Dienstag, 13. November 2018

Deutschland first: Asyl-Europameister

Nachkarten, die ohnehin bis zur Dysfunktionalität beschädigte Bundeskanzlerin im Nachhinein trietzen. Jammern, Meckern und Greinen statt endlich mal stolz zu sein, patriotisch stolz, nicht nationalistisch, das ist es, was Medien tun, seit die Alarmglocken zum Abschied von Merkel klingeln und alle zur Tür drängeln, hinter der die Orden für mutigen Widerstand vergeben werden.


Sogar die große Grenzöffnung Grenznichtschließung vom Herbst 2015, Deutschlands weltpolitisch einmalige Humantat, soll jetzt diskreditiert und politisch instrumentalisiert werden. Obwohl die Bundesregierung sich von der einsamen und undokumentierten Entscheidung der Kanzlerinlängst losgesagt und in mehreren Akten tätiger Reue versucht hat, die Ereignisse zumindest in der Wahrnehmung ungeschehen zu machen, scheint nun die Zeit angebrochen, in der jeder alles vorbringen darf gegen die Weichenstellungen jener Wochen, als Deutschland zum Leuchtturm von Mitmenschlichkeit und globaler Wärme wurde.

Die Türen und Tore weit


Die Entscheidung der Bundeskanzlerin, seinerzeit die visums- und teils sogar passfreie Einreise von Millionen Menschen zu gestatten, war damals nicht alternativlos, will die "Welt" aus einem inoffiziellen Dokument herauslesen, in dem das Innenministerium damals unter dem Titel „Möglichkeit einer Zurückweisung von Schutzsuchenden an deutschen Grenzen“ eben das geprüft hatte: Möglichkeiten, Einlassbegehrende nicht einzulassen. Dass es diese Möglichkeiten gibt, war danach sogar der Bundesregierung bekannt. Jedoch habe die hier namentlich nicht genannte Kanzlerin sich dennoch entschlossen, die Türen auf und die Tore weit zu machen.

Eine "politische Entscheidung", die die Kanzlerin genauso treffen durfte wie sie etwa die Entscheidung treffen dürfte, Helgoland an Großbritannien zurückzugeben, um den "Nutzen des deutschen Volkes zu mehren", wie es im Amtseid heißt. In der Geschichte finden sich zahlreiche Präzedenzfälle - so gab Reichgründer Otto von Bismarck einst Luxemburg, das Heimatland der Dynastie der Luxemburger, die vier römisch-deutsche Kaiser gestellt hatte, auf, um einen Zugriff der Franzosen auf das Miniland zu verhindern.

Viele Menschen haben die weltgeschichtliche Klugheit des machiavellischen Winlkelzuges damals nicht verstanden. Und viele verstehen bis heute nicht, wie geschickt Angela Merkel ein bedeutungsloses Fitzelchen deutscher Souveränität aufgab, um Bewegung in die bis dato gelähmt daniederliegende politische Landschaft zu bringen, die Wahlbeteiligung dauerhaft zu erhöhen und den bis dato anämischen Wettbewerb der Parteien um die richtigen Lösungen wieder spannend zu machen.

Opfergang für die Opposition


Ein Opfergang, den die Opposition, die am meisten profitiert hat, Angela Merkel nicht verzeihen kann, weil sie ihn nicht verstehen will. So ruft die FDP, die derzeit droht, zwischen AfD und dem dank Merkels Initiative vor einem Comeback stehenden rechtspopulistischen Flügel der CDU/CSU zerrieben zu werden, nach einem Untersuchungsausschuss, der das - rechtlich zweifellos angebrachte, zulässige und perspektivisch den Nutzen der Deutschen mehrende - Regierungshandeln vom September 2015 untersuchen solle.

Wenigstens steht die Front der kanzlertreuen Truppen, denen die Furcht vor Neuwahlen in einer Situation in den Knochen sitzt, in der die Union jeden dritten gerade erst eroberten Sitz an die Grünen zu verlieren droht. Wie ein Wand baut sich vor Angela Merkel auf, was in den hinteren Reihen der Christdemokratie von der Furcht heimgesucht wird, nach Neuwahlen zurückzufallen ins Prekariat der Landes- und Kommunalpolitiker, gezwungen, bei Merz oder AKK auf Gnade zu hoffen. Ein
CDU-Innenpolitiker Nikolas Löbel, trotz des Vorwurfes, ein Karrierist zu sein, endlich glücklich im Bundestag gelandet, sagte in der "Welt": „Der deutsche Rechtsstaat ist jederzeit in der Lage, seine Grenze zu schützen und polizeiliche Einreisekontrollen durchzuführen." Ein Untersuchungsausschuss zur Migrationskrise sei abzulehnen, weil es sich dabei um „eine typische Forderung der Opposition" handele, die nur der AfD diene.

Die Hinterband als Kanzlerwand


Auch ein Armin Schuster, weithin unbekannter Obmann der Union im Innenausschuss, betont, dass die Grenzöffnung von 2015 "keine überraschend neue Erkenntnis“ sei. Darüber zu reden, sei "rückwärtsgewandt", einen Untersuchungsausschuss brauche es nicht, denn der, so Marian Wendt, Chef des Petitionsausschusses des Bundestages, „bringt uns nicht weiter und nimmt Kraft für das Heute und Jetzt". Entscheidend sei nicht, wie schlimm die Situation gewesen sei, wer sie zu verantworten habe und wie eine Wiederholung verhindert werden könne. Sondern "dass sich die Situation verbessert hat und wir weiter Migration ordnen und steuern.“

Und wie. Seit dem April 2016 halten sich die Zuwanderungszahlen über das Asylsystem nach neuen Rechnungen der "Welt" auf einem Niveau von monatlich zwischen 10.000 und 17.000 Personen. Nach Daten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) kamen seitdem rund zwei Millionen Migranten in Griechenland, Italien, Spanien, Zypern und Malta an, in Deutschland nahm im selben Zeitraum rund 1,9 Millionen Asylanträge gestellt. Deutschland ist damit Asyl-Europameister, weltweit muss sich das Land in der Mitte Europas nur der Türkei geschlagen geben.

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