Montag, 1. Februar 2021

Putin: Der verschobene Tod des Diktators

Er starb keinen stillen Tod, sondern ganz offen, vor aller Augen: Das erste Corona-Jahr neigte sich gerade dem Ende zu, da erlebte Russlands Alleinherrscher Wladimir Putin endlich einmal selbst die zerstörerische Macht der fake news: Es war im November, als mit einem Schlag überall das baldige Ende des Kreml-Herrschers eingeläutet wurde. Der Eroberrer der Krim, ein Mann, der sich traditionell als kerniger Sportler inszeniert, litt auf einmal nicht mehr nur an einer, sondern an zwei schweren Krankheiten.  

Fake News flächendeckend 

Krebs und Parkinson", schrieb der "Focus", "Putin soll schwer krank sein". Der "Spiegel", seit Jahrzehnten Heimatadresse großer Kreml-Astrologen, wusste noch mehr: Mit großem Aufwand versuche der Kreml zu verheimlichen, dass Putin sich nicht in Moskau befinde, sondern am Schwarzen Meer. "Um den Schein zu wahren", sei dort "eine Kopie seines Moskauer Büros errichtet" worden. Ziel des Unternehmens: "Die Russen glauben zu lassen, ihr Präsident sei in Moskau - während der sich in Wahrheit im Kurort Sotschi am Schwarzen Meer aufhalte."

Todkrank und nicht am vorgeschriebenen Arbeitsplatz - das passte. Schon in den verrückten Zeiten vor Corona hatten Spiegel-Reporter  herausgefunden, dass der 2018 wiedergewählte Putin dabei war, sein Erbe aufzuteilen. Nun wurde auch klar, was er plant: Noch im Januar werde der Dauerherrscher der Rus "seine Pläne für den Machttransit bekannt geben", schrieben die deutschen Gazetten. "Es geht um einen umfangreichen Kaderwechsel", zitierte die "Tagesschau" anonyme Auskenner. Neben dem Regierungschef werde auch der Präsident selbst gewechselt. Höchste Zeit, denn bei Fernsehauftritten trinke Putin "aus einer Tasse Medikamente" und "unter dem Tisch würden seine Beine zittern".

Muskulöse Machtpolitik

Es geht einfach nicht mehr, so der Medientenor. Wo Angela Merkel ihre unerklärlichen Zitteranfälle überwand, indem sie öffentliche Auftritt seitdem strikt meidet, ist die öffentliche Putin-Figur gezwungen, ihrem Volk muskulöse Machtpolitik zu personifizieren. Merkel ist so beliebt wie nie, weil ihr nun neben dem Respekt, den sie als Mutter der Nation genießt, auch noch das Mitleid bekommt, das der erhält, der ohne Rücksicht auf die eigene Gesundheit Unmenschliches leistet. Putin aber darf nicht zittern, er darf nicht menschlich sein, er muss die Rolle als Recke spielen, weil Schwäche ihm als Schwäche ausgelegt würde.

Durch die schwere Krankheit,  von der überall die Rede war, geht das nicht mehr. Die auf Diktatoren spezialisierte Illustrierte "Stern" zählte die Symptome durch: "Zappelnde Füße, unruhige Hände, unsteter Blick". 

Der russische Präsident sei mit 68 auch nicht mehr der Jüngste, attestierte der Sender RTL. "Die Wahrscheinlichkeit, schwer zu erkranken, wird mit jedem Jahr größer." (Kommata PPQ.li). Den Rücktritt habe Wladimir Putin seiner Familie versprochen, die wegen seines Gesundheitszustandes besorgt sei: Hier ein Hustenanfall, dort ein Räuspern bei einer Videokonferenz geräuspert und dann die Abwesenheit bei der Promi-Gala "Nächtliche Hockeyliga", von der die "Frankfurter Rundschau" berichtete, ohne das Wort "Corona" zu verwenden.

Nachfolgen im Amt wird Putin seine Tochter Katerina Tikhonova, eine Frau, die als "Akademikerin, Tänzerin und Autorin" bekannt sei, wie flächendeckend zu lesen war. Die Uhr, sie tickte herunter, die Amtszeit des Mannes, der Europa zumindest nach Lesart der EU zum ersten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wieder in einen Krieg gestürzt hatte, näherte sich dem Ende. Hilfslos nur dementierte der Kreml, hartnäckig legten regierungskritische deutsche Journalisten nach. Zumindest, bis der Ente der Atem ausging: Als Putin jetzt beim virtuellen Wirtschaftstreffen von Davos eine Rede hielt, wurde der nun doch akute Rücktritt wegen all der schweren Erkrankungen ebenso wenig erwähnt wie im Zusammenhang mit den zahllosen Machtübernahme-Fantasien, für die der "Kreml-Kritiker" Alexej Nawalny gerade den Anlass liefert. 

3 Kommentare:

  1. Süddeutsche:

    Und dann gibt es - gnadenloses Internet - ein Video, in dem Nawalny Verständnis für ausländerfeindliche Unruhen nach der Vergewaltigung einer jungen Frau durch einen Kirgisen vor zwei Jahren zeigt und eine Visumspflicht für Migranten fordert. "Putins Konzept besteht darin, Hunderttausende Migranten nach Russland zu holen, um die Gesellschaft zu verjüngen",
    ...
    Und ein hässliches Wort drängt sich in den Vordergrund. Es heißt Populist.


    Wurde Nawalny in Yale nicht ausreichend instruiert? War das nur ein taktisches rhetorisches Manöver?
    So oder, so, sehr amüsant.

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  2. OT, Vergebung:
    >> zeitzeuge_62 31. Januar 2021 at 12:25

    Merkel ist zu Beginn der Kriese einfach abgetaucht und
    hat wertvolle Zeit verstreichen lassen ... <<

    Wer Krise mit "ie" schreibt, ist nähmlich. Der Rest des Kommentars ist auch danach.

    Nebenbei, nicht nur Konrad Duden und Michael Jackson sind "Tod" - für den PIPIfax Dfens ist das Lübcke auch ... "totsicher". Wann höhrt dieser Spuck auf. Wiederlich.

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  3. Noch'n OT
    Im pfoinen Rittergut:

    >>
    Valjean72
    30. Januar 2021 09:32
    @heinrichbrueck
    Das Virus ist nicht besonders gefährlich ... ... ... bei Bedarf - von der lethalen Wirkung her steigerbar. <<

    "Lethal" ist eben weltmännischer als "letal" - siehe auch Author und esotherisch.
    The Mesterferien ...
    Mit Arno Schmidt: Und die halten sich nun für'n kulturellen Feldherrenhügel!


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