Mittwoch, 14. Mai 2025

Triumph des Gemeinsinnfunks: Von wegen Lügenpresse

Lange verbreitete die ARD die krude These von den nur zeitweise von Polen verwalteten Ostgebieten. Doch dem Grundvertrauen der Deutschen in ihren Gemeinsinnfunk hat das nicht geschadet.

Beharrlich zeigten sie eine Wetterkarte in den deutschen Grenzen von 1937, als die DDR-Regierung die Oder-Neiße-Friedensgrenze stellvertretend für alle noch irgendwann folgenden deutschen Regierungen für immer festgeschrieben hatte. Für die ARD aber galt noch bis in die frühe Neuzeit unumstößlich, dass Deutschland Schlesien und Pommern nicht aufgeben werde.  

Der Pole werde eines Tages einlenken, diese Botschaft wurde Abend für Abend in die deutschen Wohnzimmer verklappt. Zumindest, bis das vollkommen unabhängig agierende Erste Deutsche Fernsehen aus der Bundesregierung ein klares Zeichen bekam: Als Helmut Schmidt ins Kanzleramt einzog, konnte sich Polen im deutschen Fernsehen nicht mehr über die Wetteraussichten informieren. 

Auf Basis  der Beschlüsse

Geschmeidig hatte sich das Fernsehen den Umfeldbedingungen angepasst. Und es blieb dabei. Selbst als mit Helmut Kohl der Hohepriester der geistig-moralischen Wende die Geschäfte übernahm, blieb die ARD hart und die Karte auf West- und Ostdeutschland beschränkt - die Ossis mussten für den Service nicht einmal bezahlen. 

Das wirkt nach, das hat den beiden Gemeinsinnsendern eine Glaubwürdigkeit verschafft, die selbst gelegentliche kleine Brüche nicht beschädigen kann. Einer neuen Studie der Universität Mainz zufolge jedenfalls ist die große Vertrauenskrise zwischen den Deutschen und ihren öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten beendet. Nach der repräsentativen Befragung ist das Vertrauen der Menschen in die Medien ist in Deutschland nach Jahren grummelnden Unmuts wieder kräftig gewachsen. 

Vielbeklagter Vertrauensverlust

Die Ergebnisse bestätigen eine These des renommierten Medienforschers Hans Achtelbuscher, der bereits zu Anfang des Jahres herausgearbeitet hatte, dass allein die breiter gewordenen Ränder für den vielbeklagten Vertrauensverlust verantwortlich sind. In der Mitte hingegen, so sagte der Entropieexperte, werde einfach "weniger hingeschaut".

Die Ergebnisse der aktuellen Studie aber gleichen beinahe schon einem Triumph. War das Vertrauen in einheimische Medienhäuser 2017 noch so hoch wie "seit über 15 Jahren nicht", zeigen die Zahlen jetzt, dass es von dort aus weiterhin steil nach oben ging. 

Sagenhafte Daten

Sagenhafte 83 Prozent der Deutschen bewerten die Qualität des Informationsangebots der Medien in Deutschland als gut oder sehr gut, so konnten die Demoskopen von Infratest dimap für den WDR herausfinden. 61 Prozent der Deutschen halten die durch die Leitmedien verbreiteten Informationen generell für glaubwürdig, egal, um welches Thema es geht. Nur 22 Prozent finden die Qualität zwar gut, den Inhalt aber zweifelhaft.

Das ist eine bemerkenswerte Steigerung um fünf Prozentpunkte gegenüber der letzten Erhebung im Oktober und November 2023. Hält der Trend, wird der letzte "Lügenpresse"-Ruf noch vor der Vollendung des Braunkohlenausstiegs verstummt sein. Besonders davon profitieren dürften die öffentlich-rechtlichen Angebote, die seit dem Bekanntwerden des Framing Manuals zur gezielten Lobbyarbeit in der Öffentlichkeit immer wieder mit schweren Vorwürfen von Nepotismus, Milliardenverschwendung und einseitiger Berichterstattung konfrontiert wird.

Skepsis trotz Demokratieabgabe

Bis in die Senderspitzen reichen Versuche, mit Fake News Stimmung zu machen. Selbst aus einigen   demokratischen Parteien kommen Forderungen, das Jahr für Jahr mit fast zehn Milliarden Euro aus einer eigens eingeführten "Demokratieabgabe" (Jörg Schönenborn) gefütterte System müsse grundlegend reformiert werden, vor allem aber gesundschrumpfen. Gar nicht! 67 Prozent der Bürgerinnen und Bürger halten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk für unverzichtbar. 

Das ist ein Anstieg um drei Prozent und er beschränkt sich keineswegs auf die Anhänger der Parteien, die die Rundfunkräte traditionell mit ihren Mitgliedern bestücken, wenn auch seit einschränkender Urteile des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr direkt und unverblümt mit lauter altgedienten Parteisoldaten, sondern nun schon gefühlvoll mit handverlesenen Vertretern der Zivilgesellschaft.

Ganz starke Mehrheit

Eine starke Mehrheit über fast alle Parteilager hinweg goutiert dieses Bemühen, alles in der Hand zu behalten, ohne die Verfassungsrichter direkt zu brüskieren.Unter den Anhängern der Grünen sind 92 Prozent, bei CDU/CSU 78, bei der SPD 76 und bei der Linken 68 Prozent zufrieden mit dem, was für 18,36 Euro im Monat geboten wird.

Wie so häufig scheren nur die Anhänger der derzeit gesichert rechtsextremen AfD aus: In der Partei, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz aus prozessualen Gründen im Moment gerade nicht als erwiesen gesichert rechtsextrem bezeichnet wird, könnte nur jeder Fünfte aus die 99 Sender und Senderchen der Grundversorgung verzichten. Die übrigen schauen nicht hin oder tun es doch, aber glauben nichts.

Natürlich ist das ein Ostproblem. Vor allem Ältere haben in den Jahren der DDR gelernt, den vom Staat gelenkten und geleiteten Medien grundsätzlich zu misstrauen. Wahr war allenfalls, was im Westfernsehen kam. Mittlerweile aber haben viele Ostdeutsche ihre Skepsis ins neue Leben im demokratischen Westen mitgenommen: Statt ARD und ZDF weiter bedingungslos zu trauen wie früher, kommentieren sie Sendungen mit Georg Restle, Jan Böhmermann und Anja Reschke in den sozialen Netzwerken häufig mit Häme und verbotenem Hohn. 

Gegensteuern mit dem Raben

Längst hätte die Zivilgesellschaft gegensteuern wollen. Doch Bemühungen des ZDF, mit einem eigenen sozialen Netzwerk für Abhilfe zu sorgen, wurden schon vor Monaten aufgegeben. Das sogenannte "Projekt Raven", ursprünglich gemeinsam mit öffentlich-rechtlichen Anstalten aus Kanada, der Schweiz und Belgien als Alternative zu X angeschoben, scheiterte bereits vor dem Aufruf des früheren Bundeswirtschaftsministers Robert Habeck, das "nächste Google, das nächste X" in Europa zu erfinden.

Vielleicht braucht es aber nun doch gar keine neuen Millioneninnovationen für mehr saubere Diskussionen über Leitmedieninhalte mehr, weil sich Qualität nun offenbar doch von allein durchsetzt. Nach Jahren, in denen das Vertrauen in Institutionen und Medien in Deutschland insgesamt schwankte, geht es endlich wieder aufwärts.

Die etablierten Medien werfen den Druck ab, unter dem sie lange standen. Demonstrationen, bei denen Teilnehmer vor drei, vier Jahren noch regelmäßig "Lügenpresse" skandiert wurde, finden kaum mehr statt. Online-Foren werden mit deutlich weniger aggressiven Kommentaren geflutet, seit die EU scharfe Maßnahmen gegen den Missbrauch der Meinungsfreiheit durch falsche Ansichten verhängt hat.

Erste Adresse für Verschwörungstheorien

Auch das mag geholfen haben, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder als erste Adresse für verlässliche Verschwörungstheorien zu etablieren. Den 151 Sendern der beiden großen Gemeinsinnanstalten schenken mehr als die Hälfte der Deutschen Vertrauen (55 Prozent, plus zwei Prozentpunkte).

In Westdeutschland sind es sogar 58 Prozent, die großes oder sehr großes Vertrauen bekunden, während im Osten nur 41 Prozent zu ihren Öffentlich-Rechtlichen stehen. 54 Prozent räumen hier offen ein, dass sie sich noch nicht wieder überzeugt fühlen und in den 253 Sendern von ARD und ZDF noch nicht wieder das ganz "große gesellschaftliche Kapital" (Jörg Schönenborn) sehen wollen.

Immerhin: Anderen staatlichen Institutionen geht es noch deutlich schlechter. Dem Bundestag vertrauen nur 37 Prozent der Bürgerinnen und Bürger, der - inzwischen ausgeschiedenen Bundesregierung 29 Prozent und den politischen Parteien, aus denen sich beide zusammensetzen, sogar nur 20 Prozent. Auch hier sind die Vertrauenswerte im Osten größtenteils niedriger als im Westen", heißt es in der Studie, die beim auftraggebenden WDR für große Freude gesorgt hat.

Das Volk immer noch ernster nehmen

"Das Vertrauen in Medien in der Bundesrepublik ist beachtlich, gerade im internationalen Vergleich. Wichtige Säule des Vertrauens ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk", analysierte Jörg  Schönenborn. Ein wenig traurig zeigte sich der WDR-Programmdirektor nur über den Umstand, dass der Sendeauftrag noch besser erklärt werden muss. 

Man müsse "sehr ernst nehmen, dass Menschen, die radikale und extreme Parteien wählen, uns und unsere Arbeit seit einigen Jahren zunehmend kritisch sehen", sagte der bekannte Wahlmoderator, der schon in der "wirren Integrationsdebatte um Thilo Sarrazin" (Sauerland-Kurier) gefordert hatte, den "Stil zu überdenken und das Volk ernster nehmen".

132 Prozent sind zufrieden

Die 324 öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Radiosender haben seiner Warnung gut zugehört und sie umgehend umgesetzt. Jeweils gut zwei Drittel halten die Berichterstattung von ARD und ZDF "über aktuelle Krisen und rund um die Bundestagswahl für gut oder sehr gut" - das macht zusammen 132 Prozent. Abgesehen vom Narrensaum am linken und rechten Rand, wo AfD- als auch BSW-Anhänger sich das DDR-Fernsehen oder aber den guten alten Reichsrundfunk zurückwünschen, bewertet eine Mehrheit der Deutschen die Berichterstattung der Medien in Deutschland als glaubwürdig. 

Ein Sorgenkind der Traditionssender sind allerdings die jungen Menschen, die eines Tages die gesamte Gebührenlast werden tragen müssen, die heute noch von den Boomern geschultert wird. Ausgerechnet die nachwachsende Generation ignoriert nicht nur die etablierten Hauptnachrichtensendungen im linearen Fernsehen, obwohl die inzwischen in höchster Auflösung angeboten werden. Sie boykottiert auch die eigens für sie geschaffene Grundversorgungsinfrastruktur im Netz

Ungeprüfte Plattformen

Stattdessen weichen die Betroffenen auf andere, ungeprüfte Plattformen aus, vertrauen den Quellen, die sie dort finden, aber noch weniger als den 511 streng von Rundfunkräten kontrollierten Anstalten. Auffllend, aber sicher Zufall: Nicht nur mit Blick auf Krisen und Wahl, auch bei Fragen der Glaubwürdigkeit oder Ausgewogenheit landet die Plattform TikTok in der Befragung durchgängig auf dem letzten Platz, obwohl dort Größen wie Olaf Scholz und Heidi Reichinnek Hunderttausende Follower mit Nachrichten aus erster Hand versorgen.

3 Kommentare:

  1. Passend (Vahrenholt c/o Achse):
    Durch Satellitenmessungen ist der Rückgang des arktischen Meereises bis 2012 gut dokumentiert, aber ebenso die anschließende Stabilisierung und leichte Erholung.
    ...
    Diese eindeutigen Messdaten hinderten die Tagesschau am 28. März 2025 nicht daran, zu berichten, dass sich der Rückgang des Meereises fortsetzt, ... . Und für solche Falschinformationen, die offenbar politischen Zwecken dienen, ...


    Im Gegensatz zur Tagesschau hat Vahrenholt eben nicht das Große Ganze im Blick (das Investorenwohl).

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    1. Vahrenholt gehört zu der Fraktion: Klimaschutz ja, aber sooooo doch nicht. Der Herr kann mich.

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  2. OT anonymer Onlinenazi vs Neger in der Werbung

    Usain Bolt macht Werbung für die Kurzwasch-Magie des Markenwaschmittels Coral.
    Das ist dann schon wieder witzig. Ich hoffe, er hat ihnen eine Million abgeknöpft.

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