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Die Generation der Selbstverliebten empfindet jedes Widerwort als Beleidigung. |
Die eine spricht kaum Englisch, traut sich aber zu, die UN-Generalversammlung zu leiten. Der andere kann auf eine endlose Latte von teilweise bizarren Fehlprognosen verweisen, gilt aber als Starökonom. Der dritte hat Politikwissenschaften studiert, hob aber den Finger, als die Frage stand, wer denn nun künftig die Verantwortung für die Haushaltsplanung der größten Volkswirtschaft Europas übernimmt. Kein Problem. Alle Erfahrungen des letzten
Wirtschaftsministers mit seinem Ressort verdankten sich Besuchen in Wirtshäusern während eines Philosophiestudiums.
Für Heranwachsende und junge Erwachsene ist das kein ungewöhnliches Phänomen. Jüngere sind seit jeher tendenziell eher narzisstischer veranlagt als Ältere. Bei der Suche nach einem Platz im Leben, nach einer Aufgabe, einem Sinn und Menschen, die einen vielleicht über Jahrzehnte begleiten, hilft es, in einer Phase der Unsicherheit gesehen zu werden und sich an seiner Umgebung zu reiben. Fast jede Jugendbewegung verdankt sich diesem Spiel mit Auflehnung, Ablehnung und dem Versuch, eigene Werte zu definieren.
Sie können das alle, einfach, weil sie es tun, und so lange sie es tun, niemand beweisen kann, dass es anders besser gegangen wäre. Angetrieben wird die Generation der neuen Hauptmänner von Köpenick allein von einem unfassbaren Selbstbewusstsein.
Sie selbst finden sich gut
In dieser seltsamen Generation der Überselbstbewussten gibt es Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich beklagen, weil sie große Literaturpreise nicht bekommen haben. Dabei hätten sie doch nach eigener Auffassung das beste Buch geschrieben. Neben ihnen stehen Fußballer, die sich für Weltklasse halten, ohne je etwas Bedeutsames gewonnen zu haben. Flankiert werden sie von Sängern und Musikern, die die Anzahl ihrer TikTok-Follower für einen Ausweis von künstlerischer Bedeutung halten.
Nicht zu vergessensind die Fernsehansager. Reihenweise sind die der Meinung, dass ihnen Gehör gebürt, weil sie lange Jahre schon vorm Morgengrauen Interviewfragen von einem Teleprompter abgelesen haben. Infolgedessen sei die
Menschheit begierig, sich von ihnen Ratschläge geben zu lassen, wie der Einzelne leen solle, was er am besten denken dürfe und wie weit er seinen Unmut über dieses und jenes pflegen könne, ohne sich selbst aus der Gemeinschaft der Demokraten auszuschließen.
Weiter kommt man ohne ihr
Bescheidenheit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr. Das ist der Leitspruch der Gesichter einer Mediengesellschaft, für die Figuren wie die grüne Ex-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock, die Nachwuchsgrüne Jette Nietzard, der Ökonom Marcel Fratzscher, SPD-Chef Lars Klingbeil und eine Unzahl an anderen mehr oder weniger bekannten Namen stehen.
Sie alle kommen ohne Leidens- und Lebensgeschichte daher, ohne Erfahrungen und ohne mehr als angelerntes Katheterwissen. Ihr Biotop ist das der anderen Überselbstbewussten, gegenseitig haut man sich die Taschen voll darüber, wie wichtig und bedeutsam man ist, wie schwer das eigene wiegt und wie entscheidend die eigene Meinung ist. Sie alle ziehen aus all dem, was sie nicht besitzen, nicht wissen und nie gelernt haben, eine Selbstsicherheit, die es ihnen gestattet, sich jede Aufgabe zuzutrauen, solange sie nur im grellen Licht der Öffentlichkeit erledigt werden kann.
Früher schamlos
Was früher als schamlos gegolten hätte, ist selbstverständlich geworden. Berufs- und Lebenserfahrung sind nur noch hinderlich, weil sie einen frühen Karrierestart nicht zulassen. Nur wer früh genug begonnen hat, sein Heil in den Hinterzimmern der Parteizentralen zu suchen, hat eine Chance, sein ganzes Leben mit Vorstandssitzungen, auf Delegiertenparteitagen, mit Wahlkampfvorbereitungen, in Plenarsälen und an Kabinettstischen zu verbringen. Die fehlende Lebenserfahrung lässt sich durch Anmutung und Anmaßung leicht ersetzen.
Zwei Fähigkeiten, an denen die aktuelle Generation der Selbstbewussten keinen Mangel leidet. Aufgewachsen in Familien, Schulen und Freundeskreisen, die ihnen das Gefühl gegeben haben, sie seien etwas Außerordentliches, verfügen sie über ein Übermaß an Vermögen, sich selbst wertschätzen zu können. Sie halten sich nicht nur für etwas Besonderes, sondern leben auch in der Vorstellung, es stehe ihnen zu, ständig im Mittelpunkt zu stehen und gehört zu werden.
Das Salz der Erde
Ein Wesenszug, der wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge zu etwa 50 Prozent erblich ist. Genetisch bedingt kommt er in jeder Alterskohorte gleich häufig vor. Äußere Einflussfaktoren wie die Schule, die Eltern, Medien, Freunde und Liebesbeziehungen prägen allerdings wohl stärker als bislang gedacht. Kinder, die in ihren frühen Jahren dauerhaft das Gefühl vermittelt bekommen, sie seien das Salz der Erde und zu Höherem bestimmt, sind nicht nur weniger häufig bereit, als Fabrikarbeiter, Installateur oder Chemiker einem unspektakulären Leben im Schlagschatten der Öffentlichkeit nachzugehen. Sie sehnen sich spiegelbildlich vielmehr geradezu danach, wahrgenommen zu werden - womit und weswegen auch immer.
Für Heranwachsende und junge Erwachsene ist das kein ungewöhnliches Phänomen. Jüngere sind seit jeher tendenziell eher narzisstischer veranlagt als Ältere. Bei der Suche nach einem Platz im Leben, nach einer Aufgabe, einem Sinn und Menschen, die einen vielleicht über Jahrzehnte begleiten, hilft es, in einer Phase der Unsicherheit gesehen zu werden und sich an seiner Umgebung zu reiben. Fast jede Jugendbewegung verdankt sich diesem Spiel mit Auflehnung, Ablehnung und dem Versuch, eigene Werte zu definieren.
Die laute Minderheit
Narzissmus wurzelt in jedem Menschen, doch wenn die Selbstliebe zum grundlegenden Persönlichkeitsmuster wird, erwächst aus dem eigentlich positiven Gefühl das Bedürfnis, andere abzuwerten und sich selbst zu verherrlichen. Die Folge wird in der extremen Ausprägung als Größenwahn beschrieben – eine Diagnose, die nach wie vor nur für etwa 0,4 bis 1,3 Prozent der deutschen Bevölkerung gestellt wird. Doch diese krankhaft Selbstverliebten sind eben nicht nur lauter als andere, sondern in einer Aufmerksamkeitsökonomie auch dauerpräsent. Dadurch erscheint es so als dominierten sie ihre Altersgruppe.
Der Unterschied zu früheren Jahrgängen von selbstbewussten Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist die demonstrative Anspruchshaltung der aktuellen Generation. Immer schon forderten die Nahwachsenden, die Älteren und Alten sollten aus dem Weg treten. Doch nie zuvor reagierten Jüngere mit vergleichbarer Empörung auf die - natürlich auf dem Fuße folgende - Verweigerung der Umsetzung ihrer Forderung.
Die Alten sollen abtreten
Die Narzissen von heute sind nicht nur größer an Zahl, sie sind auch unverschämter in ihrem Anspruch, sofort übernehmen zu dürfen, als hätten die Generationen, die ihnen das Bett bereitet haben, damit ihre Schuldigkeit getan. Was allein noch zählen soll, sind die Erwartungen, die die Selbstbewussten aus einem kurzen Leben ableiten, in denen ihnen harte Arbeit, große Anstrengungen und Entbehrungen zumeist vollkommen erspart geblieben sind. Im Mittelpunkt ihrer Vorträge stehen sie selbst, ihre Zukunft, ihr Erfolg. Für andere interessieren sie sich nur, wenn es ihren eigenen Zwecken dient. Ihr Ruf nach Gemeinsamkeit und Miteinander hat einen einzigen Zweck: Die Erfüllung ihre eigenen Wünsche.
Widerspruch verträgt das selbstverliebte Milieu gar nicht. Sobald Kritik aufkommt und sei sie nur gefühlt, reagieren die Selbstverliebten gereizt, beleidigt oder eingeschnappt. Männer schalten auf Angriff, Frauen ziehen sich eher demonstrativ zurück. Schuld haben immer die anderen, weil der Selbstverliebte jeden Widerstand als Brüskierung empfindet. Er ist es schließlich, der alles weiß und alles besser. Ihm heißt es aus dem Weg zu gehen, den nur er kennt. Wer nicht auf ihn hört, muss fühlen - und sei es, wie sich der Selbstverliebte aus Protest selbst verletzt.
Am liebten so, dass es anderen wehtut.
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