Montag, 26. Januar 2015

Kritik einfach wegtanzen

7. Oktober 1989: Während im Palast der Republik die kommunistischen Partei- und Staatsführer den 40. Jahrestag der DDR feiern, wird draußen demonstriert. „Wir sind das Volk!“, rufen die Demonstranten, doch sie werden nicht gehört. Polizeibataillone stehen bereit, um „Ruhestörer“ zu verhaften und für Ordnung zu sorgen, die Sicherheitsdienste sind alarmiert, die Staatsspitze schaut beim Sektchen zur Jubiläumsparty aus dem Fenster auf feindliche Ansammlungen von Menschen, die dem Klassenfeind auf den Leim gegangen sind und staatsfeindliche Losungen rufen.

Die Zeit vergeht, aber so viel ändert sich denn doch nicht auf der Erde. Vom Landespresseball in Hamburg, der "auch in seiner 66. Ausgabe aus allen Nähten", platzte, wie der Veranstalter stolz mitteilt, meldete sich Familienseniorenfrauenjugendministerin Manuela Schwesig mit einem mutigen Facebook-Eintrag: "Gute Stimmung auf dem Landespresseball" schreibt sie, und "viele folgen dem Aufruf von Olaf Scholz "Das Schimpfwort Lügenpresse einfach wegtanzen".

Beim "rauschenden Fest in großer Garderobe" (Veranstalter) wurde damit nicht nur die gleichlautende Formulierung der offiziellen Presseball-Pressemitteilung von 2013 noch einmal wörtlich nachgestellt, sondern gleichsam auch der letzte große Auftritt der DDR-Elite: Drinnen fleischgewordene Gegenstände der Berichterstattung und Protokollbeamte in Maßgarderobe und im engen Schulterschluss. Draußen renitentes Volk, das diesmal allerdings nicht nach Gorbi ruft, sondern den "Versuch, in Hamburg ein Asylbewerberheim mitten in eine Villengegend zu pflanzen" (Spiegel) per Gerichtsentscheid stoppen lässt. "Gebietsuntypische Störungen", gaben die Richter vor, müssten "vermieden" werden.

Bei Landespresseball wurden sie es. Sangen seinerzeit für Honecker beim Unterhaltungsprogramm im Großen Saal des Palastes der Entertainer Wolfgang Lippert und der DDR-Swing-König Andrej Hermlin, ist es diesmal „Tatort-Kommissar“ Miroslav Nemec samt Band, der die Ballgäste mit seiner Bühnenshow "mitreißt".

4 Kommentare:

  1. Soviel zur kritischen Distanz zwischen den Berichterstattern und der Politik. There is no such thing as a free lunch sagen unsere Freunde in der Anglophonie („so etwas wie ein Gratisessen gibt es nicht“).
    Die Einheitspresse multipliziert Verlautbarungen im Geiste der aktuell geltenden Beschlüsse und im Gegenzug tanzt die Politik, wenn jemandem auffällt, welche Rolle die Presse in der Show spielt.

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  2. Der Tanz um das goldene Lügenkalb!

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  3. da stehen ein paar dufte Fotos auf der Internetseite des Presseballs. Tanz auf dem Vulkan. Ich dachte, der Presse geht es sch....und dann schmettern die in jeder zweiten deutschen Großstadt so einen Ball aufs Parkett? Wie bezahlen die das? Sponsoren, und wer so was sponsert, was "sponsert" er noch?

    "Fragen, Fragen, nichts als Fragen." (Hamlet - aber der hat ja in Wittenberg studiert und war ja dann auch irre)

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  4. Frage : warum fallen minimalbegabte HilfskinderInnen und andere Mutanten immer wieder die Karriereleiter hoch ?

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