Samstag, 19. September 2020

Angela Merkel: Geschichte eines Kunstwerks

Gemälde Kanzlergalerie
Wenn Kümram malt oder zeichnet, dann immer nur ein Motiv: Angela Merkel. Doch der Maler weigert sich, von Liebe zu sprechen.

Es sollte eigentlich nur als Illustration eines Nachrichtenbeitrages dienen, damals im Februar, als sich Annegret Kramp-Karrenbauer nach der Niederlage gegen Angela Merkel im Weisungskampf um Thüringen eingeschnappt von der CDU-Parteiführung zurückgezogen hatte und die letzte deutsche Volkspartei in eine Sinnkrise stolperte.

Streit und Hader bestimmten die Atmosphäre an der Parteispitze, der Diadochenkampf der Egomanen, allesamt Männer, brach aus und spaltete eine ohnehin zerrissene Partei weiter. Angela Merkel schien für einen langen Moment lang erneut als das einigende Band, das die widerstreitenden Kräfte der Zerstörung in der CDU bannen kann. Sie, die beliebteste Politikerin der Deutschen, hätte es zweifellos vermocht, auch dieser unguten Entwicklung mit ein paar beherzten Worten voller Optimismus ein Ende zu bereiten.

Doch es war dann nicht der aufrüttelnde Text, der für Aufsehen sorgte. Sondern allein das Bild, das die PPQ-Fotoredaktion aus dem üblichen Überangebot der Agenturen als Illustration herausgesucht hatte. Ein Mann, sichtlich dankbar, küsst eine von begnadeter Hand gefertigte Zeichnung der Kanzlerin - was für ein Motiv, welche Tiefe,welche Stärke, so lauteten einige der Zuschriften, die nach der Veröffentlichung in der Redaktion eingingen.

Es war dann PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl, die sich aufmachte, den Küsser zu finden, um ihn über seine Gefühle zu befragen. Und die von dem jungen Mann schließlich weitergeschickt wurde zu einem Künstler, der kein Hehl aus seiner Aufgabe macht: Severin Jagenberg, der sich als Maler eigentlich "Kümram" nennt, malt und zeichnet seit sieben Jahren ausschließlich Bilder der Bundeskanzlerin.

Mit diesem Bild eines Mannes, der eine Kümram-Zeichnung dankbar küsst, begann es.
"Eine Mission nennt er es selbst, die ihn "gerufen" habe, ohne dass er wusste, was ihm geschah", berichtet Prantl aus ihrer Begegnung mit dem Maler, Zeichner und Illustrator. Kümram weigert sich eigentlich, mit Medien zu sprechen, er ist misstrauisch, fühlt sich falschverstanden und falsch interpretiert.  "Was er mit erzählt hat, geschah unter dem Siegel absoluter Verschwiegenheit", berichtet Svenja Prantl, die sich unter dem Vorwand, einige großformatige Werke kaufen zu wollen, ins sauerländische Atelier des Meisters von Pinsel, Feder und Stift schlich.

Dort sah sie "die meisten Merkel-Bilder meines ganzen Lebens" (Prantl), beeindruckende große Arbeiten in Öl, Pastellfarben und Kohle, aber auch Drucke und Holzschnitte. Sogar kleine Skulpturen fertige Kümram, aus Kupfer zumeist, manche aber auch aus Gips und Brotteig. "Beeindruckend ist, dass man bei allen stets seine Handschrift erkennt", sagt Svenja Prantl, "es hat klare Linien, ist aber auch verspielt und zeigt immer die tiefe Sympathie des Künstlers für sein Werk."

Dieses Moment tief innewohnender Menschlichkeit ist es wohl auch, das den Erfolg des monothematischen Malers ausmacht. Niemand kann sich so gut in Angela Merkel hineinfühlen wie der gebürtige Thüringer, niemand kennt die kleinen Lachfältchen, den Bogengang der Oberlippe und den Fall der Kanzlerfrisur so genau wie der 58-jährige Meisterschüler von Walter Janus, dem während der Sowjetjahre in Ungnade gefallenen führenden Vertreter des realpolitischen Zeichenwesens.

Fotos als Vorlage braucht Kümram so wenig wie spezielle Modell-Sitzungen der vielbeschäftigten Kanzlerin. "Ich habe ihm zuschauen dürfen, wie er ein Ölgemälde grundierte", berichtet Prantl, "und das dauerte bei ihm keine Stunde."

Schon nach dieser kurzen Zeit habe man deutlich spüren können, dass da ein neues Meisterwerk der Kanzlermalerei entstehe. "Dennoch ist Kümram bisher noch nicht gefragt worden, ob er das Merkel-Bild für Kanzlergalerie im Bundeskanzleramt liefern wolle", schüttelt Kunstkennerin Prantl den Kopf.

In dieser Ausstellung im ersten Stock des Bundeskanzleramtes sind alle bisherigen Bundeskanzler mit einem Gemälde verewigt. Konrad Adenauer wurde von Hans Jürgen Kallmann gemalt, das Gemälde Willy Brandts erstellte der Düsseldorfer Maler Oswald Petersen, Helmut Schmidt wurde vom ostdeutschen Maler Bernhard Heisig porträtiert und Gerhard Schröder ließ sich von Jörg Immendorff malen. "Man merkt schon, das sind alles Männer", kritisiert Svenja Prantl, "Kümram wäre also ein idealer Kandidat, diese lange Reihe fortzusetzen." Das Signal dazu müsse jedoch aus dem Kanzleramt kommen. "Ich glaube, Kümram wäre bereit."

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