Dienstag, 7. Dezember 2021

Minister mit Mundschutz: Talkshow-Tour ins Kabinett

 Fettes Brot sang schon vor Jahren das Hohelied des Düreners.

Einen  Tag vor der öffentlichen Enthüllung seiner Zukunftspläne war Karl Lauterbach noch einmal der leise, bescheidene Diener der Öffentlichkeit, als den ihn Corona-Deutschland in den zurückliegenden 20 Monaten kennengelernt hat. Der frühere Christdemokrat teilte gewohnt zurückhaltend mit, er sei am Abend in der Talkshow von Anne Will zu erleben. "Ich freue mich auf diese einmalige Gelegenheit. Bin schon aufgeregt, liebe @annewill" schrieb es bei Twitter - und Anne Will, die Frau, mit der Lauterbach im letzten Jahr mehr Zeit verbracht hat als mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag, bedankte sich artig. "Karl Lauterbach weltexklusiv bei uns, wir freuen uns", erwiderte sie in der festen Gewissheit, dass ein Publikum, das regelmäßig "Anne Will" anschaut, gar nicht merken kann, wenn es veralbert wird.

Der beste Mann

Spannend war dann aber trotzdem nicht der Abend, sondern der Morgen nach dem Abend davor. Neun Monate nach der ersten Vorhersage der Ministeriabilität des Sohnes eines Molkereiarbeiters  war es endlich soweit.  Karl Lauterbach wurde zum "besten Mann" (Die Zeit) im Kabinett Scholz ernannt. Dort gibt es künftig zwar "sieben Sozis und vier starke Frauen, doch Lauterbach ist Scholz' Star", fasste der frühere Nachrichtensender n-tv die Entscheidung zusammen, zu der sich Scholz "durchgerungen" (Zeit) habe, die aber nun "eine Chance im Kampf gegen die Pandemie" (n-tv) sei.

Ein Neustart, der die Medien kollektiv vor Erwartung vibrieren lässt. Schon gibt es ein erstes Weihnachtsziel  vom neuen Mann, schon hat die Republik einen "Minister der Herzen" (RTL). Lauterbach war es schließlich, der im März bei einer Inzidenz von knapp über 100  Ausgangssperren gegen die heranziehende Delta-Variante forderte, die seinerzeit noch vor der Umbenennung stand und "indische Mutante" hieß. Was erst wird ein Politiker wie Lauterbach bei einer von 441,9 erreichen können, wenn er nicht mehr aus dem Talkshow-Sessel, sondern von der Regierungsbank aus wirken kann?

Vom Bundeswarnbeauftragten zum Pandemieminister

Nur ein paar tapfere Faktenfinder bei der "Tagesschau" stiegen angelegentlich der Beförderung vom Bundeswarnbeauftragten zum Bundespandemieminister in die Archive, um anschließend einen "Warner mit Ungenauigkeiten" zu porträtieren, der immer mal wieder fake news verbreitet - oder im Faktenfinder-Slang besser - Behauptungen aufgestellt habe, die "nicht belegt" gewesen seien. So hatte der künftige Bundesgesundheitsminister sich Corona-Zahlen für Mallorca einfach ausgedacht, ein Heer von Corona-Waisen erfunden und sogar der EU schwere Verfehlungen bei der Beschaffung von Impfstoffen vorgeworfen. Obwohl die EU selbst mehrfach festgestellt hat, dass sie alle ihre Impfziele erreicht hat, manche sogar mehrfach oder bald.

Vom "Spiegel" zum "politischen Gesicht der Coronakrise" erklärt, ist Lauterbach eigentlich "eine Wortbildmarke der SPD-Bundestagsfraktion", andererseits aber für seine Gegner  eine "unvermeidliche Provokation" (Die Welt). Lange vor dem wegweisenden Verfassungsgerichtsurteil zur Aufhebung der roten Linien forderte Lauterbach die staatliche Überwachung privater Räume, denn "die Unverletzbarkeit der Wohnung darf kein Argument mehr für ausbleibende Kontrollen sein". Wo private Treffen die öffentliche Gesundheit und damit die Sicherheit gefährdeten, müssten die Behörden einschreiten können, "damit wir die massive zweite Welle brechen können".

Zurückdrängung überflüssiger Eingriffe

Deren Höhepunkt war im April mit 150.000 Neuinfektionen in einer Woche erreicht, kurz nachdem der "als Fachmann geschätzte" (Welt) Verfechter einer Reduzierung der Zahl der Krankenhäuser zur Qualitätsverbesserung und der Zurückdrängung "überflüssiger Eingriffe" verkündet hatte, dass "diejenigen, die jetzt auf den Intensivstationen behandelt werden, im Durchschnitt 47 bis 48 Jahre alt" seien und "die Hälfte von denen stirbt". Genaugenommen waren es 18 Prozent aller Intensivpatienten, die Covid-19 zum Opfer fielen. Und unter den 40 bis 49-Jährigen starben insgesamt bisher nur etwa 1.000 Menschen.

Doch in der Pandemie braucht es manchmal Fantasie und einen Ruf, dem er hätte schaden können, hatte Karl Lauterbach ja nicht. Erst nach und nach, auf einer unendlichen Tour durch Talkshows und Zeitungsredaktionen, die jede Flunkerei wie Manna aufsogen, bastelte der frühere Konjunkturexperte an seinem Nimbus, immer der Erste zu sein, der am lautesten warnt und nicht Ruhe gibt, bis ein rigoroser Lockdown die Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen "deutlich unter 50 oder besser unter 25" (Lauterbach) gedrückt hat.

Herz in der Hand

Ein langer Weg, gerade jetzt, wo Karl Lauterbach die Herzen nur so zufliegen. Doch nun, wo die Inzidenzen sinken wie sie es in Brasilien, Schweden und Indien rätselhafterweise auch schon getan haben, obwohl die Impfquoten dort teilweise deutlich niedriger liegen als in Deutschland, kann eine bedingungslose Umsetzung der Impfpflicht, die Schließung der Weihnachtsmärkte, die Schließung von Discos, Bars und Clubs schließen und 2G und  2G+ überall, wo sich Menschen noch begegnen können, die Pandemiedynamik brechen. Streng kontrolliert diesmal, denn „ohne Strafen verlieren wir den Kampf gegen die vierte Welle“, hat Karl Lauterbach angekündigt.

3 Kommentare:

  1. >> immer der Erste zu sein, der am lautesten warnt

    Wie ich heute schrob.

    Im Rausch der Machtempfängis gab Arbeiterführer Scholz am Montag bekannt, erstmals in der Geschichte der Menschheit eine Sirene zum Minister zu ernennen. Geht nicht? Doch, das geht. (Gerhard Polt)

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  2. Bei dem fragt man sich, wurde er geschmiert oder ist es nur Inkompetenz, Geltungssucht und Niedertracht?

    Es sei „absolut indiskutabel“, wenn Abstriche an der Gesetzgebungskompetenz gemacht werden, „wenn wir unter Druck der Straße sind“. Der Staat dürfe „nicht Rücksicht auf Querdenker nehmen“,

    Aber auf alle anderen, egal wie wenige es sind, wenn es zur momentanen Kriechrichtung passt.
    Der Druck durch Grundrechte und Grundgesetz ist ja nun weg.

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  3. "Der Druck durch Grundrechte und Grundgesetz ist ja nun weg." - Aber doch wirklich nicht erst, seit Arbeiterführer Scholz und sein bester Mann in die Sättel gestiegen sind, um die Nation ... ach, was sage ich ... um das Land ... nein, so geht´s auch nicht ... um die Viehherde des Territoriums, das einst die alte BRD mit inkludierter DDR dargestellt hat, in die gewünschte Richtung zu treiben.

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