Dienstag, 29. September 2020

Lügenpresse-Register: BND übernimmt Journalistenaufsicht


Mit einem neuen Lügenpresse-Register will die Bundesregierung künftig sicherstellen, dass verlässliche und staatlich zugelassene Medienvertreter von den weltweiten Abhöraktionen des Bundesnachrichtendienstes weitgehend verschont blieben. Wie der Rechercheverbund aus öffentlich-rechtlich finanziertem
WDR und NDR und der privatkapitalistischen "Süddeutschen Zeitung" berichtet, reagiert das Kanzleramt damit notgedrungen  auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG), das die bisher übliche Vollüberwachung als grundgesetzwidrig verboten hatten.

Im Zuge der Neuregelung der Überwachung der Überwachungsaktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND) soll nun eine neue Behörde gegründet werden, in der die Supervision der deutschen Geheimdienstaktionen gebündelt wird. Der Unabhängige Kontrollrat (UK), der vermutlich als Teil der Braunkohleersatz-Ostertüchtigung planmäßig im Leipziger Tagebaurevier angesiedelt werden wird, soll als Aufsichtsbehörde alles einsehen dürfen, was der deutsche Auslandsgeheimdienst weltweit bei seiner strategischen Aufklärung unternimmt, der BND muss ihm standardisierte Suchbegriffe, gespeicherte E-Mail-Adressen oder Telefonnummern melden, nach denen Datenströme durchforstet werden.

Extrem hart geschützt werden dabei nach den Vorgaben des Urteils des Ersten Senats vom 19. Mai künftig die "besonderen Vertraulichkeitsbeziehungen insbesondere von Journalisten", wie sie das BVerfG nennt. Nach dem 111-seitigen Gesetzentwurf des Kanzleramtes ist geplant, Journalisten in zwei klar abgegrenzte Gruppen einzuteilen, um das von den Verfassungsrichtern verbotene "gezielte Eindringen in schutzwürdige Vertraulichkeitsbeziehungen" nur noch mit sehr triftigen Gründen zuzulassen. Das neue BND-Gesetz berücksichtigt diese Vorgabe, indem es die die Ausforschung der vertraulichen Kommunikation von "Geistlichen, Rechtsanwälten und Journalisten", so heißt es im Entwurf, nur noch im Ausnahmefall zur Abwehr "schwerwiegender Gefahren" für die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik gestattet.

Dieses besondere Schutzprivileg soll allerdings nur für Journalisten, die frei und unabhängig arbeiteten. Medienvertreter, die wie die siegreichen Kläger vor dem BVerfG nicht für anerkannte öffentlich-rechtliche Sender, weithin als seriös bekannte Leitmedien, staatlich finanzierte Rechercheverbünde oder die einzige deutsche Nachrichtenagentur arbeiten, müssten sich zuerst einer Charakterprüfung und einem Hintergrundcheck durch die UK stellen, um im Lügenpresse-Register als "verlässlich" eingetragen zu werden.

Wer sich dem verweigert wie jene bekannten und berüchtigten Medienvertreter, die Staatspropaganda und gezielt sogenannte "Fake News" verbreiten oder in Wahrheit insgeheim für ausländische Nachrichtendienste tätig sind, kann auf das Nicht-Überwachungsprivileg aus dem neuen BND-Gesetz nicht zählen. Wie in Ungarn, Russland und den USA würden sie dann automatisch als "feindliche Agenten" gelistet.

Reaktion auf ein Verfassungsgerichtsurteil

Die neuen Regelungen sind eine direkte Reaktion der Bundesregierung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgericht aus dem Mai dieses Jahres zu den Überwachungspraktiken des BND. Die Karlsruher Richter hatten geurteilt, dass die aktuell geltende Praxis des BND, Ausländer im Ausland ohne Einschränkung abhören zu dürfen, nicht mit dem deutschen Grundgesetz zu vereinbaren sei. 

Auch Nichthierlebende genössen den Schutz des Grundgesetzes, sogar, wenn es sich um ausländische Einrichtungen handele, die im Ausland tätig seien wie die vor dem Verfassungsgericht beschwerdeführenden Nicht-Regierungsorganisationen. Ausdrücklich stellt sich die Bundesregierung mit ihrem Gesetzentwurf gegen die These der Verfassungsrichter, die geurteilt hatten, dass auch "Funktionsträger einer ausländischen juristischen Person nicht vom Grundrechtsschutz des Art. 10 GG ausgeschlossen" seien und sich auf Art. 10 Abs. 1 GG zum Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation vor Einbrüchen seitens der Staatsgewalt berufen könnten. Der "Rechercheverbund aus WDR, NDR und SZ übergeht diese interessante Detail und lobt stattdessen die vor der Gründung stehende unabhängigen Stelle, die "die Rechtsstaatlichkeit der Spionagetätigkeiten" überwachen werde.

Weitreichende Kontrollen sollen möglich sein

Der UK selbst wird nicht nur alles einsehen dürfen, was der BND an Überwachungsmaßnahmen betreibt, die geplante Aufsichtsbehörde, die als "Oberste Bundesbehörde" bestehend aus zwei Kammern mehrere hundert neue Arbeitsplätze schaffen wird, soll auch sämtliche Suchbegriffe, sogenannte Selektoren, inspizieren dürfen, mit denen der BND verdachtsunabhängig Datenströme durchsucht, Treffer speichert und weiterverarbeitet, darunter auch Daten, die auf Ersuchen ausländischer Partnerdienste erfasst werden, ohne dass der deutsche Dienst selbst weiß, warum.

Sechs Juristen sollen dem geplanten Kontrollrat angehören: Eine Präsidentin oder ein Präsident sowie fünf weitere Mitglieder. Alle sollen ein feierliches Schweigelübte ablegen, nachdem sie einer umfangreichen Sicherheitsüberprüfung unterzogen wurden. Als Bewerbungsveraussetzung für eine Mitgliedschaft im  Hohen Geheimdienstrat gilt eine Tätigkeit als aktiver Richter oder Bundesanwalt am Bundesgerichtshof. Offiziell Dienstsitze sollen Berlin wegen der Nähe zur Bundesregierung und Pullach wegen der Nähe zum Überwachungsgegenstand sein. Die IT aber stände wohl, so heißt es im politischen Berlin, in einem ehemaligen Braunkohlegebiet - dort neue höhere Bundesbehörden anzusiedeln, um ehemalige Kohlekumpel in Brot und Arbeit zu halten, hatte die Bundesregierung im Zuge des Energieausstieges versprochen.

Geheime Kontrolle des Undurchsichtigen

Vorgeschlagen werden sollen die Mitglieder vom Generalbundesanwalt oder dem Präsidenten des Bundesgerichtshofs nach Auswahl durch die Bundestagsfraktionen, wie bei der Besetzung von Verfassungsgerichtsposten üblich. Gewählt werden sollen sie für eine Dauer von bis zu sechs Jahren vom Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, das bisher vergebens versucht hat, die undurchsichtige und geheime Arbeit der deutschen Geheimdienste zu kontrollieren. Weder war den Aufsehern dabei aufgefallen, dass der BND tief verstrickt in den illegalen Datenhandel mit anderen Geheimdiensten ist - und das sogar mit ausdrücklicher Genehmigung des heutigen Bundespräsidenten. Noch stieß den Überwachern der Überwacher auf, dass den deutschen Bespitzelungsspezialisten dennoch nicht auf gefallen war, in welchem Ausmaß ausländische Partnerdienste höchste deutsche Grundrechtsträger  aushorchen. 

Der Unabhängigen Kontrollrat für den BND soll mit 25 Mitarbeitern starten, die eine "kontinuierliche Rechtskontrolle" (Bundesverfassungsgericht) der Verwendung des seit 2011 auf rund eine Milliarden Euro mehr als verdoppelten BND-Etats "gründlich wahrnehmen" (Rechercheverbund) werden. Ob sich der BND künftig auch an die Vorgaben des neuen "Unabhängigen Kontrollrates" hält, das wiederum soll ebenfalls künftig kontrolliert werden - und zwar nicht nur von Juristen, sondern auch von ausgewiesenen Technikern. Die Verfassungsrichter in Karlsruhe hatten dem Bundesdatenschutzbeauftragten dabei eine wichtige Rolle zugestanden, und dessen Arbeit als "Administrative Rechtskontrolle" (AK) betitelt. Hier würde auch das amtliche Lügenpresse-Register als Durchschlag geführt und Einsprüche gegen einen  Einstufung als Fake-News-Verbreiter und geheimagentischer Propagandist abgelehnt.

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