Freitag, 4. Februar 2022

Als Putin starb: Wie falsch waren die Nachrichten wirklich?

Die letzten seriösen Nachrichten über den nahen Tod von Wladimir Putin stammen aus dem Januar 2021.

Es war nur noch eine Frage der Zeit, damals im November 2020, als deutsche Medien aus dem Kremlkästchen plauderten. Ein Chor, nicht weniger selbstgewiss als der, der in diesen Tagen das Kriegsgeschrei vom nahen Angriff auf die Ukraine auf den Lippen hat. An Parkinson und Krebs gleichzeitig starb der Kreml-Herrscher, keinen stillen Tod, sondern ganz offen, vor aller Augen, von Insidern beobachtet, die ihr Wissen der Frankfurter Rundschau steckten, dem Focus, der "Welt" und sogar dem "Berliner Kurier". Das erste Corona-Jahr schien gut zu Ende gehen zu können.

Der Tod im Kreml

Nicht einmal mehr die besten deutschen Faktenchecker hielten es für nötig, prüfend dorthin hinzuschauen, wo Russlands Alleinherrscher mit dem Tode rang. Dass Ende des bösen Kreml-Herrschers nahe war, darüber bestand Konsens bis in die Großraumbüros von Correktiv, dem Faktenfuchs und dem Tagesschau-Sonderkommando "Faktenfinder". Der Eroberer der Krim, der Mann, der sich seinen gebeutelten Untertanen ein Leben als kerniger Sportler gezeigt hatte, litt bekanntermaßen nicht mehr nur an einer, sondern an zwei tödlichen Krankheiten. 

Ein bisschen traurig war das schon. Aber irgendwie auch schön. Klammheimliche Freude war nicht zu übersehen, wo die Leiden des Despoten beschrieben und die Namen der Nachfolger gehandelt wurden.

Fake News flächendeckend 

Krebs und Parkinson", schrieb der "Focus", "Putin soll schwer krank sein". Der "Spiegel", seit Jahrzehnten Heimatadresse großer Kreml-Astrologen, wusste noch mehr: Mit großem Aufwand versuche der Kreml zu verheimlichen, dass Putin sich nicht in Moskau befinde, sondern am Schwarzen Meer, zum Sterben zurückgezogen an den Strand. "Um den Schein zu wahren", sei dort sogar "eine Kopie seines Moskauer Büros errichtet" worden. Ziel des Unternehmens: "Die Russen glauben zu lassen, ihr Präsident sei in Moskau - während der sich in Wahrheit im Kurort Sotschi am Schwarzen Meer aufhalte."

Todkrank und nicht am vorgeschriebenen Arbeitsplatz - das passte. Schon in den verrückten Zeiten vor Corona hatten Spiegel-Reporter  herausgefunden, dass der 2018 wiedergewählte Putin dabei war, sein Erbe aufzuteilen. Nun wurde auch klar, was er plant: Noch im Januar 2021 werde der Dauerherrscher der Rus notgedrungen "seine Pläne für den Machttransit bekannt geben", schrieben die deutschen Gazetten. "Es geht um einen umfangreichen Kaderwechsel", zitierte die "Tagesschau" anonyme Auskenner. Neben dem Regierungschef werde auch der Präsident selbst gewechselt. Höchste Zeit, denn bei Fernsehauftritten trinke Putin "aus einer Tasse Medikamente" und "unter dem Tisch würden seine Beine zittern".

Muskulöse Machtpolitik

Das war fast wie bei Angela Merkel, die allerdings immer nur übermüdet gewesen war, als sie ihre Zitteranfälle  überwand, indem sie öffentliche Auftritt strikt mied und die letzten Jahre ihrer unendlichen Amtszeit aus dem Off regierte wie es ihr Nachfolger ihr später abschaute. 

Putin, die Kraftfigur, konnte das nicht. Er war gezwungen, seinem Volk Muskelspiele vorzuführent und durch lauter Dementis mit Krieg zu drohen, wo er wegen seiner schweren Krankheiten nicht mehr reiten und mit barem Oberkörper in einem wilden Fluss fischen konnte. Putin durfte nicht zittern, er durfte nicht schwach wirken, er musste seine selbstgewählte Rolle als russischer Recke weiterspielen und seine tödlichen Krankheiten trotz der vom "Stern" diagnostizierten Symptome  "zappelnde Füße, unruhige Hände, unsteter Blick" vor aller Welt verbergen. 

Nicht mehr der Jüngste

Was für ein Lügengebäude! War der russische Präsident schon beim Ausbruch seiner schweren Erkrankungen "mit 68 auch nicht mehr der Jüngste" (RTL) verglichen mit Deutschlands Präsidenten Walter Steinmeier, der erst 66 Jahre zählt, ist Putin heute schon 69 und der Rücktritt, den er seiner Familie Ende 2020 wegen seines Gesundheitszustandes versprochen hatte, liegt noch immer vor ihm. Unaufhaltsam tickt die Uhr, inzwischen dementiert der Kreml die damaligen Gerüchte nicht einmal mehr. Allerdings haben die regierungskritischen deutschen Journalisten,  die den unausweichlich nahenden Tod des Kreml-Herrschers couragiert aufgedeckt hatten, nun auch schon ein Jahr lang nicht mehr über das Fortschreiten des körperlichen Verfalls berichtet.

Auch gesundet ist Putin aber nicht, jedenfalls nicht in den deutschen Medien, die es ganz genau wissen. Nur nicht was.

2 Kommentare:

  1. Ich hoffe sie möchten mit ihrem Artikel nicht andeuten, dass unsere hervorragenden Qualitätsmedien, um die uns die restliche Welt beneidet, sich die Geschichte mit der Erkrankung Putins aus den Fingern gesogen hätten. Das könnte ihr kleines Mitmachboard in eine komplett falsche Ecke stellen. Niemand will doch einer dieser Realitätsfaschisten sein.

    Ich kann ihnen daher genau schildern, wie sich die Sache zugetragen hat. Wenn unsere Medien verkünden, dass Putin todkrank war, dann ist er das auch gewesen. Daran gibt es nichts zu rütteln. Was durch unsere total unabhängigen Medien verkündet wird, ist die gültige Wahrheit, auch dann wenn sie sich mit der Realität nicht ganz überschneidet.

    Inzwischen muss sich offensichtlich eine überraschende und unerwartete Blitzgesundung eingestellt haben, über die es sich derzeit aber nicht zu berichten lohnt. Ist nur von eher lokalem Interesse. Sie sagen ja selbst, dass eine Tagesschau nur 15 Minuten dauern darf. Da kann auch mal etwas hinten runter fallen.
    Natürlich können die multiplen tödlichen Krankheiten jederzeit und ohne jegliche Vorwarnung wieder einsetzen. Zu diesem Zeitpunkt wird das dann selbstverständlich auch die Wahrheit und nichts anderes sein. Irgendwann wird sich die Wahrheit dann schon auch wieder der Realität annähern. Ewig wird Putin sicher nicht leben. Am Ende werden dann also alle Journalisten, wie immer, recht gehabt haben. Mögen auch Jahrzehnte dazwischengelegen haben.

    Ich denke, dass sie den Vorgang jetzt besser nachvollziehen können und in Zukunft dieses unverantwortliche streuen von Zweifeln unterlassen werden. Es gibt in unserem schönen Staate nichts zu bezweifeln. Was bei uns gesendet und geschrieben wird ist immer wahr, sonst wäre es ja nicht gesendet und geschrieben worden.

    Genauso treffen unsere Politiker auch immer die richtig Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt, denn sonst wären sie schließlich nicht so getroffen worden. Wir leben in der besten aller möglichen Welten. Aber das ist eine andere Geschichte.

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  2. Focus:
    Laut [Kreml-Kritiker] Solovei plant der 68-Jährige bereits Anfang 2021, aufgrund seiner Erkrankung sein Amt niederzulegen und dieses an seine Tochter Katerina Tikhonova weiterzugeben. Sie ist als Akademikerin, Tänzerin und Autorin bekannt. Das bestätige laut Solovei auch eine Moskauer Masseurin: Sie erzähle ihren Kunden, in der Staatsduma erwarte man "riesige Veränderungen".

    Das war Premiumjournalismus mit Spitzenquellen. Falls jemand mal wieder von journalistischen Standards schwafelt, wäre das ein schöner Beleg für selbige.

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