Dienstag, 27. April 2021

Mit dem Entsetzen Scherz: Für einen hilfreichen Humor

Es war seit alters her so: Humor soll helfen, Satire muss die Welt besser machen, Ironie und Scherz dienen einem guten Zweck, sie lassen Menschen lachen, sie trösten und versöhnen. Ein Scherz auf Kosten anderer, da bricht kollektiver Frohsinn aus: Wenn Jan Böhmermann über Ostdeutsche herzieht oder über einen Türken oder die "Heute-Show" zur Einstufung werten und unwerten Lebens schreitet, wenn das Zentrum für Politische Schönheit jüdisches Sterben verhöhnt oder sich die Bundesregierung über den Corona-Winter 2020 lustig macht - es ist hilfreicher Zynismus, Spaß im Dienst der guten Sache. Dann aber der Totalausfall. 

Ohne Prüfung des Bundeshumoramtes

Nun aber haben sich Prominente mit üblen sarkastischen Clips und ohne Vorabprüfung durch das Bundeshumoramt (BHA) gegen die Coronapolitik der Regierung gestellt. Mutmaßlich, denn beim Witz mit doppeltem Boden weiß man nie genau. Wenn es bei Feine Sahne Fischfilet heißt "Nichts ist biegsamer als meine Moral", ist das ernst gemeint oder ein Treppenwitz? Die Medienpsychologin und PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl erklärt, aus welcher dunklen Kellerkammer der bösen deutschen Vergangenheit solcher Humor kommt, warum er nur schadet und wie es besser geht.  

Kurz vor dem Endsieg über Corona so ein Rückschlag. Wir standen wir doch schon so kurz vor dem Triumph! Es war noch eine letzte Brücke zu begehen, noch drei, vier Monate bis zum Impfziel. Wenck war in Sicht, nur noch eine letzte, kurze Offensive. Einmal Arschbacken zusammen. Einmal noch Zuhausebleiben. Zehn oder zwölfmal Anne Will und Maischberger, drei oder vier Coronakabinette, vielleicht noch eine sibirische Mutante und eine aus Kuala Lumpur. Das wäre es dann gewesen. 

Hohn und Spott in Hochglanzbildern

Stattdessen das. Ich muss gestehen, das einigermaßen fassungslos war, als ich dann diese Videos gesehen habe. Hohn und Spott, verpackt in Hochglanzbilder. Lügen, professionell geschminkt. Durchhalteparolen, die mich an die Berichte über Berichte von Hitlerjungen erinnern. Dass die Bundesregierung damals in dem, was sie selbst den "Corona-Winter 2020" nennt, etwas Gutes erreichen wollte, mag so sein. Das kann man auch tun. Das kann man auch als einzelner Mensch oder in einer konzertierten Aktion tun. 

Nur ganz konkret ist diese Aktion für mein Gefühl komplett schiefgegangen. Sie versucht es mit Jux und Satire und zum Teil auch tieferer Bedeutung. Aber als Mensch empfinde ich sie nur als zynisch. Wenn ich daran denke, dass einer ganzen Generation schon mehr als ein Jahr der Jugend verlorengegangen ist, ein Jahr, das wir zu unserer Zeit zum leben, lieben und trinken, feiern und gemeinsam sein benutzt haben, dann habe ich das Gefühl, dass dieser solidarische Gedanke mit Menschen, die nicht so privilegiert sind, wie es - um es mal deutlich zu sagen - sehr viele der Kolleginnen und Kollegen in der Berliner Blase sind, nicht gerade im Mittelpunkt steht. 

Besserwissende Schauspieler

Ja, es ist gut, wenn wenigstens einige Profis in diesen Tagen gute Filme machen dürfen. Wenn schon viele Gastronomen und der Einzelhandel auf dem Trockenen sitzen, sind hier zumindest auch einige Schauspieler beschäftigt worden. Aber hat es etwas genützt? Ging nicht nach den Corona-Winter-Filmen das große Grauen erst los? Die dritte Welle? Der Bundeslockdown im verlängerten und verschärften Wellenbrecher-Lockdown? Der zur Weihnachtsrettung ausgerufen worden war, dann aber auch Ostern nicht rettete? Sterben nicht nach wie vor viele, viele Menschen? Ringen nicht immer mehr auf den Intensivstationen um ihr Leben? 

Angesichts dieser Umstände, muss ich gestehen, kriege ich einen Hals, wenn ich in einem Video von gecasteten Darstellern Geschichten über selbsternannte Helden erzählt bekomme. Dass sich der Drehbuchschreiber vorstellte, dass zu Hause bleiben, Maske aufsetzen und die Oma wochenlang nicht sehen zur Rettung der Welt führt, mag der guten Bezahlung geschuldet sein. Aber beim Gedanken, dass diese Filmchen auch Monate später noch unreguliert im Netz stehen, selbst für Kinder zu sehen. Ich merke, wie mein Puls steigt.

Wozu eigentlich Satiregesetze?

Seien wir doch ehrlich. Ist das nicht alles ein großer Schmu, von wegen, die Leute halten sich dran? Mag sein, dass die Initiatoren diese Videos als ironisch-satirisch bezeichnen und meinen, sie unterstützten die Corona-Politik der Bundesregierung. Ich empfinde sie nur als zynisch, geschmacklos und ich sehe eine nicht einmal nur gespielte Gleichgültigkeit, mit der die Aktion über die Corona-Toten hinweghumort.Wozu haben wir denn das Bundeshumoramt? Die mehrfach überarbeiteten und nachgeschärften Satiregesetze? Das Zynismusverbot? Und die Bundessatirekammer (BSK)? Wenn am Ende doch jeder lacht, wie er will?

Vor meinem inneren Auge sehe ich beim Zuschauen unter Tränen ein anderes Video, das mir unter die Haut ging: Ein schwer kranker Mann hat den Hörer nur kurz am Ohr. Er telefoniert noch einmal mit seiner Frau. Sie sprächen das letzte Mal für einige Wochen, erklärt die Ärztin auf der Intensivstation und fügt hinzu: "Vielleicht für immer."

Der Tod, ein Meister aus Deutschland

Der 60-Jährige muss ans Beatmungsgerät, schon vier Tage später braucht er eine künstliche Lunge. Überlebenschance: gering. Es sind solche Szenen, die den kurzen Internetclips der Bundesregierung mit dem Titel "Besondere Helden" entgegenstehen. Ein Maß an Verhöhnung realer Schmerzen, realer Bedrohungen, das ich für ebenso unerträglich halte wie die als Ersatz für schnelle Impfungen geführte Debatte um schnelle Impfungen. Wie die öffentlichen Verhandlungen über die Rückgabe von Grundrechten an Geimpfte. Statt einfach zu impfen. Oder der demonstrative Gang vor Gericht, um eigene Fehler anderen zuzuschieben.

Humor muss hilfreich sein, Satire muss die Welt besser machen. Ironie und Scherz sollen immer einem guten Zweck dienen, indem sie unser Zusammenleben besser machen, uns miteinander versöhnen und gerade in schweren Zeiten niemanden über den anderen erheben. Unangebracht ist es, mit dem Entsetzen Scherz zu treiben und die Bevölkerung entlang eines Meinungskorridors zu spalten, der ohne diese Spaltung nicht da oder doch wenigstens nicht zu sehen wäre.

7 Kommentare:

  1. Während Danisch das Thema Migrantenverbrechen noch mutig gegen jeden Vertuschungsmainstream propagiert, fällt den feigen Maasregel- und Kahaneknechten hier nix mehr ein, als im panisch voraus eilenden Gehorsam Zensurbefehle umzusetzen.

    Eure Satire soll die Welt besser machen? Wie denn? Etwa durch Kuschen und Unterwerfung? Hilfreicher Humor angesichts brutaler Überfälle? Da lachen nicht mal die dümmsten Hühner. Das ist dann echt ein entsetzlicher Scherz!

    Kümmert euch also besser weiter um linke Wessimister im Osten, denn das sind die Themen, für die zusammengetretene Opfer sich sicher brennend interessieren.

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  2. die welt besser machen? der war gut, danke, mein lacher des tages.

    du bist ein echter lachsack, un ddas sage ich nicht nur so dahin

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  3. @ ppq

    Das luschtige Bonmot war ein Fundstück aus obigem Text, und der stammt nicht von mir.
    Da muss es also wohl noch einen anderen viel echteren Lachsack geben, der dir als spaßiger Hofnarr den Tag erhellt.

    Wie wäre ein ulkiger Blick in die Redaktion oder gar in den Toilettenspiegel? Und das sage ich nicht nur so dahin.

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  4. zynismus verstehen sind zwei verschiedene dinge

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  5. @ ppq

    Aber klar doch, verstehe, bei Bedarf ist im Nachhinein immer alles Satire oder wie in diesem Fall sogar Zynismus.

    Die übliche faule Ausrede bei faulem Zauberer der Weiß-Schreiber aber Schwarz-Meiner.

    Vermutlich Überbleibsel der langen ostzonalen Diktaturerfahrung, nicht sagen zu dürfen, was man denkt.

    Darum erteile ich euch Absolution, denn ihr wisst nicht, was ihr tut.

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  6. @Lachsack

    Ich dächte, PPQ hat sich bis dato jeden Text vom Bundeshumoramt genehmigen lassen und nichts ohne deren Einwilligung publiziert. Wenn die ihr okay geben, ist alles in Ordnung.

    Ich, der ich ja als Ossi auch angesprochen bin, scheiße auf die erteilte Absolution. Erstens bin ich unreligiös, areligiös, antireligös und zweitens weiß ich, was ich tue.

    Danke trotzdem für die feinfühligen Worte und das zum Ausdruck gebrachte Mitgefühl. Vermutlich haben sie zu viel Titanic gelesen und die TAZ als Nachspeise. Gute Besserung.

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  7. @lachsack herzlichen dank. ich bin froh und glücklich, dass es in diesem lande wenigstens noch ein paar menschen gibt, die einerseits das wissen und die erfahrung haben, den gang der dinge wirklich zu durchschauen, sich andererseits aber überhaupt nichts vormachen lassen von leuten, die kleine begleittexte zum zeitgeschehen meinen schreiben zu müssen. besonders schätze ich ihre großzügigkeit, in diesen textwüsten womöglich immer wieder vorkommende abweichungen von dem, was sie selbst geschrieben hätten, ohne viel gewese zu verzeihen und den ostdeutschen, die noch so viel lernen müssen, voller empathie absolution für ihr versagen zu erteilen.

    eines tages möchte ich auch so sein. aber ja, ich weiß, allenfalls meine kindeskinder können das erreichen

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