Dienstag, 2. August 2016

Massen gegen Klassen: Die große Krise der Linken

Nicht nur die Rechte in Deutschland hat extreme Probleme, sondern auch die Linke. Die bürgerliche Linke sieht ihre Positionen von der CDU okkupiert, das Chisma mit Teilen der mildrevolutionären Reste scheint unauflösbar und weit drüben am revolutionären Rand herrscht weitgehend Uneinigkeit darüber, ob linke Politik dem Volskwillen folgen oder einen neuen Versuch starten soll, die Massen so umzuerziehen, dass sie nach den Vorgaben einer wissenschaftlichen Theorie zu leben beginnen.

Eine bedrohliche Situation, die es nun sogar auf die Debattenplattform Internationale Politik und Gesellschaft geschafft hat. Ernst Hillebrand beleuchtet dort die "Entkoppelung zwischen linker Politik und ihren traditionellen Wählern" und den Versuch von ostdeutschen Hotelbesitzertöchtern, mit Belehrungen nach Gutsherrenart jede Krisendiskussion zu unterbinden.

"Aber wir lieben Euch doch alle!" hat Hillebrand seinen Text überschrieben, der als Momentaufnahme einen Augenblick zeigt, in dem die "ideologische Entfremdung zwischen der etablierten Linken und den arbeitenden Unterschichten" nicht mehr zu leugnen ist. Links hat noch Erfolg, das aber vorzugsweise bei den gesellschaftlichen Schichten, die als Beamte, Staatsangestellte oder Mitarbeiter der Sozialindustrie direkt oder indirekt, materiell oder ideell von linker Wunschpolitik profitieren.

Jenseits dessen aber sind die Antworten der linken Parteien auf die Fragen der Gegenwart den Fragenden weitgehend egal, wie die schlechten Wahlergebnisse zeigen. Trotz eines Linksrucks der Politik im zurückliegenden Jahrzehnt, trotz Mindestlohn und Mietbremse, weltoffener Flüchtlings- und zukunftsorientierter Genderpolitik strafen die Wahlbürger alles links der von der CDU sozialdemokratisierten Mitte mit Nichtachtung.

Der Bürger, der in der Vorstellung der Linken als Träger des Staates berufen war, einer linken Avantgarde besinnungslos in eine bessere Zukunft zu folgen, verweigert sich. "Während die Parteien und ihre Funktionäre sich in zentralen wirtschaftlichen und sozialen Fragen im Sinne von Globalisierung, Europäisierung, Entgrenzung und Liberalisierung positionieren, halten Teile der Unterschicht an Nationalstaat, Patriotismus, und traditionellen Wertemustern fest", schreibt Hillebrand.

6 Kommentare:

  1. Carl GustafAugust 02, 2016

    War es nicht der Willy Brandt, der einstmals die Ideologie der "Neuen Mitte" ausrief!? Nur nominell gibt es in Deutschland keine Partei der Mitte (wenn man mal die Rechtsvorgängerschaft der Zentrumspartei für die CDU außer acht läßt).

    Alles andere hat auch schon Sloterdijk fein zur Analyse gebracht: http://www.berliner-zeitung.de/kultur/peter-sloterdijk-der-philosoph-spricht-ueber-sozialdemokratie-und-migration-24148132

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Von Tag zu Tag sind die Inkremente klein. Nicht wahrnehmbar.
    Das ganze Elend wird offenbar, wenn man den Beobachtungsabstand vergrößert.

    "DEUTSCHE, wir können stolz sein auf unser Land"

    So tönte früher die SPD.
    Heute blökt es aus dieser Ecke

    "Deutschland - Du mieses Stück Scheiße"

    +

    Unter der Sloterdijk-Aufsatz hat einer einen ebenso gescheiten Kommentar von Bodo Hombach verlinkt.

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  4. volker, das eben verstört mich auch so

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  5. "Unter der Sloterdijk-Aufsatz hat einer einen ebenso gescheiten Kommentar von Bodo Hombach verlinkt."

    Das verleitet mich nunmehr dazu, auf den CICERO-Gespräch mit Gabriele Baring zu verlinken.

    Aber zum Thema: das Thema "Ende der Sozialdemokratie" ist ja derzeit schwer en vogue, dass es inzwischen selbst jedem Halbintellektuellen, egal ob politisch rechts, links oder in der mitte, zur Pflicht geworden ist, sein eigenes Denken zur SPD irgendwo kundtun zu müssen. Das hilft aber weder der SPD den eines Tages drohenden Absturz auf einen einstelligen Prozentsatz noch abwenden zu können. Noch zeigt es eine Alternative für die zukünftige Form der politischen Partizipation der Bürger auf. Ich habe bislang nur eine wirklich gute Analyse gefunden, die den treffenden Vergleich zwischen SPD und SED herstellt, aber auch ein Bild von zukünftiger politischer Partizipation zu vermitteln vermag: Die SPD ist heute eine Staatspartei

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  6. wenn man davon ausgeht, dass die anzahl der handlungsalternativen mit zunehmender verschärfung der inneren sinn- und der äußeren ergebniskrise der deutschen sozialdemokratie zunimmt, dann muss es kurz vor toresschluss noch zwingend zur wiedervereinigung der reste von PDS und SPD kommen.

    das hülft dann auch nichts mehr, signalisiert aber den beginn des letzten kapitels.

    im augenblick spricht doch nur die überlegung dagegen, dass ein gemeinsames voranschreiten nicht zwingend bedeuten wird, dass es mehr posten zu verteilen gibt, sondern eher, dass es - synergieeffekte! - weniger werden.

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