Samstag, 17. Juli 2010

Demokratie vor dem Durchbruch

Es ist ein dunkler Ort, dieses Dessau, gelegen direkt an der "Straße der Gewalt". Über Jahrzehnte gelang es der Demokratie nicht, hier, in der Heimat von Zyklon B und Junkersbomber, Fuß zu fassen. Jugendliche Neonazis schlugen Migranten im Stadtpark tot, jugendliche Migranten boten im Stadtpark tödliche Drogen an, der Vorsitzende des migrantischen Hilfsvereins stahl ein aus Spendenmitteln für die Opfer fremdenfeindlicher Gewalt angeschafftes Designer-Sofa, die Polizei verhaftete einen jugendlichen Drogenhändler mit migrantischem Hintergrund, der Festgenommene zündete sich in der Zelle selbst an, die Polizisten, die ihn nicht tiefgründig genug durchsucht hatten, landeten vor Gericht.

Zwanzig Jahre voller Dramen und Tragödien, zwanzig Jahre auch voller vergeblicher Bemühungen, ein Stück Zivilisation zurückzubringen in die Stadt von Bauhaus und Moses Mendelssohn, Kurt Weill und Dieter Hallervorden. Erst jetzt ist mit dem "Netzwerk Gelebte Demokratie" ein erster wirklich erfolgversprechender Versuch gestartet, "ein vielfältiges, lebendiges und allen Menschen offenstehendes Bündnis in der Stadt zu etablieren, die inzwischen Dessau-Roßlau heißt.

Das Ziel ist klar, der Weg vorgezeichnet. "Demokratie ist für uns die erkämpfte Möglichkeit selbstbestimmten Lebens, die es zu bewahren, zu verteidigen und zu gestalten gilt", heißt es in den poetischen Liner Notes der vom städtischen Gleichstellungsbüro in Sachen Strategieentwicklung und Öffentlichkeitsarbeit (Arbeitsgruppe 3) beratenen Bündnisses. Deshalb wolle man "mit gemeinsamen Aktionen das demokratische Miteinander stärken, gemeinsam für Menschenwürde, Freiheit, Toleranz und Zivilcourage eintreten und alle Menschen, Vereine und Initiativen darin unterstützen, die Vielfalt, Lebendigkeit und Lebensfreude in unserer Stadt zu entwickeln und sichtbar zu machen".

Den Auftakt der öffentlichkeitswirksamen Tätigkeit, die sich "entschlossen gegen jegliche Formen von Diskriminierung, Gewalt und Menschenfeindlichkeit" wendet, bildet eine machtvolle Postkartenaktion mit fünf demokratiestärkenden Motiven (oben), denen es "gelingt, die Lebendigkeit und Lebensfreude der Stadt zu zeigen und erlebbar zu machen" (Netzwerk). Dem Aufruf der engagierten Initiatoren folgend hat das Netzwerk Demokratie gesternheutemorgen, zu dessen einzigen Mitgliedern die PPQ-Redaktion gehört, sich sofort an die Arbeit gemacht, und fünf weitere aufwendig designte demokratieschaffende Motive erstellt. Unter dem Völker und Zeiten gleichermaßen verbindenden Postkartenserien-Claim "Demokratie ist, was Du darus machst", stellen sich nun auch Lady Gaga, Angela Merkel, Erich Mielke, Frau Achmadinedschad und Claudia Roth schonungslos in den Dienst der guten Sache. Auf dass unsere geliebte Demokratie endlich auch in Dessau ihren Durchbruch feiern möge.

4 Kommentare:

  1. Das ist ja richtig gruselig. Erkämpfte Demokratie? Auf'm Sofa hamse jesessen, als die Tagesschau ihnen die übergestülpte Demokratie kund tat. Oder deren Eltern haben auf'm Sofa gelgen und sich nicht für die Tagesschaumeldung interessiert.

    Äh, ich wollt was ganz anderes sagen. Mir fehlt bei den Protagonisten der Kampagne ein demokratischer Vorzeigekämpfer aus diesem Integrationsdingsda, wo neulich in Südafrika war. Sozusagen gelebte Demokratie im demkratischen Fußball. Wie wär's denn damit.

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  2. VolkerStrammJuli 17, 2010

    Hört das denn niemals auf?

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  3. bessere antwort: der schoß ist fruchtbar noch!!!

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