Montag, 31. August 2015

Abschied vom Ewigen: Sven schon, denn schon

Es ist eine der frühen Sichtungen des Sven Köhler in Halle: Ein Mann in dicker Wattejacke sitzt auf einer Bank, er schaut aufs Spielfeld und er wirkt ratlos. Gera heißt der Gegner an diesem Dezembertag im Jahr 2007. Sven Köhler ist seit fünf Monaten Trainer in Halle, und er bekommt noch immer keine Linie in seine Mannschaft. In der stehen erfahrene Spieler wie Kevin Kittler, David Bergner, Michel Petrick und Maik Kunze, aber zum Ende des Anfangs einer Ära, die schließlich mehr als acht Jahre dauern wird, ist noch nicht zu bemerken, dass sein Team mit 50:21 Toren und 60 Punkten direkt aus der Oberliga Nordost/Staffel Süd in die Regionalliga führen wird.

Der Chemnitzer, als Nachfolger einer langen Reihe von Missverständnissen von Dynamo Dresden geholt, war ein bescheidener Arbeiter im Weinberg des Fußballgottes. Bescheiden war sein Auftreten, bescheiden sein Sprachschatz, zu bescheiden aber waren in den letzten Monaten und Jahren vor allem seine Ansprüche. Köhler schien stets mit dem zufrieden, was ihm Manager und Präsident an Möglichkeiten boten. Anfangs machte er daraus zuverlässig mehr als erwartet werden konnte. Später aber verstärkte sich der Eindruck, als könne er das, was er kann, nicht mehr können.

Ruhig am Rande: Köhler und Strozniak 2008.
Acht Jahre hielt die Ehe zwischen dem Fußball-Handwerker aus Freiberg und dem gefühlten Scheinriesen von der Saale. Auf den ersten Aufstieg folgte der zweite, Spieler kamen und Spieler gingen, kaum dass sich die Älteren auf den Tribünen noch an ihre Namen erinnern. Köhler aber blieb, durch Berge und Täler.

Köhlei, wie sie ihn nannten, hat vor ein paar Dutzend Zuschauern gegen Jena gecoacht und im Exil in Halle-Neustadt, er ist von Gagelmann verpfiffen worden und steckte über Jahre hinweg in Geiselhaft bei einer selbsternannten Fußball-RAF. Er hat Punkte am grünen Tisch verloren, sich eine Abwehr gebaut, die fast tausend Minuten am Stück ohne Gegentreffer blieb. Und als es nicht mehr ganz so gut lief, reichte es immerhin noch, beste Auswärtsmannschaft zu werden. Heute stehen in der Kurve Fans, die niemals einen anderen Trainer auf der HFC-Bank haben sitzen sehen.

Sie werden sich umgewöhnen müssen. Als Sven Köhler im Spiel gegen Preußen Münster nach 84. Minuten zum ersten Mal wechselte, schrieb der 49-Jährige damit vermutlich sein Kündigungsschreiben. Köhler brachte, nachdem ein 1:0-Vorsprung sich in ein 1:3 verwandelt hatte, zwei Abwehrspieler. Als wollte er das schmähliche Ergebnis nun wenigstens halten.

Acht Jahre früher: Sven Köhler ratlos gegen Gera.
Mag sein, der Fußballlehrer, der nie ein "moderner" Medientrainer war wie Jürgen Klopp, setzte auf die Kopfballstärke von Wallenborn und auf die Flanken von Baude. Kann sein, er hatte irgendeine andere geniale Idee. Was draußen ankam, war Konfusion, wie sie schon zum Ausdruck kam, als vor der Saison immer neue Torleute und Abwehrspieler eingekauft wurden - fünf insgesamt. Während die bekannt anämische Offensive mit Verstärkungen aus dem Lazarett und zwei dazugeholten Teilzeitspielern aus Aue und Dresden auskommen musste. Nach sechs Spieltagen und fünf Niederlagen steht die siebtteuerste Mannschaft der Liga im Ergebnis auf Platz 19 der Tabelle. Und daran muss nun  der "Svennie", wie er halb liebevoll, halb nachsichtig genannt wurde, schuld sein.

Jeder sieht, da stimmt etwas nicht. Köhlers Auswechslungen an seinem letzten Tag im Halle-Dress sind nur ein Signal, dass dieser dienstälteste deutsche Trainer nicht mehr weiß, was er tun soll. 24 Stunden später hatte das Präsidium des Halleschen FC den Weggefährten von fast 3000 gemeinsamen Tagen durch drei Ligen, zwei Aufstiege, Pokalsiege, unvergessliche Derby-Sekunden und drei aufeinanderfolgende jeweils schlechteste Saisonstarts freigestellt. 

Ein Ende mit Schrecken. Sven schon, denn schon. Der Neue steht schon in den Startlöchern: Nach HFC-Logik, die auf Nähe und Vertrautheit setzt und Experiment scheut, wird es Dirk Wüllbier, 49 Jahre alt, geboren in Aschersleben und zuletzt bei Kardemir Karabükspor in der türkischen Süper Lig. Zwischen 1985 und 1992 war er aktiv als Spieler beim HFC.

2 Kommentare:

  1. Wat muss, dat muss und nu muss er gehen und geht schon.

    schöner Nachruf, den kann er sich einrahmen als ein stück schön formulierte Wahrheit.

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  2. Das ist die verbale Kugel, die er sich in den Kopf schießen kann. Zynisch und fußballverachtend.

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