Dienstag, 11. Juni 2019

Soli-Zuschlag: 30 Jahre hinter der Möhre her


Als er eingeführt wurde, gab sich die Politik noch Mühe, schlüssige Begründungen für das zu finden, was sein musste. 1991 tobte der Golfkrieg, weitab zwar, aber in den Nachrichten kam es ja. Und Osteuropa stand vor der Tür, kommunistisch ausgezehrt, hilfebedürftig. Dazu der deutsche Osten selbst, fremde Weiten mit schrägen Riten und falschem Götterglauben, die es auszuwesten galt. Befristet auf ein Jahr erließ das Bundeskabinett unter Helmut Kohl also den Solidaritätszuschlag in Höhe von 7,5 Prozent der Einkommensteuer. Eine Steuer auf eine Steuer. Viel besser geht es nicht.

Das fanden auch alle folgenden Bundesregierungen. Ab 1995 wurde die einjährige Befristung aufgehoben, erkauft mit einer minimalen Senkung ab 1998 auf nur noch 5,5 Prozent. Dabei blieb es, denn, so die Begründung, die Kosten der deutschen Einheit müssten schließlich irgendwie finanziert werden. Selbstverständlich werden die Einnahmen aus dem Notopfer Ost nicht speziell für diesen Zweck verwendet, dennoch entschied das Bundesverfassungsgericht im September 2010, dass vorübergehend erhobene "Ergänzungsabgaben" auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht befristet werden müssen.

Die Karlsruher Richter solidarisierten sich mit ihrer Entscheidung mit der - seinerzeit gerade schwarz-gelben - Bundesregierung und erklärten die ihnen vorgelegte Frage nach der Verfassungsmäßigkeit einer Steuer auf die Steuer, die vorübergehend dauerhaft erhoben wird, für unzulässig. Eine drei Jahre später vom niedersächsischen Finanzgericht gestellte ähnliche Frage wäzen die Karlsruher Richter mittlerweile im sechsten Jahr, ohne dass eine Entscheidung in Sicht ist.

Das Versprechen, den Solidarzuschlag abschaffen zu wollen, der seit dem Eingreifen der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) gern auch niedliche als "Soli" bezeichnet wird, ist mittlerweile zu einem Teil deutscher Politikkultur geworden. Traditionell nimmt die Zusage, die Abschaffung nun aber angehen zu wollen, breiten Raum in Wahlkämpfen ein, rituelle Bedeutungskämpfe werden allenfalls um den möglichst schwierig zu gestaltenden Weg geführt, wie das geschehen soll. Einfach weg für alle? Ein Ende nur für Arme, die ohnehin nicht zahlen? Oder ein allmähliches Abschmelzen in "elf Raten", wie der frühere Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagen hatte, der nie geboxt hat, aber genau weiß, wie man ankommenden Schlägen durch Mitgehen die Wirkung nimmt.

Die Abschaffung des Soli, der dem Bund bis heute zusätzliche Einnahmen von 331 Milliarden Euro gebracht hat, von denen er nur 262 Milliarden für den Aufbau-Ost ausgeben musste, funktioniert wie die Möhre vor der Nase eine Esels: So weit der auch geht, das begehrte Leckerli ist immer unerreichbare zehn Zentimeter weit entfernt.

Dass die Bundesregierung zuletzt einen Ausstiegsplan verkündet hatte und ein neues Gutachten des Bundesrechnungshofes nun nahelegt, dass der Einstieg in den Ausstieg aus dem Steuerzuschlag noch in diesem Jahr beschlossen werden muss, weil das Bundesverfassungsgericht sonst Rückzahlungen an Steuerzahler anordnen könnte, ist nur eine weitere Windung auf dem Weg zur Verewigung des Zuschlages. Denn die Begründung von Bundesrechnungshof-Präsident Scheller für die Forderung nach einem Ende des Soli ist der  endende "Solidarpakt II" für die Sonderförderung der neuen Bundesländer. Laufe der 2020 aus, entfalle die Rechtsgrundlage für das Notopfer Ost und der im Koalitionsvertrag von Union und SPD vereinbarte allmähliche Abbau des Soli für 90 Prozent der Steuerzahler ab 2021 komme zu spät.

Nun muss eine Begründung her, warum das diesmal nicht gelten darf. Und eine Idee, wie der Soli in neuer Form und mit einem neuen Namen weiterleben kann, zumindest so lange, dass seine Abschaffung im nächsten Wahlkampf noch einmal als großes Ziel zur Zugnummer wird. Angela Merkel denkt noch nach, weiß aber schon, wie es ausgehen wird: "Wir werden auf jeden Fall auch nach dem Auslaufen des Solidarpakts auf die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag angewiesen sein", sagt die Frau, in deren Amtszeit die regulären Steuereinnahmen sich verdoppelt haben, während die Einkommen gerademal um ein Drittel wuchsen.

3 Kommentare:

  1. Wenn ich raten müsste wie es ausgeht, würde ich sagen der Soli wird mit großem Trara abgeschafft. Die Presse belobigt die wirtschaftliche Weitsicht und Großzügigkeit der Regierung. Im Gegenzug führen wir aber, auch unter den Lobpreisungen der Medien, eine klitzekleine CO²-Steuer ein, die niemandem etwas wegnehmen wird, dem Staat aber das doppelte wie der Soli einbringen wird. Am besten mit mit zeitlicher Verzögerung beim Abschaffen des Solis um noch ein paar Jahre doppelt zu kassieren. Das ist dann das Sahnehäubchen.

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  2. Der Soli wird mM nach nicht abgeschafft.

    Das wird die GroKo retten.

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  3. Jodel hat gesagt...

    Aber darauf kannst Du einen lassen. Sehr gut! Statt, wie angedroht, so 650 Bernanke-Shekel pro Monat und Haushalt, "nur" 100 - 150, das bringt uns doch nicht um (bitter auflach), und wir retten den Planeten. Kauft Kämme ...

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