Montag, 20. Dezember 2021

Außer Kontrolle: Feindliche Aktionen im Keime erstickt

Wie bei Fridays for Future demonstrierten auch in der DDR nur wenige Uneinsichtige gegen die notwendigen Maßnahmen.

Sie marschierten, spazierten, verlachten Verbote, Maßnahmen und selbst die rechtsstaatlich vom höchsten Gericht abgesegneten Anweisungen der Regierung zur Eindämmung der Ausschreitungen. Im Herbst 1989 erfasste die demokratische Revolution die gesamte DDR. Ein Aufstand, der nicht nur in Leipzig und Berlin stattfand, wie es heute viele Geschichtsbücher schildern. Sondern vor allem in vielen kleinen, weitgehend unbekannten Städten und Städtchen. Von Neuruppin und Forst, von Arnstadt bis Plauen, Salzwedel und Prenzlau - obwohl die Behörden klare Anweisungen erteilt hatten, dass unangemeldete Demonstrationen nicht erlaubt sind, gingen überall irregeleitete Menschen gegen den Staat und für ihre Interessen auf die Straße.

Abfall der Wähler vom Glauben

Ausgerechnet das unantastbare Recht auf Versammlungsfreiheit, das die Regierung ihnen verwehren wollte, wurde zum Katalysator der Ereignisse, wie der Mitteldeutsche Rundfunk jetzt in einer Aufarbeitung der historischen Ereignisse analysiert. Im März hatte noch eine so deutliche Mehrheit der DDR-Bürger*innen den sogenannten Kandidaten der Nationalen Front bei den Kommunalwahlen ihre Stimme gegeben, dass Untersuchungen im Auftrag der Bundesregierung im Nachhinein zum Ergebnis kamen, dass die herrschende SED nur etwa zehn Prozent Ja-Stimmen hinzufälschen musste. 

Im Oktober aber  war die jahrzehntelange Pro-SED-Stimmung im Kippen begriffen: Tausende, dann Zehntausende und schließlich Hunderttausende friedliche Demonstranten forderten Versammlungsfreiheit ein - "ein Recht, dass der Staat seinen Bürgern jahrzehntelang vorenthalten hatte", wie die bundeseigene Internetseite demokratie-statt-diktatur.de mit Blick auf die aktuelle Welle der illegalen und rechtswidrigen Spaziergänge im Land ausführt.

Die Geschichte mahnt. Das schnelle Ende der SED-Herrschaft begann mit gewaltbereiten Aufmärschen von Menschen in Forst, einem Städtchen an der polnischen Grenze, wo sich eine Handvoll junger Leute versammelte, um mit Transparenten und Kerzen, aber ohne Maske Gesicht zu zeigen gegen staatliche Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung unerlässlich waren. 

Auch in Neuruppin überschritten Demonstranten bewusst rote Linien: Mehrere Hundert Querdenker störten den friedlichen Ablauf der Volksfeste zum Republikgeburtstag. Demo-Züge ohne Erlaubnis provozierten die Notwendigkeit eines Eingreifens der Sicherheitskräfte. "Es bestand Übereinstimmung, dass diese feindlichen Aktionen im Keime erstickt werden müssen", hat Staats- und Parteichef Erich Honecker den die Sichtweise im Berliner Krisenstab später beschrieben.

Kleine, extremistische Minderheit

Die "immer unübersichtlicher werdende Lage" (FR) verdankte sich jedoch immer noch einer "kleinen, extremistischen Minderheit", die "sich von unserer Demokratie abgewandt" hatte, wie es offiziell in Berlin hieß. Nur um die Verhältnisse klarzustellen: Es demonstrieren viele Menschen gegen die DDR-Führung und ihre Eindämmungsmaßnahmen, ja, das ist wahr. "Aber im Vergleich dazu ist der Anteil derer, die die Maßnahmen akzeptieren, wesentlich größer", rechnet der MDR genau nach (Grafik oben). 

Der Umsturz, der sich noch längst nicht andeutet, beginnt in Thüringen, einer bis heute schwer regierbaren Region, mit der illegalen Aktion eines verantwortungslosen 25-jährigen Polizistensohnes, der außer Kontrolle gerät. Der junge Mann, obschon vom Staat aufgezogen, ausgebildet, umsorgt und genährt, schreibt auf einer unregistrierten Schreibmaschine einen Aufruf, sich auf dem Markt in Arnstadt zusammenzurotten und damit gegen die Zustände im Land zu protestieren. Die Zusammenrottung ist widerrechtlich, niemand findet sich bereit, als Anmelder zu fungieren. 

Kantonisten, Zweifler und Quertreiber

Und doch: Aus den anonym verteilten paar Dutzend Zetteln, die der 25-Jährige über staatlich nicht ausreichend kontrollierte Wege in Umlauf bringt, wird eine Lawine. Andere Hetzer, unsichere Kantonisten, Zweifler und Quertreiber vervielfältigen den Aufruf und reichen ihn weiter. Zwei Schüler müssen kurzzeitig von der Stasi verhaftet werden, weil sie die Flugblätter verteilen. In der SED-Zentrale wird ein umfassendes Schreibmaschinenverbot diskutiert. Die zuständigen Organe sind überall in Alarmbereitschaft. Es gilt, die von Nazis unterwanderten Demonstrationen, bei denen Rechtsextreme Hass und Hetze auf den Arbeiter- und Bauernstaat schüren, vor der "völligen Enthemmung" zu bewahren - etwa davor, dass Demonstranten ohne Erlaubnis Rücktritte von gewählten Repräsentanten von Staat und Regierung forderten.

Versteckt hinter einer gefährlichen Anonymität ermutigte die sichtlich gereizte Reaktion der Volksvertreter immer mehr Menschen dazu, die gerade in einer akuten Krisensituation gebotene staatsbürgerliche Disziplin zu vergessen. In Hamburg, Düsseldorf, Rostock, Dresden, Chemnitz, Neuruppin, Forst und Arnstadt versammeln sich Menschen zu Protestkundgebungen. 

Nazi-Vergleiche ohne Tiefenwirkung

Besonders entsetzlich: Nicht einmal die allgegenwärtigen Nazi-Vergleiche scheinen einen abgebrühten, für demokratische Aktivitäten verlorenen Teil der Wohnbevölkerung davon abzuschrecken, sich der vernünftigen und wesentlich größeren Mehrheit deren anzuschließen, die die Regeln akzeptieren, sich härtere Maßnahmen wünschen und bereit sind, selbst mitzuhelfen bei der Beruhigung der Lage. Je häufiger die Medien die demonstrierenden Menschen als Faschisten, aus dem Ausland gesteuerte Unruhestifter und vom Westfernsehen verhetzte Clique von uneinsichtigen Volksfeinden bezeichneten, desto mehr Bürgerinnen und Bürger schienen sich diese Beschimpfungen wie Orden anstecken zu wollen.

Die Vernunft der Massen, sie konnte so auf Dauer nicht gegen den Ansturm der Uneinsichtigkeit helfen. Neun Wochen nach der ersten großen Demonstration musste die DDR-Führung einsehen, dass sich Grenzen nicht schließen lassen, solange die EU nicht zustimmt.  Schon ein Jahr später war der deutsche Teilstaat Geschichte, im Fallen in die Knie gezwungen vom Mantel der Geschichte, den sich der aus bis heute unbekannten Quellen entlohnte damalige Bundeskanzler Helmut Kohl kurzentschlossen übergeworfen hatte. Mit ihn kam die Geschichte wieder ins Gleis zurück.

10 Kommentare:

  1. Der in Berlin geborene Wagenbach begann 1949 eine Lehre beim damals noch vereinten Verlag Suhrkamp/Fischer. Der Schriftsteller Frank Kafka wurde zur großen Leidenschaft, Wagenbach promovierte über den Autor.

    https://www.gmx.net/magazine/regio/berlin/verleger-klaus-wagenbach-gestorben-36449254
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    Kein Wunder, daß aus dem Wagenbach nie eine Größe in der Verleger-Szene geworden ist, wenn er sich seine Brötchen nur mit dem Bruder von Kafka verdienen konnte.

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  2. https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/corona-demonstrationen-spaziergaenge-ein-falsches-narrativ-in-corona-zeiten,SrrP5iv

    Ein charmanter Journalistenstreich, ausgerechnet einen Experten für Framing anzuheuern, um zu erklären, was 'Spaziergang' bedeutet, denn der kann es ja gleich in etwas passenderes umframen wenn er einmal da ist.

    Unangemeldete Demonstrationen, oder Proteste oder sogar Fackelaufmärsche werden zu Spaziergängen umgedeutet.

    Fein, gibt Förderung. Und jetzt mach Platz!

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  3. Der Fefe ist empört. So'ne doofe Katastrophe!
    Fefe so: ...der "faktenfinder" ... geriert sich wieder einmal als peinliches Propaganda-Mundstück der Regierungslinie. Die ziehen echt das ganze Restansehen der ARD in den Schmutz.

    einatmen, ausatmen....

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  4. Svenja Prantl wird sich warm anziehen müssen, denn der Süddeutsche Beobachter bekennzt sich jetzt klar zu seiner Funktion als Hetzblatt im Interesse der Aufwiegelung zu Haß.

    Sie sollte diesem Kerl zeigen, was Harmonie und ganz viel Liebe bewirken können.
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    Fanatiker sind's

    Es war verantwortungslos und feige, lange Zeit Hetzer nicht als das zu benennen, was sie sind. Eine Demokratie braucht auch diese Fähigkeit: zu spalten.

    Kolumne von Carolin Emcke

    https://www.sueddeutsche.de/meinung/freiheit-spalten-verschwoerungsmythen-fanatismus-demokratie-1.5490409

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  5. „Frustriert, zornig, aber nicht radikal“ – Ostbeauftragter will um AfD-Wähler kämpfen

    https://www.welt.de/politik/deutschland/article235765768/SPD-Carsten-Schneider-Wir-muessen-auch-um-AfD-Waehler-kaempfen.html
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    Au scheiß, was mach ich, wenn der an der Wohnungstür pocht und Einlaß begehrt? Zurückkämpfen?

    Auf der anderen Seite, sicher ist der bald in einem Entlassungsverhältnis. Das ging noch jeden So, der die Schwarzdeutschen als nicht radikal bezeichnete.

    Vielleicht entgehe ich ja auf diesem Wege seiner Umarmung.

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  6. Ohje der Schneider. Der saß auch sein ganzes Erwachsenenleben lang im Bundestag, das weckt Hoffnung.

    Schneider:
    Der Staat muss bis in die entlegensten Gebiete unseres Landes die Daseinsvorsorge garantieren,

    Gibt's hier noch Leute in Lehmhütten ohne Bankkonto, die dann AfD wählen oder von was redet der Schnösel?

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  7. >> ... von was redet der Schnösel?

    Von ganz viel Liebe und Zuwendung, die er den ver(w)irrten Schafen im Osten zuteil lassen wird. Wart's ab, bis der an der Pforte schellt.

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  8. "Omnicronn ist nur ein harmloser Buchstabe aus dem gr. Alphabet "(sic)

    zettdé-eff Spezial , heute

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  9. "Omnikronn ist omnipotent " so der Reichsführer Pilz und Bazille , Dr. Zipp , Fachbereichsleiter Volksaufklärung und Information .

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  10. Nun ja, nun Gott, nun ja (Mikhail Sostshenko) - das Abwickeln des Ostblockes war vom Großen Sanhedrin so gewollt, geplant und abgesegnet. Wir Einfältigen haben nur so getan, als ob wir täten, wie ich mir mit Verbitterung eingestehen mußte.

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