Freitag, 17. Juni 2022

Deutschlands schwerste Waffe: EU-Dreirad macht Tempo

Kümram Scholz Macron Kiew
Schulter an Schulter, so sieht der junge Maler Kümram die EU und die Ukraine nach dem Kiew-Besuch der neuen Dreier-Achse plus Rumänien.

Er zierte sich, er hielt sein Pulver trocken, er war entschlossen, erst in das Ringen weit im Osten einzugreifen, wenn die Zeit reif ist nicht nur für einen schönen Fototermin mit Splitterschutzweste, aber, wegen der empfindlichen Frisur, ohne Helm. Deutschland Bundeskanzler Olaf Scholz ist hundert Tage nach der ersten Bitte der Ukraine um die Lieferung von Schwerenwaffen persönlich nach Kiew gereist. Mit Verstärkung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi rechtfertigte Scholz die gemeinsame europäische Haltung, eher auf symbolische Unterstützung zu setzen als selbst mit Nachdruck in den Krieg einzugreifen.  

Tempo auf der Dreier-Achse

Mitgebracht hatte die "neue Dreier-Achse der EU" (Die Welt), eine Art Nostalgienachbau des legendären Wehrmachtsdreirads "Tempo G 1200", den Vorschlag, der Ukraine den Status eines EU-Beitrittskandidaten zuzusprechen. Scholz sprach sich dafür aus, gleich auch noch die benachbarte Republik "Moldau" (Spiegel) - offiziell Moldova - zum Beitrittskandidaten zu ernennen. Frankreich unterstütze das, sagte Macron. Mario Draghi hatte daheim herumgefragt und teilte nun mit, dass Italien das Land als Teil der EU sehen wolle - ob er die Ukraine meinte oder Moldova, blieb allerdings unklar. Der rumänische Präsident Klaus Johannis war auch dabei, wen er aufnehmen will, blieb unerwähnt. Rumänien ist ja auch sehr klein.

Ein geschickter Schachzug, der nichts kostet und jede Menge Zeit für das Warten auf eine Entscheidung an der Ostflanke bringt. Die Türkei etwa ist seit mehr als 22 Jahren Beitrittskandidat, das ist Weltrekord. Aber auch Montenegro, Nordmazedonien, Bosnien, der Kosovo, Serbien und Albanien haben eine lange Beitrittsperspektivengeschichte: Nordmazedonien zum Beispiel erhielt im Dezember 2005 den Status eines Beitrittskandidaten, EU-Kommissionspräsident war damals José Manuel Barroso, deutscher Kanzler Gerhard Schröder, in Frankreich regierte Jacques Chirac und in Italien führte der unvergessene Silvio Berlusconi die Regierungsgeschäfte. 

Keine Panzer im Gepäck

So lange her, so schöne Zeiten. Die EU, am 1. November 1993 in Masstricht offiziell gegründet, schaute auf Jahrzehnte voller Frieden zurück, die sie pränatal bereits seit 1947 bewirkt hatte. Die Menschen erfreuten sich einer Währung, mit der ein US-Dollar billiger war als einmal Einkaufwagenpfand. Albanien wurde erst elf Jahre später Beitrittskandidat, ist das aber nun auch schon acht Jahre. Mit Serbien wird seit neun Jahren über den Beitritt verhandelt und Bosnien-Herzegowina, der Kosovo und Montenegro bekamen ihre weiterhin stabil bestehende "Perspektive eines Beitritts zur Europäischen Union" - so ist es ja nicht - zuletzt im vergangenen Jahr noch einmal fest in die Hand versprochen.

Nun also die Ukraine und Moldova, irgendetwas musste das Trio ja mitbringen, wenn schon keine Panzer, Haubitzen und Jagdflugzeuge ins Gepäck gepasst hatten. Das ist "eine Frage der europäischen Glaubwürdigkeit", sagte Olaf Scholz, auf dessen Besuch in Kiew die deutschen Medien in den zurückliegenden Wochen gewartet hatten als werde ein Fronteinsatz des ehemaligen Zivildienstleistende und heutigen Oberbefehlshabers der deutschen Streitkräfte das Kräftemessen mit Russland zweifelsfrei entscheiden.

Verantwortung in Glaubwürdigkeitskrise

Über Deutschlands Verantwortung für die russischen Kriegsvorbereitungen besteht längst kein Zweifel mehr, aber auch die deutsche Verantwortung für einen russischen Rückzug rückt mehr und mehr in den Mittelpunkt der internationalen Aufmerksamkeit. Olaf Scholz hat die Glaubwürdigkeitskrise, in der er stellvertretend für die schon früher an Bundesregierungen beteiligten Walter Steinmeier und Angela Merkel steckt, zuletzt zusehends nachgiebiger kommuniziert: Er gab nach, wo er musste, er versprach, was er konnte, und hielt, was er wollte. Das Beitrittsversprechen bringt nun weitere wertvolle Jahre, in denen die vielen alteingesessenen Beitrittskandidaten und Beitrittskandidatenkandidaten quertreiben können, frühere beinharte Konvergenzkriterien aufgeweicht werden und die Kopenhagener Kriterien einer gründlichen Remedur unterzogen werden müssten.

Irgendwann dann, spät im Jahr, wenn die EU klimaneutral ist oder doch schon untergegangen, ist es dann wie in der alten Legende vom zum Tode verurteilten Mann, der seine König bittet, ein Jahr weiterleben zu dürfen. Dafür werde er dem Pferd des Königs das Singen beibringen. Der neugierige König willigt ein, droht dem Häftling aber einen besonders grausamen Tod an, wenn er sein Versprechen nicht erfüllt. Als ein Mithäftling den Todeskandidaten fragt, warum er sich auf diesen verrückten Handel einlasse, sagt er: "In einem Jahr passiert viel. Vielleicht stirbt der König. Vielleicht stirbt das Pferd. Vielleicht sterbe ich. Und vielleicht lernt das Pferd sogar singen."

Das Wehrmachtsdreirad "Tempo G 1200" schaffte übrigen 80 km/h Höchstgeschwindigkeit auf gerader Strecke.

3 Kommentare:

  1. Eine unironische, positive 'Dreier-Achse'. Diese historische Kontiniutät von Dreierachsen (früher Deutschland, auch schon Italien, und Japan) freut den Nostalgiker. Die alte Achse konnte freilich weit überzeugender argumentieren als die heutige.
    Der Tempo G1200 hatte übrigens 4 Räder. Tempo hatte aber lange Zeit populäre Dreikantfeilen im Programm (z.B. A400).

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  2. Die unheilige Dreieinfaltigkeit Europas stattete vermutlich auf Befehl des US Deep States gehorsam seinen Solidaritätsbesuch im friedlichen Kiew ab, das sie gefahrlos hunderte Kilometer per luxuriösem Sonderzug erreichen konnten, obwohl der Iwan die Ukraine ja bereits schlimm zerfetzt haben soll.

    Dass Russland bisher fast nur im von der Ukraine seit vielen Jahren schikanierten Donbas agiert, um Russen vor Massakern der Ukrainenazis zu retten, kommt in den Westwertemedien nicht vor. Zu sehr zwingt ihr Kadavergehorsam sie als Propagandatröten an die Seite von Nato Big Brother USA, der gegen den Machtkonkurrenten Russland kämpft und nebenbei auch noch die Wirtschaft in der EU ausschaltet. Mit Sanktionen zwingt man vor allem die sanktionierenden Völker in neue Sparsamkeit bzw. Armut. Unsere Regierenden leisten diesbezüglich also weisungsgemäß ganze Zerstörungsarbeit und verdienen darum ihren Judaslohn, die Diäten und Zusatzgeschenke.

    Aber die Millionen diplomierten Weiter-so-Schwachköpfe kapieren es nicht, solange Fußball und Trallala in der Glotze flimmern. Dann fühlt der Piefke sich seinem Endsiegparadies nämlich schon sehr nahe. Und jetzt ist erstmal Ferien- und Urlaubszeit, da hat man ganz andere Prioritäten als Preisexplosion, Nahrungsmangel und Winterkälte im Kleinhirn. Jetzt dreht sich wieder alles darum, mit dem, was man sich leisten kann, hinterher im Büro angeben zu können.

    Was für erbärmlich primitive Nacktaffen die doch sind, die sich einbilden, durch High Heels und Krawatten zu edlen Gotteskindern zu werden.

    Kronen der Schöpfung?
    Ja, beim lügen und betrügen.
    Besonders sich selbst.
    Das Kaisers neues Kampfkleid ist aber auch wirklich besonders schick.

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  3. Und bei ihrem Besuch in Odessa dachte ich noch, Deutschlands schwerste Waffe sei Claudia Roth.

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