Freitag, 15. Februar 2013

Tanz um rechten Popanz


Am Ende war es nicht einmal mehr eng und nicht einmal der auf rechte Straftaten seit Jahren spezialisierte „Tagesspiegel“ fand einen Dreh, einen „neuen Rekord“ in die neuen Zahlen der rechtsextremen Straftaten hinzudeuten. Bei nur noch 13635 „rechten Delikten“ (Tagesspiegel) im vergangenen Jahr fällt das auch schwer: Im Vorjahr hatten die eifrigen Rechtestraftatenzähler schließlich noch satte 16142 Taten verzeichnen können.

Ein Rückgang von mehr als 15 Prozent in einem Jahr, seit 2009 sogar ein Einbruch um rund ein Drittel – da gelingt es auch dem geschicktesten Manipulierer nicht mehr, einen stabilen Rückgang durch ein paar semantische Tricks zu einem weiteren Anstieg und diesen dann zu einer immer noch neueren, noch akuteren Gefahr für die Gesellschaft zu erklären.

Doch der rechte Zweck heiligt die Mittel und im Kampf gegen den rechten Popanz treibt die Formulierungkunst einer begeisterten Protokolltruppe aus antifaschistischen Fußsoldaten immer noch feinste Blüten. Tagesspiegel-Spezialist Frank Jansen etwa, der jahrelang davon leben konnte, zwei-, drei- oder viermal im Jahr neue Rekorde bei rechten Taten zu melden, gelingt es auch heute noch, aus dem Nichts Brücken zu neuen Superlativen zu bauen, um eine Schlagzeile aus dem trüben Trend pressen zu können.

„Extremisten verüben 20 000 Delikte - Viele rechte Straftaten“, dichtet er und hat damit die höchstmögliche Zahl im einzig richtigen rechten Zusammenhang genannt. Jansen führt anschließend bei der Tätersuche sogleich die funkelnagelneue Umschreibung „rechts orientierte Kriminelle“ ein. Worum es sich dabei handelt, bleibt allerdings unklar. Bislang galten rechte Straftaten als rechte Straftaten, wenn sie aus rechten Beweggründen begangen wurden, nicht, wenn ein Rechtsextremer einen Nassrasierer gestohlen hat. Ein bisher stark ergebnisminderndes Problem, das durch die Einbeziehung von Beziehungstaten, Diebstählen und Knöllchenvergehen von "rechts orientierten Kriminelle" in die Statistik der rechten Straftaten endlich "ausgemerzt" (Franz Müntefering) sein dürfte.

Aber auch das neue Statistikfeld nützt nicht. „Es deutet sich aber offenbar eine rückläufige Tendenz gegenüber 2012 an“, schreibt ein sichtlich bedrückter Jansen, der wie alle Redakteure bei allen Leitmedien einem strikten Verbot unterliegt, Archive zu benutzen. Dadurch kann er seine Leser nicht darauf hinweisen, dass bereits 2012 einen Rückgang gegenüber 2011 brachte, das wiederum einen Rückgang gegenüber 2010 brachte, das wiederum weniger rechte Straftaten zählte als 2009. Wobei 2009 schon weniger Taten als 2008 hatten gezählt werden können.

Ähnlich sieht es bei den Gewalttaten aus, die deutschlandweit hunderte Arbeitsplätze bei Projekten schaffen, in denen fleißig gegen rechts getrommelt, gemalt und gelichterkettet wird. Von mehr als 1000 Taten ging es über 755 im Jahr 2011 herunter auf 619 – ein Absturz um 41 Prozent in nur sechs Jahren.

Ein Absturz, der erwartbar war. PPQ hatte bereits vor Jahren auf eine sich deutlich ankündigende strukturelle Schwäche der rechten Szene hingewiesen, die zahllose Betreuungs-, Beratunges- und Begleitungsprojekte für Aussteiger langfristig bedrohen werde. Nach der Skinheadkultur, die Ende der 90er Jahre einen stillen Tod in Kleinstädten starb, deren Namen heute niemand mehr weiß, verendete auch die vermeintlich schicke "neue Rechte" an der schieren Unmöglichkeit, in alten Stiefeln neue Tänze zu lernen. Es folgten noch ein paar Ausflüge "Unsichtbarer", ein paar Völkerfeste und Kameradschaftsabende. Inzwischen aber ist es für Gewalttäter so schick, rechts zu sein, wie für Rechte, Ali oder Mehmet zu heißen. Der rechte Popanz tanzt nur noch in den Schlagzeilen. Dort aber, gut zu wissen in Zeiten, in denen so viele gewohnte Traditionen sterben, ist er unsterblich.


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9 Kommentare:

  1. Das liefert sicherlich die Begründung für das statistische Dilemma: "Inzwischen aber ist es für Gewalttäter nicht mehr schick, rechts zu sein."

    Dabei arbeiten doch die Medien mit Nachdruck daran, potentiellen Schlägern einen versoffen-faschistischen Narrensaum schmackhaft zu machen. Doch selbst der Unterbelichtetste bekommt irgendwann mit, daß diese Art Provokation überaus harte Sanktionen nach sich zieht.

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  2. Ganz schlimme Folge dessen wahrscheinlich: EXIT vor dem Aus!

    Das gab's 2008 schonmal, glaube ich. Ob EXIT diesmal noch gerettet werden kann? Dass sie erfolgreich sind, beweist der PPQ-Chart doch aufs Nachdrücklichste! Wir brauchen diese Ausstiegshelfer offensichtlich. Oder?

    Beste Grüße, Calimero

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  3. das mit exit hatte ich auch gelesen. ich wollte nur noch nicht gleich um hilfe trommeln wie damals, als wir das projekt mit unserem beherzten beitrag gerade noch retten konnten

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  4. Naja, da hat die Berichterstattung das alte Motto von "Weniger ist mehr" halt mal wieder falsch verstanden. Ein gewisser Orwell hat darüber ja einiges geschrieben...

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  5. Hola Calimero,

    was macht eigentlich Ihr Blog? Gerade gestern war ich mal wieder zu Besuch und es gibt gar nichts Neues mehr?

    Hoffentlich sind Sie nicht entmutigt. Zu Fukushima-Zeiten war Ihr Blog ein Lichtblick!

    Beste Grüße

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  6. Jajajaja, der "Rächts"-Extremismus, Faschimsus, der braune Sumpf, die allenthalbene Virulenz der Nazi-Gene hierzulande, sind von so exorbitanter, epochaler, immenser Wichtigkeit, dass solche trivialen Erbsenzählereien, wie Fallstatistiken komplett ignoriert gehören. Sind sie doch nur durchsichtige Ablenkungsmanöver der Verharmloser und Leugner, die unsere Wachsamkeit chloroformieren wollen, um im Schutze wachsender Sorglosigkeit ihre braune Süppchen wieder verstärkt aufkochen lassen wollen.


    Hough !

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  7. das mit dem calimeroblog wollte ich auch immer schon mal fragen...

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  8. Oha, Danke der Nachfrage. :-)

    Die Rumpelkammer ist nicht ad acta gelegt, aber ich bin seit ca einem Jahr beruflich sehr stark ausgelastet. Da fehlt momentan die Muße, die notwendig ist um die mittlerweile aufgebaute Schreibblockade zu durchbrechen.

    Leider ist's mir nicht gegeben tägliche Artikel so locker aus dem Handgelenk zu schütteln, wie das beim hiesigen Hausherrn der Fall ist. :-(

    Aber ich habe kürzlich schonmal saubergemacht hinter den Kulissen von CR. Also die Lust aufs Bloggen steigt wieder. Es fehlt nur noch der passende Trigger zur rechten Zeit.

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  9. Sehr gut... So lang der RSS-Feed gleich bleibt, verpaß' ich nichts!

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