Dienstag, 1. März 2022

"Sondervermögen": Finanzgeschütz für den Kriegseinsatz

Todeswünsche für das deutsche Militär galten über Jahrzehnte als Nachweis korrekter Gewissenfunktionen.

Coole Arbeitszeitregelungen, jede Menge "Hauptquartiere, um Stellen zu halten" (Roderich Kiesewetter), keine Waffen, kaum Munition, die Beweglichkeit einer Schildkröte im Winterschlaf - auch die Bundeswehr war von der Eskalation an der Ostflanke der Nato überrascht worden. Ein Vierteljahrhundert nach Beginn der großen Bundeswehrreformen sind Heer, Luftwaffe und Marine in einem bedauernswerten Zustand, nichts fliegt, nichts schwimmt, nichts fährt, alles Fähigkeiten, die die ehemals weltweit gefürchteten deutschen Streitkräfte erst wieder lernen müssen, wie Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner historischen Zeitenwende-Rede vor dem Bundestag sagte.  

Jammervolle Heeresmacht

Schwer genug wird es. In Afghanistan offenbarte sich im vergangenen Jahr das ganze Ausmaß der fehlenden Kampfbereitschaft: Nachdem die Amerikaner das Land verlassen hatten, war es der Bundeswehr auch mit Unterstützung und Waffenhilfe aller europäischen Verbündeten nicht möglich, auch nur den Flugplatz der Hauptstadt Kabul für ein, zwei Monate zu halten. Den Auslandseinsatz in Mali muss die Bundeswehr im Moment gerade abbrechen - ohne französischen Schutz sind die deutschen Einheiten in Afrika verloren.

Zeit, etwas zu tun. Zeit aber auch, erst einmal etwas zu sagen, um die Gemüter zu beruhigen. Schon als  Generalleutnant Alfons Mais, als Inspekteur des Heeres Oberbefehlshaber der deutschen Landstreitkräfte, mit dem Beginn der russischen Offensive erkannte, dass seine Truppen "blank" dastehen, löste das Bundeskanzleramt einen Abwehrauftrag in der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) aus. "Auftrag: Erstellung einer Beruhigungsvokabel Bundeswehr" steht auf dem Laufzettel, der per Rohrpost aus der Willy-Brandt-Straße 1 in die sieben Stockwerke tiefer gelegene BWHF auf den Weg ging und den PPQ.li jetzt exklusiv einsehen konnte.

Geistig-moralische Wende

Alles musste neu, alle Zeichen stehen auf geistig-moralische Wende, Frauen und Männer wie Norbert Röttgen, Sahra Wagenknecht, Gregor Gysi und Luisa Neubauer "springen über Tabus" (Röttgen) in diesen dynamischen Tagen, in denen sich das Schicksal des deutschen Volkes wendet. Aufgabe der Bundesworthülsenfabrik ist es in solchen geschichtlich bedeutsamen Momenten, den Willen und das Wollen der Regierenden, die Prokura zum Handeln von den Regierten bekommen haben, in Signalbegriffe, kompakte Kurzformeln und Beschwörungsvokabeln zu fassen.

Mit "Zeitenwende" hatte die BWHF Bundeskanzler Scholz im ersten Zugriff mit einer Worthülse aus dem Depot versorgt, die sich bereits im Winter 1940 und im September 2001 zur Abwehr gesellschaftlicher Verunsicherung bewährt hatte. Wichtiger aber zur Beruhigung der Nerven der Bevölkerung war ein zweiter Begriff, den die Worthülsendreher, Verbalschmiede und Virtualisierungspoeten Scholz zur Verfügung stellten: "Sondervermögen", in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts vom damaligen Reichsamt für Worte und Benennungen (RWB - Forschungsbehörde) für die Verwendung in gesellschaftlichen Randbereichen entwickelt, wurde zum zweiten zentralen Begriff im Weckruf des Kanzlers an Gemütlichkeit und römisch-dekadente Nestwärme.

Das Imperium schlägt zurück

Eine Sonderlage, eine besondere Reaktion, ein Alarmschrei, zugleich aber auch die beruhigende Mitteilung:  Die Bundesregierung hat gut gewirtschaftet, sie behält die Lage im Griff, indem sie ein einfach ein Vermögen mobilisiert, es zweckbestimmt und sich selbst zur Verfügung stellt. Ein Finanzgeschütz für den Kriegseinsatz, das allein durch die Kraft der für die meisten Bürgerinnen und Bürger unvorstellbar hohen Zahl wirkt. 100 Milliarden Euro Sondervermögen, das sind 1.200 Euro pro Kopf der Bevölkerung, 3.000 bis 4.000 Euro pro Kopf jedes Steuerzahler*innes, ein Vermögen, das rein technisch gesehen nicht wie ein Sparbuchguthaben als Rücklagen besteht, sondern aus einer neuen Verbindlichkeit, die als Hypothek auf die künftige Wertschöpfung aufgenommen wird.

Das Gute an der Worthülse, die ihren Inhalt nahezu perfekt verbirgt, ist ihre glatte Gängigkeit, die medial zu einer kollektiven Zugriffsfreude führt. Unisono verweisen Magazine, Zeitungen, Fernsehsender und Agenturen darauf, dass es sich bei dem "vielen Geld " (RND) um eine "historische Chance" handele, "Jahre der Sparpolitik und eine politische Führung, die immer wieder daran scheiterte das berüchtigte Beschaffungswesen in den Griff zu bekommen" (RND) zu beenden. Ein "Sondervermögen", das durch eine Ansage des Bundeskanzlers entstanden ist und eine Sekunde später mehr als ein Fünftel des Volumens des gesamten aktuellen Bundeshaushaltes erreicht, verbreitet das tröstende Gefühl im Land, wie Griechenland, Flut, Klima, Euro und Pandemie sei auch Russland einzig und allein ein finanzielles Problem, das sich mit ausreichend Nullen hinter einer Führungszahl wie immer recht schnell regeln lassen werde.

Weltweit führende Verbalfähigkeiten

Als "Investition in die Freiheit" (Christian Lindner) handelt es sich bei den neuen Schulden nicht um um neue Schulden, mit denen erneut und mit großem Nachdruck gegen die verfassungsmäßige Schuldenbremse verstoßen wird, sondern um die Basis dafür, die Voraussetzungen zu schaffen, die Schuldenbremse bereits in Zukunft wieder einhalten zu können. Lindner stellte dabei klar, dass die neuen Regeln zwingend ins Grundgesetz aufgenommen werden müssten, damit nicht irgendeine nachfolgende Regierung sie in gleicher Weise missachteten wie sein Vorgänger im Finanzministerium, der heutige Kanzler Scholz, und er selbst es mit der Schuldenbremse getan haben.

Dass der Bundeswehr auch mit noch so viel Geld und noch so hohen Zahlen vermutlich nicht aus ihrer "bedingten Abwehrbereitschaft" (Der Spiegel, Oktober 1962)  zu helfen sein wird, ist eine andere Frage, die an einem anderen Tag nicht beantwortet werden wird. Der aber liegt weit jenseits von Morgen und Übermorgen. Und jede Stunde bis zur bitteren Erkenntnis, dass es wieder nicht geklappt hat mit dem Umbau der Bundeswehr zu einer schlagkräftigen, selbst dem Russen gewachsenen Armee, hat die Bundesworthülsenfabrik mit ihren weltweit führenden Verbalfähigkeiten erkauft.

5 Kommentare:

  1. Sie Summe ist ein müder Abklatsch der berühmten Szene aus Austin Powers (1997), als Dr Evil die Erpressungssumme überdramatisch auf 100 Milliarden hochschraubt.
    Ein gewisse Ähnlichkeit mit Scholz ist auch gegeben, nur die darstellerische Umsetzung 2022 war wie zu erwarten öde.

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  2. Wahrscheinlich wäre es das sinnvollste, wenn wir das Geld den Polen und Balten überweisen würden. Sollte Putin das russische Reich weiter Richtung Westen ausdehnen wollen, wären das die nächsten Ziele. Da bei diesen Ländern noch eine bedingte Abwehrbereitschaft existiert, sollten wir diese auch mit unserer Verteidigung beauftragen. Immerhin besser als gar nichts. Aber Geld in diese von Nazis beherrschte, kohlenverseuchte, bald atomverseuchte, nicht korrekt durchgegenderte Zone ohne unabhängiges Verfassungsgericht zu überweisen, wird nicht einfach zu verkaufen sein. Da bin ich auf den nagelneuen Begriff der Bundesworthülsen gespannt. Als Arbeitsgrundlage könnte so etwas dienen wie: "Deutschland wird auch an der Weichsel verteidigt". Ist noch etwas sperrig, aber das wird schon werden.

    P.S. Ich habe heute noch einen Termin bei meinem Banker des Vertrauens. Ich plane auch die Schaffung eines großen Sondervermögens zu Verbesserung meiner persönlichen Verteidigungssituation. Der wird staunen ob meines finanziellen Sachverstandes. Ein Bunker im Garten ist in diesen unruhigen Zeiten schließlich eine stabile Wertanlage. So Rucki Zucki wie der Olaf das abgesegnet bekommen hat, rechne ich auch bei mir mit keinen größeren Widerständen. Das raffende Kapital wird, dem Russen sei Dank, wieder in schaffendes Kapital umgewandelt.

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  3. die Bundeswehr wurde von roten Volksfeinden und freymauserähnlichen Politstrukturen kaputtgespart

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  4. >> Mautpreller 1. März 2022 at 19:24

    Was mich verwundert ist das aus 80 Millionen Nationaltrainer, jetzt 80 Millionen
    Ukraine Experten geworden sind, <<
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    Was mich verwundert ist, dass sich erwachsene Menschen einer Rechtschreibung bedienen, wie sie früher bei grenzdebilen Achtklässlern üblich war. Und, dass es keinen der Pipifaxe zu stören scheint.
    Daß ist ecklig, gerahdezu wiederlich. Es brennt beim Lesen in den Augen.

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  5. Das hat schon seinen Grund, dass die ausgerechnet bei Pi schreiben. Nichts gegen die Massen, Gott segne sie.

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