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| Ihren Plan zur Zerstörung des Rückgrats der deutschen Demokratie konnte die AfD nicht durchsetzen. |
Eine Idee wurde zur materiellen Gewalt. Eine frühere Stasi-Mitarbeiterin zum Kielbalken des demokratischen Dampfers Bundesrepublik. Ein winziges, unzureichend finanziertes Projekt des bürgerschaftlichen Widerstandes gegen ein erneutes Durchregieren der Nazimörder und Stiefelfaschisten zu einem der auch finanziell erfolgreichsten deutschen Internet-Start-Ups.
Die Geschichte der Amadeu-Antonio-Stiftung - aufgrund weit verbreiteter Fake News über den Namenspaten die ersten 25 Jahre lang anfangs noch Amadeu-Antonio-Kiowa-Stiftung genannt - ist ein modernes deutsches Märchen.
Am Ende der Kohl-Ära, die mit der Regierungsübernahme durch den Sozialdemokraten Gerhard Schröder einen veritablen Linksruck in dem Land verspricht, das in einer tiefen Depression gefangen ist, beschließt Anetta Kahane, eine langjährige Inoffizielle Mitarbeiterin des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, im westdeutschen Heidelberg eine Stiftung zu gründen. Ziel ist es, die Erinnerung an den acht Jahre zuvor im ostdeutschen Eberswalde umgekommenen angolanischen Gastarbeiter Amadeu Antonio wachzuhalten.
Festhalten an Verschwörungstheorien
Eine Körperverletzung mit Todesfolge, befand ein Gericht später. Doch ähnlich wie im Fall Ouri Jalloh, einem Mann aus Sierra Leone, der bei einem Brand in einer Haftzelle der Polizei in Dessau ums Leben kam, lassen sich mit beharrlich wiederholten Verschwörungserzählungen gerade aus unanfechtbaren Ermittlungsergebnissen und Gerichtsurteilen Gefühlswallungen erzeugen. Bei Jalloh wird auch nach 20 Jahren noch der Verdacht geschürt, eine Gruppe von Polizisten sei es gewesen, die den Mittdreißiger absichtlich angezündet habe.
Das Schicksal des von jugendlichen Skinheads erschlagenen Amadeu hingegen wurde genutzt, um der Justiz insgesamt eine Rücksichtnahme auf rechte Täter zu unterstellen. Sie sei eine "politische Justiz wie sie nach dem Ersten Weltkrieg […] geübt wurde", behauptete "Der Spiegel". Eine Strafrechtsexpertin bekam eine Plattform geboten, um krude Thesen über eine vermeintliche Zwei-Klassengesellschaft zu verbreiten.
Das blinde rechte Auge
"Wenn Repräsentanten des Staates oder der Gesellschaft verletzt oder getötet würden", sehe der Generalbundesanwalt den inneren Bestand des Staates gefährdet. Wenn Opfer bedroht sind, die ohnehin ausgegrenzt würden, sei das nicht der Fall. "Das ist ein klassisches Zeichen für Blindheit auf dem rechten Auge", sagte Monika Frommer, damals Direktorin des Instituts für Kriminologie und noch in Unkenntnis darüber, dass Bundestag und Bundesrat einen solchen abgestuften Schutz für wichtige und unwichtigere Menschen erst drei Jahrzehnte später einführen werden.
Kahane, eine welterfahrene Funktionärstochter, die schon als Kind in vielen exotischen Ländern gelebt hat, schafft es in der Übergangszeit des Zusammenbruchs der DDR, als Ausländerbeauftragte in verschiedenen Behörden unterzukommen. Doch sie weiß: Ihre Stasi-Tätigkeit wird entdeckt werden und auch der Umstand, dass sie sie freiwillig beendet hat, wird kein Argument sein, um nicht entlassen zu werden. Um einer Enttarnung zuvorzukommen, entwickelt Kahane die Idee einer Vorfeldorganisation, die die deutsche Zivilgesellschaft gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus "stärken" soll. Staatlich finanziert, aber vollkommen privat geführt, entsteht die AAS, Motto "Ermutigen, Beraten, Fördern".
Erziehen, Bestrafen und Anzeigen
Die Geschäftsfelder Aufklären, Beobachten, Ermitteln, Anprangern, Erziehen, Bestrafen und Anzeigen kommen später dazu. Die Stiftung ist da schon auf ein mittelständisches Unternehmen mit rund 100 Mitarbeitern gewachsen, das Millionenumsätze macht, sich vor kritischen Nachfragen durch die direkte Zusammenarbeit mit großen Medienhäusern schützt und um sich herum einen Dschungel an Meldestellen, Instituten, Opferfonds, Arbeitsgruppen und Internetportale aufgebaut hat.
Mit dem "Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) in Jena" verfügt die Stiftung über eine eigene Stichwortagentur, die Gefahren für Demokratie, Extremismus und Zivilgesellschaft auf Zuruf heraufbeschwören kann. Im "Thüringer Dokumentations- und Forschungsstelle gegen Menschenfeindlichkeit" findet sich jederzeit Material, um über den angeschlossenen "Rat des bundesweiten Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ)" gesellschaftliche Debatte zu lenken und zu leiten.
Gut ausgebautes Geschäftsmodell
Eine Goldgrube, die sich der Staat mehr als sechs Millionen Euro im Jahr kosten lässt. Die Amadeu Antonio Stiftung, internationalistisch ohne Bindestriche geschrieben, bestreitet zwei Drittel ihres Haushaltes aus staatlichen Zuschüssen. Zuwendungen privater Stiftungen und sogenannte "sonstige Einnahmen" haben über die langen erfolgreichen Jahre eines steten Ausbaus des Geschäftsmodells ausgereicht, ein sattes Rücklagenpolster von rund 4,5 Millionen Euro anzulegen.
Der Abschied von Gründerin Anetta Kahane, die 2022 in Rente ging, vermochte die stabile Geschäftsentwicklung nicht auszubremsen. Nachfolger Timo Reinfrank ist weniger öffentliche Figur als die Gründermutter. Doch der studierte Politikwissenschaftler, der 2001 mit Ende 20 zu Amadeu Antonio wechselte, berät ebenso nimmermüd zivilgesellschaftliche Initiativen, Politik und Verwaltung in der Arbeit gegen Rechtsextremismus und für demokratische Kultur.
Die Lage wir immer schlimmer
Die Lage, daran lässt AAS in keiner Veröffentlichung Zweifel, ist nach mehr als einem Vierteljahrhundert Kampf gegen rechts schlimmer denn je. Selbst der Antisemitismus, dem die Stiftung von Anfang an viel Kraft widmete, scheint aus irgendwelchen Gründen zuletzt zugenommen zu haben. 2003 sprachen sich noch ganze drei Pressemitteilungen der AAS gegen Antisemiten aus, 2014 waren es acht, 2021 musste schon 49 Mal gewarnt werden und im aktuellen Jahr stieg diese Zahl auf atemberaubende 116. In einer davon kommt einmal sogar das Wort "islamistisch" vor, umgeben von fünfmal "rechts".
Das Dritte Reich, es steht vor der Tür. Doch Timo Reinfrank ist kein Lautsprecher wie Kahane, keine Oma gegen rechts, die schrill für eine Gesellschaft trommelt, in der als "segensreiches Ergebnis eines langen Zivilisationsprozesses“ (Kahane) "jenseits des Juristischen ein Klima" herrscht "das weit Gefährlicheres mit sich bringt als ein Wettrennen von wildgewordenen Säuen, die durchs Dorf getrieben werden".
Beamte der Zivilgesellschaft
Reinfrank ist ein stiller Beamter der Zivilgesellschaft. Er hat Deutschlands "Zivilgesellschaft", ein seinerzeit in der noch jungen Stiftung erdachten und seitdem propagierten Begriff unklaren Inhalts, bei der Anhörung des Kabinettsausschusses der Bundesregierung gegen Rechtsextremismus und Rassismus vertreten. Er sitzt zudem im Vorstand des Vereins für demokratische Kultur in Berlin e.V., ist einer der Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD), Vorstand der Bürgerstiftung Barnim-Uckermark und Redaktionsmitglied der Zeitschrift "Demokratie gegen Menschenfeindlichkeit".
Mehr Arbeit, als ein gewöhnlicher Sterblicher bewältigen könnte. Doch es lohnt sich. Den Bedeutungsknick, den die AAS erlitt, als Kanahe sich in den Ruhestand verabschiedete, hat Reinfrank ausgeglichen. Heute ist sein Haus wieder die wichtigste Adresse bei der Koordinierung der Verteidigung von Brandmauer und Unseredemokratie, hier entstehen die Pläne zum Kampf gegen die Feinde unserer Ordnung, die Quertreiber, Verschwörungstheoretiker, Russen, Kritikaster und Sachsen.
Alles voller "rechtsextremer Regierungen"
Doch die ruhen nicht. Nur kurz hat der Verzicht des neuen Bundeskanzlers Friedrich Merz auf eine Beantwortung der berühmten 551 rechtsradikalen Fragen nach der Finanzierung der Zuvielgesellschaft in Zeiten knapper Kassen den Eindruck erweckt, als würde auch Rot-Schwarz weiter Festhalten an der weltweit nur aus Deutschland bekannten Tradition staatlich finanzierter privater Meldestellen.
Ermutigt durch "rechtsextreme Regierungen" (AAS), die in Ländern wie Ungarn, Polen und den USA demokratischen Initiativen gezielt die Förderung enziehen, "um sie politisch auszuschalten", versucht mit der AfD der Hauptgegner der Demokratie "dieses autoritäre Vorgehen auch in Deutschland zu etablieren", wie Stiftungschef Reinfrank warnt.
Der vorläufige Höhepunkt
Mit einem Antrag im Bundestag, der Antonio Amadeu Stiftung "sämtliche staatliche Fördermittel" (Reinfrank) zu streichen, erreichte "eine jahrelange Diffamierungskampagne" ihren "vorläufigen Höhepunkt", wie die AAS selbst fürchtet. Natürlich lief der Antrag mit dem Titel "Staatliche Finanzierung der Amadeu Antonio Stiftung aus Bundesmitteln beenden" ins Leere.
Die "Beseitigung der politischen Mitte", wie der frühere grüne Wahlkampfberater Johannes Hillje die Absicht hinter dem Plan umschrieb, misslang, weil sich die demokratsichen parteien über alle Differenzen hinweg einig blieben, obwohl die Uetrstützer-Petition bei Campact die erhoffte Anzahl an Unterschriften nicht erreicht hatte. Nach halbstündiger Debatte wurde der Angriff im Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend beerdigt.
Für die Stiftung ist es ein wichtiger Sieg, der ihre Bedeutung betont. "Wir werden angegriffen, weil wir der AfD gefährlich werden – weil wir aufzeigen, dass die rechtsextreme Partei eine existenzielle Bedrohung für die Demokratie ist", hat Timo Reinfrank deutlich gemacht, an welcher "vorderster Front" sein Haus kämpft. Umso entchlossener, je deutlicher die Umfragezahlen der Rechtsextremen steigen.
Diskreditieren, Einschüchtern, mundtot machen
"Die AfD will unsere Demokratie abschaffen, wir hingegen verteidigen sie", deshalb der "gezielte Angriff auf die gesamte zivilgesellschaftliche Demokratiearbeit", mit dem die AfD versuche, "zivilgesellschaftliche Organisationen zu diskreditieren, einzuschüchtern und mundtot zu machen"
Es gehe um nichts weniger als "die Grundlagen unserer demokratischen Kultur", die heute ohne staatlich finanzierte Zivilgesellschaft nicht mehr vorstellbar ist.
"Vereine, Initiativen und Stiftungen fördern Resilienz gegen Rechtsextremismus, dokumentieren Hass und Gewalt, unterstützen Betroffene und schaffen Räume für Aufklärung", ist der AAS-Chef sicher. "Wenn diese Stimmen verstummen, verliert die Demokratie ihr Rückgrat."Betroffen sind damit vor allem Projekte, die Demokratie und Menschenrechte stärken: Bildungs- undoch gemeint ist die gesamte Zivilgesellschaft, die sich für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzt“, so Reinfrank weiter. Es gehe "um die Grundlagen unserer demokratischen Kultur".
Vereine, Initiativen und Stiftungen förderten Resilienz gegen Rechtsextremismus, dokumentieren Hass und Gewalt, unterstützen Betroffene und schaffen Räume für Aufklärung. Wenn diese Stimmen verstummen, weil der Staat nicht mher zahlenwill, verliert die Demokratie ihr Rückgrat.

>> "Die AfD will unsere Demokratie abschaffen"
AntwortenLöschenAch, CDU und SPD sind jetzt auch AfD?
Wenn die AfD eines Tages mal an der Macht ist, gibt es keine Demokratie mehr, die abzuschaffen wäre.