Sonntag, 23. November 2025

Europa im Omnibus: Rückzug vom Kuchenbuffet

Cookie-Banner Abschaffung   EU Cookie-Richtlinie Ende   ePrivacy-Richtlinie Abschaffung   Ursula von der Leyen Cookies   Consent-Banner weg   EU Vereinfachungspaket 2025   AI Act Lockerung Omnibus
Die Rückabwicklung der Cookie-Richtlinie soll den Menschen helfen, die EU wieder lieben zu lernen.

Es soll ein Geschenk sein, das Dankbarkeit schafft und eine neue Verbundenheit der Völker mit ihrer Kommission. Und schnell gehen muss es, denn bald ist Weihnachten und die EU-Kommission möchte den Mühseligen und unter der Last von Bürokratiebergen stöhnenden Bürgerinnen und Bürgern etwas unter den Baum legen. 

Es riecht nach Revolution in Brüssel. Ein ganzes Zeitalter wird rückabgewickelt. Das Kuchenbuffet, das eine frühere Kommissionsbesetzung erdacht und ein früheres EU-Parlament beschlossen hat, wird kurzerhand abgeräumt. Nach 23 Jahren, in denen die Cookie-Richtlinie - offiziell ePrivacy-Richtlinie (2002/58/EG) - Segen und Schutz für hunderte Millionen Menschen war,  geht Europa ans Eingemachte.  

Immer wieder und wieder 

Um den Versuch einer Aufweichung der weltweit ersten und entschiedensten Einschränkung der Benutzung von Künstlicher Intelligenz zu tarnen, geht Ursula von der Leyen das Undenkbare an: Die einst als wichtiger Beitrag zum Datenschutz verkaufte Cookie-Anordnung soll wegfallen. Die Gemeinschaft der 27 würde dann nicht mehr verlangen, dass jede Webseite jeden Besucher immer wieder und wieder und wieder mit einem automatisch aufploppenden Banner fragen muss "Akzeptieren Sie alle Cookies?"? "Oder nur ein paar?" "Oder nur wichtige?" "Oder nur technische?" "Oder gar keine?" 

Ein Zivilisationsbruch für einen Staatenbund, der sich nicht zuletzt über seine fein ziselierten gesetzlichen Eingriffe in die persönliche Freiheit definiert. Nirgendwo sonst auf der Welt gibt es eine derartige Anzahl an sinnfreien Bestimmungen, die aus selbstbestimmten Bürgern betreuungspflichtige Personen machen. Mit der Cookie-Richtlinie reagierte Europa in der Zeit kurz nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auf eine neue Bedrohungslage.

Digitale tethered caps

Internetseiten versuchten, mehr über ihre Besucher zu erfahren. Welcher Browser?  Welches Betriebssystem? Wo steht der Rechner? Schon mal hier gewesen? Das Resultat war ein europäisches Datenschutzgesetz, das verlangt, dass Websites vor dem Einsatz von Cookies die "informierte Einwilligung" der Nutzer einholen. Eine Art tethered cap fürs Internet, mit dem die Bürokraten sich keine Freunde machten. Aber einmal beschlossen, bleibt in der EU alles, wie es ist. Wer weiß, wann sich mit Nachgeben noch einmal beim Volk punkten lassen wird.

Jetzt ist es so weit. Nach zwei Jahrzehnten, in denen Brüssel die Freiheit des Web knebelte und Billionen von unsinnigen Einverstanden-Klicks ganze Kraftwerke leersaugten, rudert die Kommission zurück. Vor einigen Wochen schon kündigte Ursula von der Leyen an, sie  die Nutzung auf Webseiten "vereinfachen" und die "oft als störend empfundenen Consent-Banner grundlegend überarbeiten" wolle.

Uninteressierte Nutzer 

16 Jahre nach der letzten Überarbeitung der Cookie-Richtlinie, die die Auflagen 2009 noch einmal verschärft hatte, habe sich herausgestellt, dass das System, das ursprünglich den Datenschutz stärken sollte, ineffektiv sei. Nutzer und Nutzerinnen klickten die Einwilligungsbanner oft einfach weg, ohne die wichtigen Belehrungen überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Wer nur den Wetterbericht sehen wolle, sei offenbar gar nicht daran interessiert zu erfahren, dass sein Interesse für den Seitenbetreiber interessant genug sei, seine übermittelten Daten zu speichern und auszuwerten. 

Das Ergebnis ist eine Flut an Zustimmungen gewesen, die jedem Datenschutz Hohn sprächen, zudem aber für Frust bei den Nutzern sorgte, der sich auf die EU-Kommission fokussierte, die eigentlich Dankbarkeit erwartet hatte. Ein trauriges Kapitel, denn so blieb es dabei, dass immer, wenn jemand gefragt wird, was die EU ihm eigentlich gebracht habe, nur die europäischen Roaming-Vorschriften genannt werden.

Reklame für Brüssel 

Das muss sich ändern. Die EU braucht Rückenwind, neue Begeisterung, Menschen, die sie so wichtig  und bedeutsam finden wie sie sich selbst. Die Gelegenheit für eine große Reform ist günstig, denn Brüssel steht unter Druck. Aus Angst, den KI-Zug endgültig zu verpassen, dringen die Mitgliedstaaten darauf, den erst vor anderthalb Jahren beschlossenen AI Act zu lockern. Angesichts der Ängste, die Brüssel geschürt hatte, um das "weltweit erste Gesetz zur Regulierung von KI" durchzusetzen, soll die Rückabwicklung mit Hilfe eines Omnibus-Gesetzes vollzogen werden. 

Versteckt in einem Rechtsakt mit dem schönen Namen "Vereinfachungspaket" werden die Lockerung des AI Acts und die beim vorgeschriebenen Schutz der Bürger vor Trackern gemeinsam durchs Parlament gezogen. Von der Leyen weiß, so sehr mancher dagegen ist, der KI auch in Europa zum Durchbruch zu verhelfen, so sehr sind alle für ein Ende des Pop-up-Terrors, dessen Sinnhaftigkeit von Anfang an nie jemand verstanden.

Die Brandmauer fällt 

Die Arbeit von Jahrzehnten, die Arbeit tausender Beamter, Berater, Wissenschaftler, Lobbyisten, Datenschützer, dutzender Kommissare, hunderter Parlamentarier und ebenso vieler Mitglieder des EU-Rats würde binnen Wochen zunichtegemacht. Fast ein Vierteljahrhundert brauchte Brüssel, um die ausgeklügelte Brandmauer zwischen Bürgern und Internetseiten zu errichten, die sich mit einem Klick pro Seite überspringen ließ. Dass das gesamte Unternehmen ein regulatorisches Fiasko war, muss dank Omnibus-Verfahren niemand eingestehen. 

Ganz im Gegenteil: Die Kommission tritt als Retter und Erlöser auf die Bühne: Sie befreit die Menschen von der 2009 verabschiedeten entscheidenden Novelle (2009/136/EG). Artikel 5 Absatz 3 der ePrivacy_Verordnung zog Europa damals Banner-Zwangsjackett: "Der Speicherung von Informationen oder der Zugriffsgewährung auf bereits gespeicherte Informationen in den Endgeräten der Vertragsparteien ist nur dann gestattet, wenn die betroffene Person hierin ausdrücklich eingewilligt hat."

Übers Ziel hinaus und zurück 

Automatische Zustimmung war verboten. Browsererweiterungen, die das nervige Wegklicken selbstständig erledigen, waren illegal. Die EU hatte sich darauf festgelegt, dass Cookies  personenbezogene Daten abfragen und damit ein Loch in den Datenschutzpanzer von 440 Millionen Europäern brennen. Das Argument, zu strenge Regeln könnten Innovationen verhindern, zog nicht. Es ging Europa damals gut. Der Kontinent konnte sich vieles leisten. Die führenden Parteien in Deutschland steuerten mit einem klaren Kompass direkt auf die Vereinigten Staaten von Europa zu, deren Errichtung der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz für den 1. Januar 2025 angekündigte.

Es ist anders gekommen, anders genug, die Gemeinschaft jetzt im Ende des europaweiten Banner-Chaos, das Nutzer schützen sollte, einen ebenso großen Segen zu sehen wie im aufwendigen Akt, mit dem es heraufbeschworen worden war. Wie genau die Pest beendet werden soll, hat Brüssel noch nicht verraten. Wie so oft soll es eine EUberraschung werden. Ein Vorschlag sieht vor, dass Nutzer ihre Cookie-Präferenzen nur noch einmal über die Einstellungen ihres Browsers festlegen müssen, der dann  bei jedem Webseitenbesuch meldet, was gewünscht wird. 

Allerdings wäre das eine Lösung, die für Europa viel zu einfach wäre. 

2 Kommentare:

  1. Wieso war die Regulierung ein Fiasko? Das lief doch wie geplant.

    Vorher: Addon im Browser, das bei Verlassen einer Domain die Cookies abgeräumt hat. Tracking war damit Geschichte.

    Mit der Regelung: Browser speichert die Benutzerauswahl pro Domain in einem Cookie, d.h. ein Addon zum Cookielöschen war jetzt viel nerviger, weil man dann die Auswahl immer wieder treffen musste. Die Richtlinie diente also nicht dem Datenschutz, sondern dessen Verhinderung!

    Heute: Dank Utiq sind Cookies für die Werbewirtschaft wesentlich weniger interessant.

    AntwortenLöschen
  2. A propos Rückzug im Omnibus

    Hab mal wieder nach eine paar Tagen die Achse überflogen.

    Putin ruft zur Gebäroffensive | Von Thomas Rietzschel
    highligt:
    Die strategischen Überlegungen des geistesgestörten Autokraten entziehen sich rationalem Zweifel, weil sie eher kreatürlicher Art sind und weiter reichen, als es sich westliche Politiker ausmalen wollen.

    Thema und Inhalt dieses kreatürlichen Textes kann man mal außen vor lassen: Haben wir, ja wirklich WIR, denn kein demographisches Problem, was auch auf der Achse beflennt wird?
    Heilige Scheiße.

    AntwortenLöschen

Richtlinien für Lesermeinungen: Werte Nutzer, bitte beachten Sie bei ihren Einträgen stets die Maasregeln und die hier geltende Anettekette. Alle anderen Einträge werden nach den Vorgaben der aktuellen Meinungsfreiheitsschutzgesetze entschädigungslos gelöscht. Danke.