Dienstag, 25. Mai 2021

In der Welt der Luftpiraten: Ein kleiner Krieg für die Galerie

Beinahe hätte sie "weiß" gesagt. Im allerletzten Moment erst fing sich Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst ein. Auf halben Wege zum Wort "Weißrussland", das seit dem medialen Minskausbruch des vergangenen Jahres auf dem N-Wort-Index der Bundesspracherlaubnisbehörde steht, verwandelte die scheidende Kanzlerin das "Weiß-" noch in ein vorschriftsmäßiges "Belarussland". Nur die Aussprache  der in der früheren ehemaligen Ex-DDR auch im Russischen ausgebildeten CDU-Weltinnenpolitikerin bot noch Anlass zur Klage: Merkel phonetisierte "Belarus" mit zwei hörbaren S und legte damit einen Link nach Russland, das andere Reich des Bösen, das sich auf die heute ukrainische Kiewer Rus bezieht. BürgerrechtlerInnen in Minsk lehnen das ab, sie fordern eine weltweite Anerkennung ihres Landes als "Belarus", gesprochen mit langem U und einem S.

Beinfreiheit für den regime change

Merkels kleinen Fehler, begangen wohl auch, weil seit den ersten Anstrengungen Deutschlands um einen regime change im Osten recht viel Zeit verging. Über Monate lähmte der Kampf gegen die Pandemie alle Kräfte, so das der Diktator Aljaksandr Lukaschenka - in deutschen Medien ins Russische übersetzte stets "Alexander Lukaschenko" auftretende - seine Macht konsolidieren konnte.

Nun ist die Seuche weg, es geht in neuen Stiefeln zu alten Kämpfen. Nicht einmal mehr neue Impfrekorde müssen dazu angefertigt und verkündigt werden. Es reicht, stabil etwa die Hälfte unter den von Bundesfinanzminister Olaf Scholz für "ab Ende März" versprochenen Impfzahlen von 1,4 Millionen täglich zu bleiben, um  Beinfreiheit für andere Dinge zu gewinnen: Die Zahlen sinken, die Freiheitsgrade steigen. Nun darf auch wieder an die gedacht werden, die nicht das Glück haben, in EU-Europa zu leben, wo die Maßnahmen am strengsten waren und die Zahl der Seuchenopfer bereits im Februar den Weltrekord markierte.

Belarus ist wieder da

Die Fernsehansager sind geschult worden. Flüssig und weich kommt das "belarusisch" aus ihren Mündern, eine phonetische Entsprechung zur Verwandlung von Kirgisien in "Kirgisistan" und "Kirgistan", von Birma erst in Burma und dann in Myanmardasfrühereburma und Lemberg, das 1356 vom polnischen König Kasimir dem Großen das Magdeburger Stadtrecht erhalten hatte, in LwiwdasfrühereLemberg. Cheb ist heute das frühere Eger, Sibiu das frühere Hermannstadt, Ljubljana das frühere Laibach und Poznan hat sich in PoznandasfrüherePosen verwandelt. 

Was Belarus gewesen sein könnte, erahnt der Zuschauer in Momenten der Unachtsamkeit von Kommentatoren: Wie bei Angela Merkel beginnt das Wort plötzlich mit W, die erste Silbe schlüpft als "Wei..." ins Weite, ehe dann das ..belarus" eilig hinterhermarschiert.

Endlich wieder gemeinsam

Jedenfalls markiert das harmonische Geschehen ein Abkehr vom ewigen Kleinklein der Pandemiepolitik, den Streit um Inzidenzwerte und die Fixierung auf eine gescheiterte Impfkampagne, die es in sechs Monaten geschafft hat, ganze 13,6 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zu impfen. Im Kampf gegen den Monarchen von Minsk, der nicht nur kein Demokrat ist wie etwa der eben von Bundesaußenminister Heiko Maas aufgesuchte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, dessen ausgefallene Wiederwahl von 2009 eben ihr 10. Jubiläum gefeiert hat, sondern auch ein Corona-Leugner, findet die EU zusammen. Stunden nur dauerte es bis zu einer schnellen Reaktion der Gemeinschaft, die Corona-Streit und Positionsfindung zur Lage auf dem undurchsichtigen Kriegsschauplatz im Nahen Osten zugleich erleichtert aufatmend hinter sich ließ.

Nicht ganz einmalig, aber doch

Ein Flugzeug zur Landung zwingen, um eines an Bord vermuteten Passagiers habhaft zu werden - das ist historisch nicht ganz einmalig.  Aber wie stets kommt es gar nicht so sehr darauf an, was einer tut, sondern wer es macht. Edward Snowden konnte damals nicht festgenommen werden, als das Flugzeug des bolivianischen Präsidenten Evo Morales in Österreich "gestoppt" (Der Spiegel) wurde, weil "offenbar mehrere europäische Staaten dem aus Moskau kommenden Flugzeug die Überflugrechte verweigert hatten" (Spiegel). 

Seinerzeit suchten die US-Behörden nach einem ausgewiesenen Staatsfeind. "Roman Protassew" (FAZ), der eigentlich "Roman Protassewitsch" (Deutsche Welle) heißt, allerdings eigentlich den weißrussischen Namen "Raman Pratassewitsch" trägt, den deutsche Medien wohl aus Gründen mangelnder Anleitung bei der Durchsetzung des Weißrussischen komplett ignorieren, war hingegen wirklich an Bord des Ryanair-Fluges 4978 von Athen nach Vilnius.

Wie Mord sich von versuchtem Mord unterscheidet, unterscheiden sich Luftpiraterie und Luftpiraterie voneinander. Tritt der Taterfolg ein, ja. Fehlt er ist nichts passiert, abgesehen von "einem unfreiwilligen Zwölf-Stunden-Stopp" (Der Spiegel). nicht einmal neue Maßstäbe für das, was möglich ist, setzen solche Präzendenzfälle: Was dem einen sein' Uhl, ist dem anderen seine Nachtigall und besonders günstig erscheint es, dass Belarus in allen seinen Schreib- und Aussprachevariationen jetzt genau den Platz zu füllen verspricht, den bisher die end- und fruchtlosen Diskussionen  um Inzidenz und R-Wert, Maskenpflicht und Impfpass, Genesenenrechte und Regierungsversagen auf allen Ebenen einnahmen.

Ein ganz kleiner Krieg nur

Ein Krieg, und sei es nur ein ganz kleiner, ausgeführt mit "Listen" (Angela Merkel) statt Armeen und mit Überflugverboten statt Panzeroffensiven, lässt den Schwanz zuverlässig mit dem Hund wedeln. Wie Larry Beinhart seinen verschollenen Helden William „Old Shoe“ Schumann vor die Kameras schieben ließ, folgt in der realen Welt des Weltarmdrückens zwischen den Machtformationen nun auf die wackere Julia Timoschenko und deren Rückenschmerzen von 2012, auf Pussy Riot, den Hongkong-Aktivisten Joshua Wong und den aufopferungsvollen Kampf des "Kremlgegners" (Tagesschau) Alexej Nawalny  nun der Auftritt von Raman Pratassewitsch, einem Mann, der bis dato auf einen einzigen indirekten Auftritt in deutschen Medien verweisen konnte.

Mit "Was wusste Russland" ist nach nur 48 Stunden schon das ganze Blatt ausgeteilt. Putins Reich trafen erzieherische EU-Sanktionen schon Jahre vor der Verkündung erster Listen mit weißrussischen belarussischen Verantwortlichen. Seit sieben Jahren bereits zwingen die "angesichts der Geschehnisse in der Ost-Ukraine" (wko.at) mit der Verordnung Nr. 208/2014 des EU-Rates verhängten Sanktionen Russland in die Knie. Zuletzt lobte der Internationale Währungsfond die exzellente Konjunkturpolitik Russlands und hob seine Prognosen für das Wirtschaftswachstum nicht nur für 2021, sondern auch für auf jeweils 3,8 Prozent an. Höchste Zeit, zurückzukehren in die Schützengräben und blankzuziehen.

7 Kommentare:

  1. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

    AntwortenLöschen
  2. hat Reihen-Air gegen die Kohlenstoffnorm verstoßen ?

    AntwortenLöschen
  3. Was war da nun eigentlich / wie genau lief das ab? (Gretchen: Ich komm' gar wenig unter Leute.)- Jachtflieger? Istrebitjelji?

    AntwortenLöschen
  4. Wenn sich die Medien nun um jeden Ar$ch scheren wollen, der Rebellion spielt, haben sie viel zu tun. Schätze, dass er bei Soros auf der Gehaltsliste steht, ist immer die naheliegendste Erklärung.

    AntwortenLöschen
  5. ganz genau . der Subtext lautet : "wer für sorrosch arbeitet lebt gefährlich" - ist eigentlich ganz einfach

    AntwortenLöschen
  6. Bella-Russ - das ist Italienisch, Mensch

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.