Freitag, 17. Oktober 2025

Der Stadtbilderklärer: Schwierigkeiten mit der Wahrheit

Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, starkes Europa, Rechtspopulismus, Stadtbild, Migration, Verwahrlosung
Deutsche Städte haben sich verändert. Und wer sich nicht darüber freut, muss sich schämen.

Der Auftritt als Zahnfee brachte einen kräftigen Schub, auch die Nummer mit den "kleinen Paschas" sorgte für Furore. Friedrich Merz hat es zudem mit "ukrainischen Sozialtouristen" versucht, er hat nahezu alle Menschen links der Brandauer mit seiner Mitteilung brüskiert, Israel erledige im Nahen Osten die "Drecksarbeit" für den gesamten  freien Westen und über die sexuelle Ausrichtung des damaligen Berliner Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit wusste er zu sagen: "Solange er sich mir nicht nähert, ist mir das egal."

Ans Eingemachte 

Merz lag nicht immer falsch, aber richtig verstanden wurde er stets. Migranten mochten wirklich, anders lässt es die Mathematik ja gar nicht zu, Schonlängerhierlebenden Zahnarzttermine wegnehmen. Doch darf man das deshalb aussprechen? Oder die Talahon in ihren grauen Jogginglumpen mit Kettenklumpen spreizen sich zuweilen wirklich demonstrativ wie kleine Paschas. Ist eine solche Bezeichnung, obgleich in diesem Zusammenhang nicht einmal kulturell aneignend, nicht doch zu abwertend?

Friedrich Merz fand in der Regel nicht. Aber dann immer doch. Kaum eine zugespitzte Aussage des CDU-Vorsitzenden aus den letzten Jahren hatte über den Tag hinaus Bestand. Der "Mann mit den Schwefelhölzern", wie ihn die Süddeutsche Zeitung wegen seiner vermeintlichen Zündlerqualitäten nannte, löschte jeden Brand, noch ehe es zu einem  Brand kommen konnte. Merz wollte nur spielen, spielen mit einem Image als harter Hund, der dem windelweichen Waschlappen Olaf Scholz klarmacht, wo der Hammer hängt. Klare Sprache, laut und deutlich. Und anschließend eilig zurückrudern.

Ein "starkes Europa" 

Die Strategie hat ihn bis ins Kanzleramt gespült. Von der lässt Merz auch dort nicht. Wenn der Staatsmann auf Heimatbesuch kommt, zählen nicht die Regierungserklärungen. Merz kann auch die, ja, natürlich. Eben erst hat er eine genutzt, um sein Volk mit der Mitteilung zu überraschen, dass er ein "starkes Europa" wolle. Wichtiger aber ist, das weiß der 69-Jährige genauso gut, die emotionale Ansprache, das Kitzeln der atavistischen Gefühle und die Anmutung, da sei doch wenigstens noch einer in der abgehobenen Berliner Politblase, der noch wissen, was draußen im Land los ist. 

Rechtspopulisten missbrauchen Umfragen.
Unter dem Eindruck katastrophaler Umfragewerte hat Merz es wieder getan, wie immer aus der Lamäng und sorgsam vorbereitet. Auf die Frage eines Reporters nach dem offenbar unaufhaltsamen Erstarken der AfD und danach, was er dagegen zu tun gedenke, antwortete Friedrich Merz mit dem gewohnte Eigenlos. Sein Kabinett stelle Weichen. Die Flüchtlingszahlen sänken. Genug sei das noch immer nicht, klar: "Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem und deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen." 

Drastische Änderungen 

Wie immer teilt Merz niemandem nichts mit, was nicht jeder ohnehin schon weiß. Als Katrin Göring-Eckardt vor zehn Jahren vorhersagte, dass "unser Land sich ändern wird, und zwar drastisch", hatte sie womöglich anderes vor dem inneren Auge. Aber recht hat sie behalten. Wer heute durch eine deutsche Großstadt spaziert, stolpert über Müll und Abfall, sämtliche Wände sind beschmiert wie die von Gefängniszellen, der Wind treibt den durchgeweichten Inhalt von "Zu-verschenken"-Kisten durch die Straßen und vor den Wettstuben qualmen die Nochnichtsolangehierlebenden um die Wette. 

Ein Hauch von Verfall, ein Geschmack von Endzeit überall. Merz hat nicht gesagt, Migranten seien ein "Problem im Stadtbild". Aber die, die das nicht so sehen, waren die, die es als Erste genau so verstanden haben. "Das sind keine Ausrutscher", rief es, "das ist System!". Merz sei nicht nur ein Wiederholungstäter, er sei ein Überzeugungstäter! Und seine verrohte Sprache verrate "ein verrohtes Denken". Nach Jahren der Erziehung zur Aufmerksamkeit für alle Fälle, in denen "besonders Rechtspopulisten versuchen, die Grenzen zu verschieben" (Deutschlandfunk, 2018) erkennt jeder, wie ihre Parolen ins öffentliche Bewusstsein gesickert sind.

Die Wirklichkeit als Problemwahrnehmung 

Die Beschreibung der Wirklichkeit wird zum Problem, wenn die Wirklichkeit nicht zum eingebildeten Ideal passt. Katrin Göring-Eckhardt hat einmal auf die Frage, ob sie  ihren Satz von 2015 heute noch einmal sagen würde, klipp und klar antworten lassen. "Prävention und besserer Schutz von Frauen vor sexueller und körperlicher Gewalt müssen viel stärker Themen der Innenpolitik werden", ließ sie ihr Team bestellen. Statt die Frage einfach zu antworten.

Schwierigkeiten mit der Wahrheit, die den Aussagen des Stadtbilderklärers Merz eine "Tragweite" zuschreibt, die "größer ist, als sie zunächst klingt" (Tagesschau). Der Satz des Kanzlers, indem nicht nur Besucher aus dem Ausland, sondern auch zahlreiche Schonlängerhierlebende eigenen Beobachtungen bestätigt finden, klingt für Katharina Dröge unanständig. Auch die grüne Fraktionschefin sieht "das Problem" (Merz). Doch es auf eine Ursache zurückzuführen, sei "verletzend und diskriminierend". Eine Erklärung der "Tagesschau" macht alles noch schlimmer: Problematisch am Begriff "Stadtbild" sei, dass das Wort "ein unklares Gefühl der Fremdartigkeit und der Angst" aufgreife, "ohne genau zu beschreiben, was damit gemeint ist". 

Fortschreitende Verwahrlosung 

Merz weiß, Dröge weiß und die "Tagesschau" weiß, dass es ohnehin jeder weiß: Die fortschreitende Verwahrlosung des öffentlichen Raumes. Die international befreiten Zonen. Die Müllkippen hinter den Wohnblocks mit den Mietern, denen das Amt die "Kosten der Unterkunft" zahlt, selbst wenn sie nie da sind oder zu zehnt in einer Dreiraumwohnung zu leben vorgeben. Die Säufergruppen vor den Supermärkten. Die vergammelten Komposttoiletten. Die mit Fußball- und Fridays-for-Future-Aufklebern übersäten Schulbushaltestellen. Die Einkaufswagen im Stadtwald. Die Einweggrillfeuer in den Parks. Viele Menschen sehen im Alltag täglich "drastische" Veränderungen. Und der Zusammenhang mit den Migrationsbewegungen des zurückliegenden Jahrzehnts stellt sich für sie von selbst her.

Die Broken-Window-Theorie, vor mehr als 40 Jahren von James Q. Wilson und George L. Kelling entwickelt, besagt, dass sichtbare Anzeichen von Verfall und kleineren Vergehen wie Müll oder Graffiti in einer Nachbarschaft zu einer Zunahme schwererer Kriminalität führen können. Bereits geringe Anzeichen von Unordnung – zerbrochene Fenster, mit Graffiti beschmierte Wände oder herumliegender Müll – werden als Signal für fehlende soziale Kontrolle wahrgenommen. Weitere Normverletzungen sind die Folge, zum weggeworfenen Pappbecher gesellt sich der "Zu verschenken"-Karton mit zerbrochenen Tassen. Kurze Zeit später liegt daneben ein umgekippter Einkaufswagen, aus dem nach und nach eine ganze Müllhalde wächst, auf der sich Dealer ansiedeln.

Dieses Bild allmählicher Verwahrlosung bieten heute schon viele deutsche Städte und das nicht mehr nur rund um die Bahnhofsviertel. Ein Zustand, der akzeptabler scheint als Merz Versuch, mit einer Erwähnung dieser speziellen deutschen "Stadtbilder" mal wieder etwas zu sagen, dass seiner fußlahmen Union in den Umfragen auf die Beine hilft.

2 Kommentare:

  1. Müll? Woher kommt der? Wer macht sowas? Ist da vielleicht was kulturell bedingt?
    Nein, nein, nein! Oder?
    Hier eine 'Challenge' von vermutlich Hobbysoziologen, in Google-Streetview einen bewohnten Ort in Indien zu finden, an dem keine kaputten Häuser oder Müll zu sehen sind.
    https://www.youtube.com/watch?v=0gKwzm3rjLQ

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  2. MagasüchtigerOktober 17, 2025

    Angesichts alljährlich sich millionenfach wiederholender klimaschädlicher Reisen der Deutschenden in exotische Ferienorte ist die nur einmalige Bewegung der dortigen Goldwert-Originale zu uns sehr nachhaltig. Außerdem bringen die ihre kulturellen Bereicherungs-Eigenarten mit, sodass jeder Michel das verlockend bunte Ausland fortan täglich direkt vor seinerTür bewundern kann. DritteWelt-Ambiente-Genuss, aber ohne teure lange Anreise. Sprit- und somit CO²-Ersparnis im Megatonnenbereich. Dem neuen Idyll steht also nix mehr im Wege, zumal es keinen Müll mehr gibt, sondern nur noch Recycle-Wertstoffe.

    Mit der Zeit wird auch der verstockeste Deutschende die Vorteile einer global gleichmäßigen Abfallverteilung einsehen. Er muss dazu nicht länger extra Urlaub nehmen, sondern kann durchgängig jenes Geld erarbeiten, das seine Bereicherungs-Fachkräfte ihn kosten.

    Unsere bereits älteren Mathegenies werden sicher noch ausrechnen können, wie hoch der Dreckanteil jedes BRD-Bürgers ist und ihm seinen Haufen Unrat kostenpflichtig liefern lassen. Schließlich streben wir ja die totale Gleichheit an, um auf die versifften Takatukaland-Staaten nicht neidisch zu sein.

    Auf jeden Fall gilt in heutigen Sozialismuskreisen als rassistisch bis nahzie, Stadtbildveränderungen zu sehen, die es tatsächlich gibt, die aus Vielfalts-Tolleranz aber mit Tabu belegt sind.

    Der Piefke muss sich bald mal entscheiden, wie er leben möchte, sonst ertrinkt er in der selber angehäuften Kloake.

    Ich befürchte jedoch, er ist inzwischen zu blöd, um dem fäkalen Sog zu entkommen.

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