Donnerstag, 15. Februar 2018

Deutsche Medien bei Olympia: Auf nationalistischer Linie

Der Nationalstaat ist zurück. Zurück ausgerechnet in der Phase, in der er abzusterben beginnt, wie es Lenin und Schmidt-Jorzig bereits vor Jahrzehnten gefordert und vorausgesagt hatten. Das "Ende nationalstaatlicher Souveränität" galt seitdem als Voraussetzung und Ziel der Zukunft, nur der immerwährende  Globalismus versprach Arbeit, Wohlstand und Brot für zahllose Familien. Es sollte, so war es in den langen Fluren der EU, denen der "Zeit", der "Süddeutschen" und der "taz" ausgemacht, bald keine Nationalismen mehr geben, die Anlässe schaffen für Egoismen.

Die Nationalisten


Und auf einmal ist alles anders. "Holen Sie die schwarz-rot-goldene Wäsche aus dem Schrank!", gestattet sich die internationalistische "Zeit" eine nationalistische Aufwallung, deren regressiver Gehalt ohne jede kritische Reflexion bleibt. Deutschland, Deutschland, über alles auch beim "Spiegel", der das Aufeinandertreffen der Nationen bei den Winterspielen in Südkorea zu einer Prognose deutscher Siegeschancen nutzt: 2014 sei "mit 19 Medaillen ein Tiefpunkt in der Bilanz" gewesen. Nun solle es wieder aufwärtsgehen: die "Nationalmannschaft", überholt und auf die schutthalde der Geschichte verklappt geglaubt, seit Jogi Löws bunter Kickertruppe nur noch als "Die Mannschaft" aufläuft, trägt nun wieder die Hoffnungen der Heimat, aber auch die der angeschlossenen Funkhäuser.

Eine Volte, die fast vergessen lässt, wie der damalige sozialdemokratische Vordenker Sigmar Gabriel noch vor einem Jahr abgemahnt wurde, weil seine Forderung, "Heimat" als politische Kategorie zu begreifen "zu kurz gedacht" (Spiegel) war. "Der Nationalismus ist weltweit auf dem Vormarsch", raunte es damals aus Hamburg, "falsche Patrioten sind dabei, die offene Weltordnung einzureißen."

Eine Rückkehr zur Nation? Undenkbar in einem Jahr, "in dem Großbritannien formal seinen EU-Ausstieg eingeleitet hat, Trump ins Weiße Haus eingezogen ist, Xi Jinping beim KP-Parteikongress China auf einen stramm patriotischen Kurs getrimmt hat, in Österreich die FPÖ in die Regierung gelangt und in Deutschland erstmals eine Rechtspartei in den Bundestag gekommen ist" (Spiegel).

Wie bei einem Flugzeugunglück


Die Liste lässt sich nun problemlos verlängern. Deutschland bekommt ein Heimatministerium, der "Spiegel" versteift sich in freudiger Erwartung deutscher Siege im Permafrost von Pyeongchang. Arndt Pfeiffer, schon dem Namen nach kaum deutscher denkbar, holt Gold. Rebensburg muss warten, aber Dahlmeier siegt. Dazu das "dritte Holland-Gold im dritten Eisschnelllauf-Rennen" (Stern), hier werden ewiggestrig nicht EU-Medaillen addiert, sondern vom Gebührenfunk Medaillenspiegel gefeiert, die den Gebräuchen "einer rückwärtsgewandten Zeit" (Daniel Schreiber, Die Zeit) folgen, als stünde über dem Kalender 1918.

Sport ist diese letzte Oase, in der auch der Zukunft zugewandte und ideologisch durchglobalisierte Medienhäuser ihren nationalen Ressentiments nachgehen könne. Wie bei Naturkatastrophen und abgestürzten Flugzeugen am anderen Ende der Welt kommt es auf einmal nur noch darauf an, ob Deutsche unter den Opfern Siegern sind. Der Nationalstaat, publizistisch längst überlebt und in einer größeren europäischen Entität aufgelöst, wird für deutsche Medien zu einer legitimen Rückzugslinie. Wo eben noch Hymnen auf die Entstaatlichung, das Wegfallen von Grenzen und Barrieren und die Auflösung der Nation im Allgemeinmenschlichen gesungen wurden, geht es mit einem Schlag wieder um Herkunft, Abkunft, Geburt und Nationalität.

Selbst eine Die koreanische Rodlerin Lim Il Wi interessiert nur, weil sie früher die große deutsche Rodelhoffnung Aileen Frisch war. Dass der Russe trotz Sperre mehr Athleten entsendet als die Heimat des sauberen Sports, sorgt erst im Vergleich für Empörung. Und schlechte Stimmung macht an der Heimatfront, dass deutsche Stars und Experten stocksauer sind, dass der gemeine Südkoreaner unseren Siegen nicht in gebührender Zahl zujubelt.

Das Hemd der Herkunft ist wieder näher als der Rock der gemeinsamen Aufgabe, ein geeinigtes, mit einer einheitlichen Währung, einheitlichem Datenaustausch und einem einheitlichen Finanzhaushalt ausgestatteten Europa zu bauen. Nur deutsche Sieger sind wahre Sieger, nur deutsche Skifahrer, Schanzenhüpfer und Eisläufer sorgen für Quote und Quote ist das überzeugendste Argument für Nationalismus, das Medien kennen.

4 Kommentare:

  1. Ja, aber nur, so er DARF, kann der Michel sein Fähnlein schwingen. – Streng und genau festgelegte Zeitfenster (Olympiaden, bzw. WMs) sind das nämlich, worin das Buntes-Stimm-Vieh Fähnlein an seine Karren schrauben, oder Ti-Schörts mit seinen National-Farben tragen darf. –

    Faschisten, Rassisten, Nazis, Rächstäxträme werden sei indessen tituliert, tun sie das ausserhalb dieser „Erlaubnis-Phasen“, verpönt, versteckt, verschwiegen wird „Schwarz-Rot-Gold“, ohne den gnädigen Katalysator „grosses Sport-Iwent“.

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  2. Auch die Lumpen, die die nationaldeutschen Zuchtsieger tragen müssen, gaben Anlaß zu Kritik.
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    https://www.welt.de/icon/mode/article173455737/Olympische-Spiele-2018-Die-bemitleidenswerten-Outfits-der-deutschen-Athleten.html

    ... die Athleten, die gezwungen sind, den Kram anzuziehen. Es geht hier um die modische Identität eines ganzen Landes. Jawohl. Denn: So kommt Deutschland natürlich nie vom Bürokratie-beigen Image weg. Denn während der olympischen Spiele denken sich alle Fernsehzuschauer weltweit: „Ach, na klar, das sind die Deutschen, man erkennt sie an den Farben, lustig, die sehen ja genau aus wie in dem DDR-Film, den wir in der Schule gucken mussten!“

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  3. Was kümmern mich Staaten? Mein persönlich erstellter Medaillenspiegel umfasst die von den Volksangehörigen gewonnenen, auch wenn sie Liechtensteiner, Österreicher oder Südkoreaner sind.

    In Deutschland und für Deutsche gab es im 20. Jahrhundert über 20 Staaten - vom Kaiserreich über die Räte-Republiken bis zu den Besatzungszonen, anerkannt oder nicht. Dergleichen wird überbewertet, aber das hat (Ablenkungs)-Methode.

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  4. Oh ja, im Sport, da haben sie dem durchglobalisierten, anomischen Pawlow-Ling noch ein letztes Refugium gelassen für solch negativ konnotierte Begriffe, wie „Kampf, Sieg, Niederlage, Konkurrenz, Angriff, Verteidigung, Triumph, Ehre, Ehrung, Aufmarsch, Einmarsch“ etc. etc..- Denn wie sang schon weiland irgend so ein Ironie/Lakonie-tönender Ösi in den 70gern: „Äs läbe dea Spoat, ea holt uns xunt un mocht uns hoat“. -
    Im „Spoat“ darf der multikulti-friedensbewegte Normalo noch seine atavistischen, weggelogenen und/oder weg exorzierten territorialen und identitären Impulse (partiell und symbolisch) so richtig austoben.

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