Samstag, 1. April 2017

Stolz und Vorurteil: Deutschland darf wieder

Stolz auf die eigene Herkunft ist wieder möglich - so lange er einem Kontinent gilt.
Martin Schulz spielte damals in der Europawahlkampfsimulation die nationale Karte und erntete harsche Kritik dafür. Nation, das geht geht gar nicht, denn nur gemeinsam kann sich Europa in gewohnter Friedlichkeit gegen den Rest der Welt behaupten. Eine Lehre aus der Geschichte, die Norwegen und die Schweiz, aber auch Kanada, Japan und Australien noch nicht begriffen haben.

Doch deren Berufung auf ihre Heimatländer ist ewiggestriger Nationalstolz. Allenfalls erlaubt im Sport oder bei Unglücksfällen in fernen Ländern, wenn die eigenen Siege immer ein wenig mehr gefeiert werden als die der anderen. Oder die eigenen Opfer viel mehr Trauer auslösen als die anderer Provenienz. Das alte Prinzip vom Rock, der immer näher ist als die Hose, hat Globalisierung, Europäische Gemeinschaft, Euro, Schengen und die immer integrativere EU überlebt. Auch der moderne Europamensch bangt und leidet leider noch nach dem Entfernungsprinzip. Je näher vor der eigenen Tür, desto näher gehen ihm Schicksale, desto mehr bezieht er Triumphe und Niederlagen, Medaillen und Tragödien auf sich.

Eine Tradition, die aus der Zeit der Stammesverbände stammt. Unsere und die anderen, der Nachbar und das Fremde - Martin Schulz, ein Mann aus der Provinz, spürte damals im Wahlkampf, als ihm die Felle wegschwammen, dass er Punkte machen könnte, wenn er sich als einen von uns, als Nachbarn und nicht als Fremden inszenieren würde. Jean-Claude Juncker, sein Mitbewerber, hatte nur Luxemburg als Becken, in dem er in den trüben Wassern des nationalen Egoismus fischen konnte. zwar ist das Stimmengewicht jedes Luxemburgers vielfach größer als das eines Deutschen, damit sich die Bürger des Ministaates in der gemeinsamen Gemeinschaft nicht untergebuttert fühlen. Aber das nützt ja nichts. Schulz, der Machtmensch, zögerte nicht lange und plakatierte sich als Deutschen, der für deutsche Interessen antrat.

Für Europa, dessen Staatwerdung in den zurückliegenden zehn Jahren stockt, ein Desaster, das zum guten Brauch geworden ist. Griechen gegen Deutsche, Franzosen gegen Briten, Italiener gegen Deutsche, Spanier gegen Portugiesen, Deutsche gegen Ungarn, Polen gegen alle. Ein trauriger Zustand, der den regressiven Rückfall ins Regionale als europäischen Alltag zeigt.

Hinter zugeschlagenen Türen und inzwischen seit zwei Jahren wieder geschlossenen offenen Grenzen lebt Frankreich im Ausnahmezustand, Griechenland im Chapter 11 und Großbritannien im Trennungsjahr. Wo soll das nur hinführen? Was würde Helmut Kohl sagen, der die EU gemeinsam mit François Mitterrand zeugte und sie später zusammen mit Jacques Chirac zur Welt brachte? Wenn er es noch mitbekäme?

Vielleicht "Lasst uns stolz auf Europa sein". Anlasslos. Das zumindest schlägt die renommierte "Zeit" in einem Beitrag vor, der das übliche Clickbait-Prinzip der nur als Ködergründen gestellten Überschriftsfrage auf Artikellänge auswalzt. Zwar verbietet es sich, stolz auf seine - oder auch irgendeine - Herkunft zu sein. So lernen es schon Grundschüler. Aber provokativ nachhaken wird man doch noch dürfen. Schließlich schleppt dieses Europa nicht die Last der Geschichte auf seinen  Schultern, deren Gewicht Deutschland stets bewusst wird, wenn es Fußball- oder Exportweltmeister wird.

"Bist Du stolz, Europäer zu sein?", fragt das Blatt der glühenden Europäerin Marion Gräfin Dönhoff. Zeit wäre es wohl, denn ganz ohne Stolz auf etwas, was man nicht selbst geleistet hat, geht nun doch nicht.

Viel weiter als bis zur Frage aber reicht der Mut der Autorin nicht. Statt einer Antwort folgen  26 weitere Fragen, von "Welche drei Worte fallen dir ein, wenn du Europa hörst?" über "Welche Vorteile bietet dir persönlich die Europäische Union" bis zu  "Wie glaubst du sieht die Europäische Union in 10 Jahren aus? Und in 100 Jahren?"

Hundert Jahre, nicht tausend. Das mag ein Zufall sein. Aber sicher ist das nicht.

3 Kommentare:

  1. Sie müssen wirklich nervenstark sein. Zuerst hören Sie Hunderte von Murkselreden an, dann lesen Sie auch noch pubertäre Artikel in dem zeitgeistverschimmelten Angeberblättchen aus HH. Wollen Sie sich kasteien?

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  2. man muss sich abhärten. und das geht nur durch gezielte kleine überdosen

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  3. Volksgenosse Sauer liest wohl "edleres" (Aus: "Die verlorene Ehre der Katharina Böll" - "...dort las man >edleres<..."), die David-Frankfurter-Allgemeine zum Beispiel.

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