli 25, 2019

    Wozu brauchen wir Deutschmichels denn auch Verstand bzw. Klugheit, wenn wir doch so viel Herz haben, dass wir die ganze überbevölkerte Hungerleiderwelt zu uns einladen, um sie hier samariterhaft selbstlos zu retten? "Unsere Grenzen sind offen. Wir schaffen das!"

    Erinnert irgendwie an "Unsere Mauern brechen, unsere Herzen nicht!"

    Es grassiert erneut selbstzerstörerischer Ignoranzwahn, nur rotgrün statt braun angemalt.

    Die Dummheit ist dieselbe.

    Pathokratie - die Herrschaft der Psychopathen.

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  2. KleidermacherJuli 25, 2019

    Nachtrag

    Die Deutschen scheinen ein besonderes Talent zu besitzen, dass sie ausgerechnet die dubiosesten Promivögel anhimmeln wie einen Gesslerhut.

    Der Untertan Diederich Hässlich in devotester Reinkultur lebt aktuell wieder in Schland.

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  3. Erstaunlich, dass der noch genug verdient, um Bio-Fleisch kaufen zu können. Da muss im Sinne der Effektivität der Märkte nachgebessert werden!

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  4. Der Untertan Diederich Hässlich ...

    Im Buch u n d im Film, zu Guste Daimchen: Ich erinnere mich noch, wie Sie als kleine Göre bei uns übern Gartenzaun geklettert sind. Meistens hatten Sie ja keine Höschen drunter ... Aber Herr Doktor! Ich bin verlobt!




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  5. Wiederum OT:
    Was soll dieser Schmonzes auf Jewwatch, hat der Rentner zu Halberstadt die Stiefmütterchen nun geklaut - oder gepflanzt? Dem Text nach wohl gepflanzt, aber wie kommen die auf die Überschrift? Grenzdebile Praktikanten?
    Pasor o mnje, Schande auf mir, aber ich möchte mich nicht bei einem anmelden, der Zuckerberg (Sacharogor) heißt.

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  6. Höflich sein, auch im Moment höchster Wut, sich gewählt ausdrücken ...

    Der geschniegelte Leutnant war kein Rekrutenschleifer. Er sagte, auch wenn er inner lich vor Wut kochte: "Ich mache mir an Ihnen doch nicht die Finger schmutzig! Revecki, nehmen sie sich die drei Mann vor! Bis zum Zusammenbrechen!"

    Aus: Die Abenteuer des Chaim Noll - nur für Kenner.

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  7. https://jungefreiheit.de/politik/deutschland/2019/habeck-fahrgemeinschaften-und-kleidungstausch-helfen-beim-klimaschutz/

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  8. KleidermacherJuli 26, 2019

    @ anonym 4

    Eine höfliche, gewählte Ausdrucksweise mag früher - also vor der massenhaften Bereicherung mit eher archaisch denkenden Fachkräften - noch einigermaßen funktioniert haben, weil die zu tadelnden Glommsköppe demselben Kulturkreis entstammten.

    Das ist inzwischen komplett anders, denn es reicht aktuell schon ein "verkehrter" Blick, um bei einem sich rechtgläubig dünkenden Goldstück den Amoklauf und Blutrausch auszulösen.

    Mit einem Knigge statt einer Walther riskiert man da nur dumm sein Kuffar-Leben.

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  9. Knigge war Freimaurer, und bei Kurzwaffen gibt es wohl nicht Walther allein.
    Peter Dommisch, 1934 - 1991 - "Ich hab'n doch aufjehalten!" - Wiederum nur für Kenner.

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