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Das neue Ziel der EZB ist es, dem Dollar Konkurrenz zu machen. |
Die Zölle, die Spaltung, die Wirtschaftsflaute wegen der hohen Energiepreise und der schweren Bürokratielasten. Als sei das alles noch nicht genug, hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde jetzt auch noch einen "stärkeren Euro als Antwort auf Trump" angekündigt. Als seien fast 15 Prozent Kursgewinn der Gemeinschaftswährung seit Anfang Januar noch nicht genug, plant die Europäische Zentralbank eine weitere Stärkung des Euro, der seit seiner Einführung vor 25 Jahren etwa die Hälfte seiner Kaufkraft verloren hat. Nach großem Hin und Her aber im Vergleich zum US-Dollar etwa dort steht, wo er am Tag seiner Einführung notiert worden war.
Die ausgefallene Dollar-Alternative
Alle Versuche, mit dem neuen Einheitsgeld eine Alternative zum Dollar zu etablieren, sind bisher verpufft. Je nachdem wie die Wirtschaft in Europa und in den Vereinigten Staaten lief, ging es mal runter und mal hoch. Den eigenen Anspruch aber, zur Weltreserve- und Haupthandelswährung zu werden, löste die von Wohl und Wehe der Hinterzimmerverhandlungen der mittlerweile Eurostaaten abhängige Währung nicht ein. Weltweit gehandelt wird in Dollar, nicht nur Öl und Gas. Wer mehr exportieren will, der tut am besten daran, seine eigene Währung zu schwächen, um es Käufern leichter zu machen, sich für seine Produkte zu entscheiden.
Ausgerechnet diesen Effekt will Christine Lagarde nun ausgerechnet in einem Moment mit einem "stärkeren Euro" konterkarieren? Natürlich, die frühere Finanzministerin hat nur Jura studiert, nicht Volkswirtschaft und nicht Ökonomie. Doch dass eine starke Währung einem schwachen Wirtschaftsraum nicht eben hilft, sich zu berappelt, müsste selbst sie wissen. Und sie weiß es ja auch. Als Lagarde von einem "starken Euro" sprach, meinte sie keine Währung, die stark im Sinne von wertvoll ist, verglichen mit anderen Währungen. Diese Interpretation stammt von der deutschen Nachrichtenagentur DPA, einer Wahrheitsfabrik von legendärem Ruf, aus der nahezu die gesamte deutsche Presselandschaft ihre häufig frei flottierenden Informationen bezieht.
Nicht mehr ganz gesund
DPA-Meldungen sind beliebt, weil das sogenannte Agenturprivileg es den Abnehmern der Nachrichten gestattet, sie zu übernehmen, ohne dass der Inhalt auf Richtigkeit überprüft werden muss. DPA hat immer recht. Und wenn nicht, dann haben es zumindest alle gleich falsch. Unvergessen sind die "Ehec-Toten", die meist "nicht mehr ganz gesund" wurden. Aber auch die geheimnisvolle Verwandlung eines inszenierten Werbebildes, das ein Regierungsfotograf im Kanzleramt anfertigte, in ein journalistisches Großwerk schafft nur die Agentur, die von sich selbst sagt, sie habe sogar die Selfies der Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrund fotografiert.
Etwas anderes darf behauptet werden, aber die Verbreitung fällt schwer. DPA verfertigt nicht nur fantasievolle Informationen, DPA sorgt als Facebook-Faktencheck-Partner auch dafür, dass sie richtig bleiben. In Deutschland bleibt es deshalb absehbar auch bei einer angeblichen Forderung Lagardes nach einem "starken Euro", obwohl die 69-Jährige bei ihrer Rede in der Berliner "Hertie"-Schule ausschließlich öffentlich von einer "stärkeren Rolle" der Gemeinschaftswährung geträumt hatte. Überall wo in Englisch berichtet wird, beklagt Lagarde ausgiebig die seit Jahrzehnten zu verzeichnende Stagnation der "globalen Rolle des Euro", nicht dessen Kursschwäche.
Die große Wohlstandslücke
Die hat ihre Ursachen in der von Lagardes Vorgänger Mario Draghi im vergangenen Jahr beklagten "großen Lücke im Bruttoinlandsprodukt" zwischen EU und USA, die sich in den letzten Jahrzehnten "aufgetan" (Draghi) habe. Mit der Folge, dass das "verfügbare Pro-Kopf-Einkommen in den USA seit 2000 fast doppelt so schnell gestiegen sei wie in der EU und die europäischen Haushalte den Preis in Form eines entgangenen Lebensstandards gezahlt" hätten.
Für Lagarde aber sieht die Welt ganz anders aus: Irgendwie ist auch daran Trump schuld, der aber hat sein Blatt wohl nun überreizt und so ist es Zeit für ein "global euro moment", wie es die gelernte Juristin nennt. Der Euro soll Weltleitwährung werden, wieder einmal. Diesmal beflügelt durch einen von der EU geschaffenen "tieferen, liquideren Kapitalmarkt" mit einheitlichen Regeln von Lissabon bis Tallinn, einer "größeren militärischen Stärke" und der Sicherheit einer Region, die ihre Sicherheit "mit harter Macht bewahren" können. Von Bürokratie, technologischem Rückstand durch verweigerte Innovationen und den hemmenden Folgen einer beständig ehrgeiziger werdenden zentralen Planwirtschaft in der EU sprach Lagarde nicht.
Der Euro als er
Für die Zentralbankchefin ist der Euro so etwas wie ein lebendes Wesen. Sie nennt ihn liebevoll "er", als habe das, was in einem niemals endenden Strom aus den Trillionenpressen der EZB kommt, einen eigenen Willen. "Der Euro wird nicht automatisch an Einfluss gewinnen – er muss ihn sich verdienen", rief die EZB-Chefin eine Binse Marke "Junge, streng dich an, im Leben bekommt man nichts geschenkt" in die Hertie-Schule. Das Publikum erfuhr zudem, dass die "Rolle des Dollar" seit Jahren rückläufig sei und der Greenback mittlerweile "nur noch 58 Prozent der internationalen Reserven" ausmache. Der niedrigste Stand seit Jahrzehnten, aber der Anteil des Euro liege schon bei 20 Prozent - nach mehr als 25 Prozent vor 15 Jahren.
Wenn das nicht Hoffnung macht, dann kann zumindest später niemand die Hoffnung verlieren, wenn es wieder nicht klappt. In Europa hängt fast ein Fünftel der Wertschöpfung am Export, Lagarde nannte "30 Millionen Arbeitsplätze", die direkt davon abhängig seien. Der jetzt ausgerufene Kurs auf eine "Stärkung der internationalen Rolle des Euro" solle sich "positiv auf den Euroraum auswirken", der das dringend nötig hat, weil die Wirtschaften der Euro-Staaten in der Regel sogar noch schlechter laufen als die der EU-Länder mit eigenen Währungen. Lagarde hat verkündet, dass Kredite in der EU günstiger werden könnten, was die Binnennachfrage stütze. Zudem hätten Wechselkursschwankungen dann weniger Folgen, da mehr Handel in Euro erfolge, und Europa sei dadurch "besser gegen Sanktionen gefeit". Wirrer wirds nicht mehr, außer bei DPA.
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