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| Lauterbach bringt Geld ins Spiel. |
Gerechter muss werden, endlich und wieder einmal. Und weil es mit höheren Steuern nicht geklappt hat, sollen es diesmal höhere Beiträge sein. Erst knapp 43 Prozent ihres Einkommens geben die Deutschen, sofern sie werktätig sind, direkt an Vater Staat ab, ehe sie einen einzigen Cent ausgeben können.
Doch auch wenn das viel scheint, mehr sogar als in 95 Prozent der bisherigen Standzeit des besten Deutschlands, das "wir" (Olaf Scholz) jemals hatten, reicht es hinten und vorn nicht. Jede Auslandsreise eines deutschen Regierungsmitglieds löst bei den Daheimgebliebenen Furcht und Zähneklappern aus. Wird er wieder? Rieseln ihm die Scheine aus den Taschen? Wie viel gibt sie diesmal? Reichen Millionen oder werden es wieder Milliarden?
Reisende mit guten Gaben
Die Trips hinaus in die Welt gipfeln erfahrungsgemäß immer in guten Gaben, die den Mühseligen und Beladenen überall auf dem Globus offeriert werden. Dazu muss auch die Bundeswehr tüchtig werden. Es gilt, prächtige Renommierbauten zur Erinnerung an die Gestaltungskraft der Demokratie aus dem Boden zu stampfen. Und den Tisch reichlich zu decken für die, die immer noch kommen, weil sie an das deutsche Modell eines raschen Klimaausstiegs glauben.
Karl Lauterbach, ehemals Christdemokrat, dann SPD-Hinterbänkler, schließlich Gesundheitsminister und heute Deutschlands Mann für die anstehende Eroberung des Weltalls, ist mit einer Idee zur Mobilisierung zusätzlicher Milliarden vorgeprescht. Während sich seine Partei und die Union in Grabenkämpfen um Beitragspromille Anfang des nächsten Jahrzehnts aufreiben, macht der Vater der letzten großen Krankenhausreform sich Gedanken viel größeren Ausmaßes.
In den SPD-Jahren noch einmal stark gestiegen
Weil die Einkommensungleichheit in den letzten sieben Jahren, in denen die SPD gemeinsam mit CDU, CSU, Grünen und FDP regierte, "noch einmal stark gestiegen" sei, hatte der 62-Jährige kurzerhand eine "eigene KI gestützte Berechnung der Verwerfungen im Rentensystem" (Karl Lauterbach) durchgeführt. Oder durchführen lassen. Der jeweilige Beitrag der jeweiligen Intelligenz ist nicht klar abgetrennt.
Herauskam aber jedenfalls ein erschütternder Beweis für dafür, dass die Beiträge zu den gesetzlichen Vorsorgekassen einerseits faktisch für alle gleich, für Niedrigverdiener aber zugleich zu hoch und für Gutverdiener deutlich zu niedrig sind. Mit derzeit 18,6 Prozent Rentenbeitrag für alle etwa zahlten Menschen mit einem Bruttoeinkommen von 1.500 Euro nach Lauterbachs Berechnung 3,6 Prozent zu viel. Doch schon ein "Gutverdiener" (Lauterbach) mit 2.500 Euro brutto im Monat spare zum "aktuariell fairen Beitragssatz" (Lauterbach) ein halbes Prozent.
Kampfbegriff für Scheingefechte
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| Lauterbachs aktuarische Gerechtigkeit. |
Ausgedacht hat sich das der englische Astronom Edmond Halley, der auf der Basis von Sterbelisten aus Breslau ein Modell zur Berechnung der Sterblichkeitsverhältnisse erfand, das bis heute als Grundlage für Lebensversicherungsmodelle gilt. Wer früher stirbt, ist länger tot. Die Versicherung, die das früher weiß, nimmt wegen des höheren Zahlungsrisikos rechtzeitig einen höheren Beitrag.
Ungleichheit schafft Gerechtigkeit
Bei Lauterbachs Fairness-Berechnung, die wegen der "großen Unterschiede in Lebenserwartung" (Lauterbach) zwischen Arm und reicher auf Beitragssätze zielt, die zur Schaffung "echter Äquivalenz stark vom Einkommen abhängig" sein sollen, ist die Idee allerdings weniger versicherungs- als politmathematisch. Lauterbach folgt der alten Maxime aller Sozialisten: Nur Ungleichheit schafft Gerechtigkeit. Sind alle willig, braucht es auch keine Gewalt.
In Vorbereitung auf seinen großen Wurf hatte Lauterbach schon Tages vor seinem aktuaristischen Aufschlag darauf hingewiesen, dass "Ärmere und untere Mitte immer stärker AfD" wählen. Sozialreformen seien nötig, schon allein, weil es überall an Geld fehle. "Aber sie müssen auch Ungleichheit abbauen", schlussfolgert der Ex-Minister, in dessen Zuständigkeit die Krankenkassenbeiträge stabil blieben. Nur die Zusatzbeiträge stiegen von 1,3 auf mittlerweile 2,5 Prozent.
Der gute Wille ist immer noch da
Der gute Wille war da, aber die Kraft hat nicht gereicht. Das bringt die Leute gegen die Regierung auf, das macht sie kirre, sauer und anfällig für Populismus, Rechtsfaschismus und einfache Lösung. Lauterbachs hat eine: Die Bitterarmen zahlen nur noch aktuariell gerechte 15 Prozent. Wer mehr als ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.500 Euro vereinnahmt, gibt dafür etwas mehr als bisher, denn er zählt zu den "Gutverdienern".
Lauterbach zeigt sich als echter Sozialdemokrat. Der SPD-nahe Wirtschaftswissenschaftler Marcel Fratzscher hatte Bürgerinnen und Bürgern eben erst schon ab knapp über 1.000 Euro im Monat mit einer Sonderabgabe namens "Boomer-Soli" belegen wollen. Seine Studien hatten zuvor ergeben, dass Menschen mit einem Einkommen von mehr als 12.000 Euro im Jahr zu den Bessergestellten gehören, deren Bereitschaft, sich solidarisch zu zeigen, vorausgesetzt werden kann.
Mit spitzem KI-Bleistift
Die Summe liegt jedoch nicht einmal bei der Hälfte eines Einkommens aus einer Vollzeitbeschäftigung zum Mindestlohn - für einen waschechten Sozialdemokraten wie Karl Lauterbach ein Ding der Unmöglichkeit, einfache Leute, treue Wähler und langjährige Genossen auf diese Art eiskalt abzukassieren. Der Gesundheitsökonom aus Düren hat deshalb mit spitzem KI-Bleistift nachrechnen lassen. Und die Grenze zwischen Armut und Reichtum kurzentschlossen auf 2.500 Euro nach oben geschoben.
Das liegt deutlich über den 2.312 Euro, die in Deutschland genau in der Mitte zwischen den beiden je gleich großen Gruppen von Mehr- und Wenigerverdienern liegen. Wer vor dem Abzug von allem 2.500 Euro hat, dem bleiben netto 1.960 Euro - fast 160 Euro mehr, als es hierzulande braucht, um sicher Mittelschicht zu gehören. Nur fair, dass die, die so im Geld schwimmen, sich solidarisch zeigen mit denen, die im Augenblick noch bluten müssen, damit die Wohlhabenden aus ihrem dicken Geldbeutel statt eines fairen Beitrages von 23,1 Prozent nur 18,6 Prozent zahlen müssen.
Ein erschrockener Rückzug
Alles sehr gut ausgedacht, auf den Cent genau aktuaristisch geprüft und letztlich nicht nur als Waffe gegen Rentenkollaps und Koalitionsbruch tauglich, sondern in der Weiterdrehe auch nützlich gegen den Beitragsanstieg bei Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Trotzdem geschah das Unerwartete: Noch ehe die Koalitionsparteien eine Kommission aus den führendsten Aktuar-Experten des Landes zusammenrufen konnten, um für die Zeit nach 2040 über einen Systemumbau zu beraten, zog Karl Lauterbach seinen epochalen Vorschlag kommentarlos zurück.
Stattdessen schwärmt der Sozialdemokrat jetzt von einer "weltweiten Explosion der Sonnenenergie", er schimpft darüber, "dass aber sich bei Rente die Arbeit für Geringverdiener fast nie gelohnt hat, weil sie kaum über der Grundsicherung liegt" und er empfiehlt, statt über das "notwendige Maß hinaus auf Gas zu setzen, so viel wie möglich durch Batterien abzupuffern".


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