Mittwoch, 7. Februar 2018

Marquardts Mauerfallfete: Erinnern voller Vergessen


Angela Marquardt hat eine für Karrieristen eigentlich typische Geschichte. Mit buntem Haar das unangepasste Gesicht der Nach-Mauerfall-SED, geriet sie in schweres Wasser, als sich herausstellte, dass ihre fröhliche Geschichte dunkle Flecken hatte. Marquardt, da schon stellvertretende Bundesvorsitzende der zur PDS umgeschminkten Partei, Mitglied des Bundestages und parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion, räumte ein, eine Verpflichtung als Stasi-IM unterschrieben zu haben.

Allerdings sei sie damals erst 15 gewesen und habe nie als Spitzel gearbeitet.

Eine Argumentationslinie, der seit 1990 noch jeder inoffizielle Stasimitarbeiter gefolgt ist. Weiß es nicht mehr, weiß es doch noch, habe aber nie, habe doch, habe dabei aber keinem geschadet. Immer nur zugeben, was irgendwo schriftlich bewiesen ist.  Marquardt bekam von ihren Parlamentskollegen noch bescheinigt, dass sie ein "minderjähriges Opfer" der Stasi gewesen sei. Der Wahlprüfungsausschuss des Bundestages sprach sie zwar nicht frei - wie auch, lagen doch mindestens zwei Spitzelberichte vor - doch er baute "angesichts der beschränkten Beweismöglichkeiten" eine goldene Brücke: Man habe "keine so sichere Überzeugung von einer willentlichen und wissentlichen Zusammenarbeit der Abgeordneten mit dem Staatssicherheitsdienst gewinnen" können, dass "vernünftige Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung einer IM-Tätigkeit ausgeschlossen wären".

Dreimal lesen, einmal nicht verstehen


Ein Satz, den man dreimal lesen muss, um zu verstehen, dass er schlicht besagt, dass Marquardt Stasi-Spitzel war, eine gegenteilige Ansicht aber durchaus nicht völlig unvertretbar sei, weil die meisten Akten verschwunden sind. Nützte nicht. Die politische Karriere war hinüber, der Platz im Parlament passé.

Für Karrieristen aber gilt die alte Devise vom "Niemals fällt man so ganz". Wo das Stasi-Verdikt die Karriere jedes kleinen Hausmeisters und Platzwarts oder jeder Küchen- oder Putfrau in einer öffentlichen Verwaltung beendet hätte - falsche Angaben zur Zusammenarbeit mit dem MfS, belegt durch die aufgefundene Verpflichtungserklärung - war Angela Marquardt schon nach drei Jahren wieder zurück im Geschäft. Nun als Mitarbeiterin der SPD-Bundestagsabgeordneten Andrea Nahles. Kurze Zeit später wurde sie Geschäftsführerin des "Arbeitskreises Denkfabrik" der SPD. Und sie schrieb ein Buch, in dem sie ihren Stiefvater des sexuellen Missbrauchs bezichtigte und noch einmal ihre Erinnerungen ausbreitete, wie sie nichts dafür konnte, dass sie damals mit der Stasi, weil sie doch erst 15 gewesen sei und so weiter.

Es hätte damit gut sein können. Niemand hätte Marquardt je wieder danach gefragt, wie alt sie 1989 war, als die ganze DDR von der Stasi redete, von der nur sie - obschon mit 17 nun sicher kein Kind mehr - damals nie etwas gehört haben will. Niemand hätte an „Was ich bin, was mir stinkt, was ich will“ erinnert, die erste literarische Großtat von Gysis liebster Punkerin. Ein Buch, geschrieben auf dem Höhepunkt der politischen Ambitionen. In dem selbstverständlich nicht einmal eine Andeutung vorkommt, es habe im Leben der engagierten Antifa-Angela aus Greifswald eine Zeit gegeben, in der sie als IM „Katrin Brandt“ Mitschüler an die Staatssicherheit verpfiff.

Treu bis zum letzten Tag


Dabei tat Marquardt, heute engagiert im Beirat im „Bündnis für Demokratie und Toleranz“, das sogar noch im Ende September 1989, als die DDR längst aus den Fugen ging. Die Menschen protestierten auf den Straßen und Demonstranten forderten "Stasi in die Produktion". Marquardt war zu dieser Zeit 18 Jahre alt, sie bekam davon nichts mit. Stasi? Nie gehört. Sie blieb ihrer Sache treu und als die Sache verloren war, begann sie strategisch zu vergessen.

Aus der geplanten DDR-Karriere wurde dann eine in der neuen Bundesrepublik, die Marquardt vom ersten Tag an links außen bekämpfte. Die BRD war aus ihrer Sicht ein Staat, der mit "Nazis" viel zu nachsichtig umging. Marquardt will das ändern, sie sitzt in Talkshows, das bunteste Gesicht des Sozialismus, plauderwillig, entschlossen und keineswegs irritiert davon, dass ringsum immer mal wieder ein Genosse unfreiwillig aus dem Glied treten muss, weil seine Stasi-Akte auf den Markt kommt.


Zum zweiten Mal vergessen


Angela Marquardt tritt so selbstbewusst auf, dass es scheint, als habe sie ihre eigene Geschichte nie erlebt. Eine Taktik, die die heute 46-Jährige inzwischen wiederentdeckt hat. 15 Jahre nach dem tiefen Fall, der die PDS um eine talentierte Politikerin brachte, so dass dort heute die eher wenig unterhaltsame Katja Kipping mit Sahra Wagenknecht um die Macht streiten muss, ist es Angela Marquardt gelungen, schon zum zweiten Mal alles zu vergessen, was die Kindheit eines jeden anderen Menschen vermutlich derart eindrücklich geprägt hätte, dass er entweder stets darüber reden oder dauerhaft davon schweigen würde.

Wer aber Ambitionen hegt, und alles spricht dafür, dass Marquardt den Traum von einer Rückkehr in den Bundestag auf dem Ticket ihrer neuen Partei noch nicht aufgegeben hat, der ist gehalten, anstelle der Wahrheit immer wieder das zu wiederholen, was er dafür auszugeben beschlossen hat. Im Falle Marquardt ist das die Story vom kindlichen Opfer, dass mal was unterschrieben, aber nie etwas getan hat. "Ohne Mauerfall wäre ich wohl eine Denunziantin der Stasi geworden", schreibt die mittlerweile 46-Jährige anlässlich des sogenannten "Zirkeltages" beim Kurznachrichtendienst Twitter.

Eine Formulierung, die natürlich zuallererst nahelegen soll, sie sei das nie gewesen.



10 Kommentare:

  1. Carl GustafFebruar 07, 2018

    Zum Stasispitzel hat es nicht gereicht. Aber Parteikader war in der untergegangenen Republik auch eine ehrenwerte Karriereoption.

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  2. Die Dame war vor allem eine unqualifizierte, selbst- und somit ungerechte Abgeordnete, die sich um andere einen Scheiß scherte. Sie unterschied sich somit dem Augenschein nach ausschließlich durch ihren Hahnenkamm von ihren Artgenossen.

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  3. So, und jetzt wünsche ich mir einen ebenso unsachlichen Report zu IM Erika und zu IM Larve.
    Und vielleicht noch zum HFC.

    ...von PPQ.

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  4. komm. hier ist doch immer alles unsachlich

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  5. Ich finde es erfreulich, wenn es Freiwillige gibt, die über einen unschädlichen Schreibstil wachen. Insofern sei der Genosse Schriftsteller AFP/dpa/sen der WELT positiv hervorgehoben, der sich den folgenden Aphorimus ausgedacht hat.
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    De Maizière nicht mehr im Kabinett

    „Thomas de Maizière bleibt sich treu“, sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Sein sächsischer Parteifreund sei „ein ehrlicher Arbeiter für Deutschland, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat.“
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    So in der Art würde ich mir das Porträt von PPQ auch wünschen. Ein salbungsvoller Stil, der genügend Pomade zur Haarpflege auweist. Oder, um es mit der vollendeten Blödheit eines Arbeiterführers zu sagen: "An die Spitze der SPD gehört nach 153 Jahren eine Frau."

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  6. Es ist immer wieder erfreulich festzustellen, daß es Freiwillige gibt, die über den Schreibstil von PPQ wachen und Besserung einklagen.

    PPQ sollte sich den Schrifteller AFP/dpa/sen von WELT als Vorbild nehmen, der einen denkwürdigen Aphorismus dichtete.
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    De Maizière nicht mehr im Kabinett

    Thomas de Maizière bleibt sich treu“, sagte Kretschmer der Deutschen Presse-Agentur. Sein sächsischer Parteifreund sei „ein ehrlicher Arbeiter für Deutschland, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat.“
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    So in der Art sollte fürderhin auch das Charisma von AM beschrieben werden. Da bleibt dann sogar noch genügend Pomade für's Haarerichten übrig. Oder wie es ein berühmter Arbeiterführe ausdrückte: "An die Spitze der SPD gehört nach 153 Jahren eine Frau." Warum sich das gehört, hat er natürlich nicht verraten.

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  7. der nachruf für den blutbad-im-reichstag-mann wird geschrieben werden, daran führt kein abweg vorbei. seine verdienste um die milliardenlöcher der sachsen lb werden doch sicherlich sonst nirgends erwähnt!

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  8. warum fallen die Stasizecken immer wieder die Jakobsleiter hinauf ?

    wären die Menschen im Lande beunruhigt wenn man im Netz anonym die Vernichtung der Freimaurerei fordert ? oder wäre das oké ?

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  9. @ppq

    Den Blutbader geriecht zur ehre, daß er das für den Reichstag herbeiorakelte Blutbad dann doch noch hat stattfinden lassen. Zwar nicht an deutschen Abgeordneten, dafür an Besuchern. Eines Weihnachtsmarktes.

    Was die Partei beschloß, wird sein.

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  10. Warum die Masonisten gleich vernichten. Eine halbe Pulle Rizinusöl unter Watschen einflößen, und als ausgemachte Scheißkerle nach hause schicken. Hat schon mal einer gemacht ...

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