Donnerstag, 20. November 2025

Wasserstoff-Weltmacht: Asien hört aufs Wort

Seit fast 20 Jahren hat die Bundesregierung eine stringente Wasserstoffstrategie, die immer wieder geändert wird, aber nie aufgeht.

Die EU ging entschlossen voran. Um ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2050 zu verwirklichen, beschloss die Gemeinschaft 2023, dass alle Neuwagen, die ab 1. Januar 2035 verkauft werden, emissionsfrei sein müssen. Nur so, hieß es, könne der Verkehrssektor bis 2050 klimaneutral werden. Das aber sei die Voraussetzung, die Klimaziele insgesamt zu erreichen. 

Schon bis 2030 verfügte die Gemeinschaft eine Reduzierung der Emissionen von Personenkraftwagen um 55 Prozent und die von Kleintransportern um 50 Prozent gegenüber 2021 senken. Ein wichtiger Zwischenstopp, denn bis 2035 sollen die Emissionen von neuen Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen auf null reduziert werden.

Nicht ganz null

Ganz null wäre das nicht, denn Millionen ältere Fahrzeuge wären weiter unterwegs, so lange die EU nicht beschließt, sie zu einem festen Termin einzuziehen. Doch der sogenannte Hochlauf der Elektromobilität war beschlossen und verkündet. Versuche, alternative Antriebsarten mit sogenannten E-Fuels in die EU-Papiere hineinzuverhandeln, glückten der fossilen Lobby zwar. Doch das "Versprechen vom Wundersprit" (Spiegel) war eine Lüge, die jeder Magazinleser leicht enttarnen konnte. 

"Die Herstellung von Wasserstoff und E-Fuels, die aus Strom und Wasserstoff hergestellt und in synthetisches Benzin umgewandelt werden, ist teurer, da sie viel Strom erfordert", erklärte der niederländische Europaabgeordnete Jan Huitema schon bei der Bekanntgabe der neuen Beschlüsse. E-Fuels würden nicht in ausreichender und bezahlbarer Menge für den Autoverkehr verfügbar sein. 

Sie seien dafür "teuer und ineffizient" (Greenpeace). Hindernis bei einer weiten Verbreitung von "künstlichen Kraftstoffen" (Spiegel), wie sie die Bundeswasserstoffagentur NOW jahrelang voranzutreiben versucht hatte, waren ausgerechnet die Stromkosten, der "entscheidende Haken an der Idee vom klimafreundlichen Sprit".

Der Wasserstoff-Traum


Der Wasserstoff-Traum, den die mittlerweile von der Bildfläche verschwundene FDP bis zuletzt geträumt hatte, er zerplatzte an der reinen Physik. Zwar gilt in Deutschland als ausgemacht, dass sich die Stromversorgung in Bälde zu großen Teilen über grün produzierten Wasserstoff sicherstellen lässt, wenn Wind und Sonne mal eine verdiente Pause machen. Auch die Gasturbinen, die jetzt bald ganz schnell gebaut werden sollen, müssen "wasserstofffähig" sein - da steht der neue Kanzlker beim alten Klimawirtschaftsminister fest im Wort.

Einfach wird das nicht. Schon vor acht Jahren zeigte eine Studie des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES), dass sich allem Anschein nach nicht einmal der heimische Flug- und Schiffsverkehr komplett auf klimaneutrale, synthetische Kraftstoffe umstellen lassen wird. Um ausreichend Wasserstoff zu produzieren wären, errechneten die Forscher, mehr als 500 Terawattstunden Strom nötigt. 

Nur noch verdoppeln 

Fast doppelt so viel wie Deutschland im Moment von Windrädern und Solarfeldern erntet.  Solle Wasserstoff tatsächlich auch noch die Klimabelastung durch den Verkehr in nennenswertem Umfang reduzieren, sind dafür Strommengen nötig, die selbst alle denkbaren Kapazitäten der Windräder und Solaranlagen in Deutschland weit übersteigen. 

Arithmetisch problematisch ist auch der Umstand, dass die erst noch zu errichtenden riesigen Elektrolyse-Anlagen jährlich mindestens 4.000 Stunden laufen müssten, um wirtschaftlich betrieben werden zu können. Solaranlagen schaffen so viel Versorgungszeit nicht, weil in Mitteleuropa überhaupt nur etwa 4.380 Tageslichtstunden pro Jahr zur Verfügung stehen, in denen die Sonne theoretisch liefern könnte. Wind allein? Gar nicht, denn er wehr hierzulande sogar nur 1.500 bis 2.150 Stunden jährlich.

Profitieren vom niedrigen Wirkungsgrad 

Das "völlig unrealistische Konzept" wurde also weiterverfolgt,  Europas Flugzeugflotte soll 2050 komplett mit Hilfe von E-Fuels abheben. Die Flieger profitieren dabei nach Angaben der EU-Kommission davon, dass der Wirkungsgrad von Elektrolyse-Anlagen bei rund 70 Prozent liegt - etwas mehr als zwei Drittel der eingespeisten Öko-Energie wird zu Wasserstoff. Bei der anschließenden Verwandlung zu Kraftstoff schrumpft der Wirkungsgrad auf insgesamt nur noch fünfzig Prozent. Die Hälfte der geernteten Energie ist weg. Aber wenn es gelänge, doppelt so viel herzustellen, wäre das zu verkraften.

Für den allgemeinen Verkehrssektor aber reicht es auf keinen Fall.  Wie eine Metastudie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag der Klima-Allianz Deutschland gezeigt hat, sind E-Fuels ohnehin zu teuer, ineffizient und nicht in ausreichenden Mengen verfügbar. Was nicht da ist, wird zudem für die Stahlproduktion, die Stromherstellung bei Flaute und den Flugverkehr benötigt. 

Lobbyierende Kanzlerpartei 

Dennoch stellt sich nach der FDP nun auch die Union quer, ungeachtet des schlimmen Schicksals, das die Liberalen als letzte deutsche E-Fuels-Fans erlitten. Seit Wochen schon lobbyiert die Kanzlerpartei gemeinsam mit anderen europäischen Rechten und Rechtsextremen in Brüssel, um den fest verabredeten Abschied vom Verbrennungsmotor aufzuhalten.

Proteste von Ökoverbänden, den Grünen und der Elektroinfluencerszene haben bisher nicht gefruchtet. Die Einflüsterungen von Branchenverbänden hingegen, die die "Sicherung der technologischen Führungsrolle und industriellen Wertschöpfung durch Wasserstoffmobilität" fordern, hat Friedrich Merz gehört. Ohne viel Federlesen arbeitet Merz an der Umsetzung dieses einen Punktes des CDU-Wahlprogrammes: "Neben der Elektromobilität sollen alle klimafreundlichen Möglichkeiten für alternative Antriebe und energieeffiziente Kraftstoffe genutzt werden. Dazu gehören beispielsweise E-Fuels, Wasserstoff und nachhaltige Biokraftstoffe."

Kein Widerstand der SPD 

Obwohl im Koalitionsvertrag von E-Fuels nicht die Rede ist, gab es keinen hörbaren Widerstand aus der E-Auto-Partei SPD, als der CDU-Chef aus seiner Koalition eine Kampftruppe für eine neue Grüngas-Quote formte. Der schleppende Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, kaum beflügelt durch die ersten Nachrichten über Erfolge bei der Errichtung eines Kernnetzes, soll durch die Schaffung von Verbrauchern per gesetzlicher Quote befördert werden. Das wird teuer, aber daran scheitern, dass es den Treibstoff für die Umstellung nicht gibt.

Auch nicht im Bereich des Verkehrs. Während bei der COP30 in Brasilien erste Pläne geschmiedet werden, aus Verbrennungstechnologien komplett auszusteigen - Deutschlands Umweltminister Carsten Schneider hat bereits Wohlwollen signalisiert und Deutschlands Mittun versprochen - kippt daheim alles fast 200 Jahre zurück. Damals erfand Christian Friedrich Schönbein, ein Chemiker aus in Metzingen, die Brennstoffzelle, die aus der chemischen Reaktion von Sauerstoff und Wasserstoff elektrische Spannung erzeugt. 

Gegen Steamer und Lokomotiven 

Die steinzeitliche Industriegesellschaft damals war begeistert: "Ich bin davon überzeugt, meine Freunde, daß das Wasser dereinst als Brennstoff Verwendung findet, daß Wasserstoff und Sauerstoff, seine Bestandteile, zur unerschöpflichen und bezüglich ihrer Intensität ganz ungeahnten Quelle der Wärme und des Lichts werden", schrieb der Science-Fiction-Autor Jules Verne. Der Tag werde "nicht ausbleiben, wo die Kohlenkammern der Steamer und die Tender der Lokomotiven statt der Kohle diese beiden Gase vielleicht in komprimiertem Zustand mitführen werden, die unter den Kesseln eine enorme Heizkraft entwickeln."

Verne und Schönbein kannten freilich nicht die Pläne der EU zum Hochlauf der Elektromobilität und die Beschlüsse der Bundesregierung, Ärmeren und Armen beim Kauf teurer E-Autos zur Not finanziell mit deren eigenem Geld unter die Arme zu greifen. Für sie war das alles Zukunftsmusik und sie hätten sicherlich das gleiche Maß an Faszination gezeigt, wäre ihnen gesagt worden, dass dereinst Autos erfunden würden, die die kollektive Mobilität von Steamer und Lokomotive alt aussehen lassen.

Schlechtes Beispiel 

Dass Deutschland seine Klimapläne erneut korrigiert, hätten sie hingegen sicher nicht gewollt. Denn die Folgen sind fatal, weil die Welt nach wie vor genau hinschaut, wie Deutschland, das in 30 Jahren keinen Bahnhof bauen kann, seinen Wohnungsbestand, seine Industrie, seine Energieversorgung und seinen Verkehr in 25 Jahren abreißt und komplett neu errichtet. Auch beim Wasserstoff gilt Deutschland als Vorbild, denn nirgendwo wird so viel vom sogenannten "Champagner der Energiewende" gesprochen wie hier. 

Selbst der Deutsche Zukunftspreis, Hand in Hand verlihen vo Bundespräsodenten und dem staatsfernen Kritiksender ZDF, diente angesichts der neuen Liebe zum Wasserstoffauto dessen Propagierung. Forcher der Robert Bosch GmbH in Stuttgart wurden ausgezeichnet, nachdem es ihnen gelungen war, einen Brennstoffzellen-Antrieb für schwere Lkw zu entwickeln, der emissionsfreien Fernverkehr ermöglicht. In der kompakten Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff mit Sauerstoff zu Wasser und erzeugt dabei kontinuierlich elektrische Energie – eine robuste und alltagstaugliche Alternative zu den Fahrzeugen, die der Autobauer Mercedes seit Jahren unter dem Namen GenH2 Trucks herstellt.

Anpfiff für Asiaten 

Kaum hatte Berlin also dem bayrischen Autohersteller BMW mit einigen hundert Millionen Zuschuss Mut für das Vorhaben gemacht, einen wasserstoffbetriebenen BMW X5 mit Schönbein-Technik auf den Markt zu bringen, reagieren auch die Hersteller in Fernost auf die "dreiste Lobbykampagne gegen das Verbrenner-Aus". Dort hängen ganze Industriezweige der Illusion von einer Wasserstoffwirtschaft an. Sowohl China als auch Japan halten an Schönbeins uralter Erfindung fest, Chinas Autoindustrie entwickelt Pkws und Lkws mit Brennstoffzelle, obwohl Europa die Antriebswende beschlossen hat und ein knieweicher Kurs die Wettbewerbsfähigkeit der asiatischen Automobilindustrie gefährdet.

Asien hört die Signale 

"Wer die Zeit anhalten und die Uhr zurückdrehen will, wird auf der Strecke bleiben", warnen die Grünen im Bundestag. Jeder Euro, der in H2-Humbug investiert wird, fehlt bei amtlich bestätigten Umstiegskurs. 

Als wäre der Unsinn mit den E-Fuels und die Ineffektivität der Brennstoffzelle nicht längst erwiesen, präsentierte der südkoreanische Hersteller Hyundai mit dem "Nexo" jetzt auch noch einen neuen Mittelklasse-SUV mit Brennstoffzellenantrieb. Insgesamt schaffe das Auto mit einer Tankfüllung Wasserstoff dank seiner galvanischen Gasbatterie über 820 Kilometer. In rund fünf Minuten sei der Tank wieder prall gefüllt, heißt es in Werbeeinträgen im Netz, die direkt auf das Herz des deutschen Energieausstieges zielen. 

7 Kommentare:

  1. Schneider ist Minister? Ging glatt an mit vorbei. Ist mir gar nicht aufgefallen, dass er nicht mehr Zonenbeauftragter ist.

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  2. Ich wusste gar nicht, dass der ehemalige Ostprotektoratbevollmächtigte Minister ist. Beim FF ist alles möglich.

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  3. schneider ist der einzige ostler, den sie für vorzeigbar halten. da ist die karriere auf jahrzehnte gesichert

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  4. Hat übrigens Gründe, dass über sein Elternhaus nichts im Wiki-Artikel steht lol.

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  5. Er ist auch für nukulare Sicherheit zuständig, das brauchen wir doch gar nicht mehr. Ist doch alles gesprengt.

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  6. Hatten seine Eltern noch das ein- oder andere nützliche Stasiäktchen?

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  7. >Hatten seine Eltern noch das ein- oder andere nützliche Stasiäktchen?
    Nicht schlimmes, eher Dorfklatschlevel. Aber auch offensichtlich nichts, worüber er sich gerne ausbreitet.

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