Donnerstag, 10. Juli 2025

Flucht vor der Verantwortung: Racketes Marshmallows

Carola Rakete Kümram Ölgemälde
Carola Rackete: Die linke Spitzenkandidatin zur EU-Wahl hat jetzt zugegeben, dass sie nie vorhatte, ihre Wahlkampfversprechen einlösen zu wollen. 

Vor der Wahl wird das eine gesagt, danach das andere getan. Daran sind Wählerinnen und Wähler seit Jahrzehnten gewöhnt. Für Politiker ist beinahe jeder Spruch, jede Parole und jedes Versprechen zulässig, wenn dadurch das Ziel näherrückt. Näher zur Macht, ran an die Fleischtöpfe der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung, die Linke, Rechte und Liberale gern für andere schultern. Getrieben vom Bewusstsein, die Welt zu einem besseren Ort machen zu können, sind sie sich gewiss, dass der Einzug in ein Parlament nur die erste Stufe der Berufung ist. Die zweite ist ein Regierungsamt, aus dem sich die Wirklichkeit direkt gestalten lässt.

Fall aus dem Olymp 

Ob sie will oder nicht, sie muss. Bei Annalena Baerbock und Robert Habeck war zu besichtigen, wie der Hase läuft. Doch später war auch zu sehen, wie tief der Fall aus dem Olymp des Außenamtes und vom Feldherrenhügel des Klimawirtschaftsministeriums ist, hat der Wähler erst entschieden, mit den Ämter andere Personen betrauen zu wollen. Enttäuscht von der Aussicht, von ganz vorn im Bundestag auf eine Hinterbank abgeschoben zu werden, ergriff Annalena Baerbock die erste Gelegenheit, sich im Ausland nach einer neuen Stelle zu suchen. Ihr Bundestagsmandat gab die frühere Außenministerin nach ihrem Umzug in aller Form auf.

So weit ist es bei Robert Habeck noch nicht. Doch auch hier deuten alle Zeichen auf Abschied. Mehrfach hat der krachend gescheiterte "Bündniskanzler" die Reaktionen auf seine Idee getestet, Deutschland ebenfalls zu verlassen, enttäuscht, vergnatzt und desillusioniert. Es kam kaum Kritik, wenige nur versuchten, den 55-Jährigen davon abzuhalten, sich aus der Politik zurückzuziehen. Aus seiner Partei kamen gar keine Rufe, es sich doch noch einmal anders zu überlegen. Und schon gar nicht kamen Angebote, irgendwo vor in der ersten Reihe weiter eine Rolle zu spielen. Obwohl die derzeit so traurig besetzt ist wie seit den Jahren von Gunda Röstel und Antje Radcke nicht mehr. 

Gastprofessor mit Bundestagsmandat 

Habeck hatte auf Zuspruch gehofft, der ausblieb. Der Ex-Minister, inzwischen im Rang eines einfachen Abgeordneten, verstand die Signale. Nach ersten Andeutungen, er wolle in Trumps Amerika neu anfangen, soll es nun Dänemark sein. Am Institut für Internationale Studien in Kopenhagen will der studierte Philosoph künftig arbeiten, auch "Gastprofessuren an verschiedenen außereuropäischen Universitäten" strebe er an und freiberuflich will er sich als "Redner zu verschiedenen Anlässen" anbieten, etwa als Gastgeber eine Gesprächsreihe unter dem Titel "Habeck live" am Berliner Ensemble

Noch nicht endgültig entschieden hat Robert Habeck, ob er sein Bundestagsmandat behalten will oder ob er seine politische Karriere in einem Alter beendet, in dem Friedrich Merz nur noch 15 Jahre vor seinem Eid als Bundeskanzler stand. 

Bei Carola Rackete lag der Fall immer schon  anders. Als die aktivistische Kapitänin sich vor zwei Jahren von der Linkspartei als Spitzenkandidatin zur EU-Wahl aufstellen ließ, war das Unternehmen eines auf Zeit. Die frühere SED wollte ihre Altlasten abschütteln, indem sie die ostdeutschen Rentner verschreckt, und zugleich vordringen in die hippen sozialismusaffinen Kreise der Kinder des westdeutschen Bioadeadels, denen die Grünen nicht radikal genug sind. Mit 2,7 Prozent der Stimmen, nicht einmal halb so viele wie fünf Jahre zuvor, bewies Rackete, dass es durchaus eine Zielgruppe für Kandidaten mit kulturell angeeigneten Frisuren gibt, die das System komplett zerstören wollen. Allerdings ist sie offenbar sehr, sehr klein.

Keine List auf das Mandat 

Carola Racketes Lust, ihr Mandat auszuüben, war auch nicht viel größer. Pünktlich ein Jahr nach der Konstituierung des EU-Parlaments hat die 37-Jährige jetzt bekanntgegeben, dass sie ihr Mandat im EU-Parlament niederlegen werde. Die Wählenden, die der Versicherung der von der linken Parteispitze im Hinterzimmer bestimmten Kandidatin vertraut hatten, sie ziehe "für Klima und Menschenrechte ins Europaparlament", stehen bedröppelt da wie die Millionen von Habeck- und Baerbockwähler. 

Die hatten ihren Lieblingen abgenommen, dass sie nicht nur ein "Regierungsprogramm" haben. Sondern nach der absehbaren Niederlage auch bereit sein werden, das Graubrot der Oppositionsarbeit zu kauen. Die müssen jetzt erkennen, dass Beharrlichkeit und dicke Bretter die Sache der beiden grünen Stars nicht sind.

Auch bei Rackete zeigt sich die niedrige Frustrationstoleranz, die in der Wissenschaft meist mit dem Marshmallow-Test nachgewiesen wird. Dabei werden Kindern vor die Wahl gestellt, sofort eine kleine Belohnung zu erhalten - etwa ein Marshmallow. Oder zu warten und später eine größere Belohnung zu bekommen. Die Fähigkeit, zu warten, wird als Zeichen für Selbstkontrolle gewertet, ihr Fehlen spricht für unzureichende Impulskontrolle und einen Mangel an Ausdauer, zugunsten größerer Ziele größere Geduld aufzubringen.

Weit vorm Ziel aufgeben 

Welches Ziel könnte größer sein als die, die Carola Rackete hatte verfolgen wollen? Der Hitzejuni zeigt, dass das Klima schlimmer leidet denn je. Die Menschenrechte werden nicht mehr nur zeitweise suspendiert wie in der Pandemie, sondern an den deutschen Grenzen. Doch die Europa-Abgeordnete Rackete gibt an, nie wirklich daran gedacht zu haben, ihr Mandat zu nutzen, um "fossile Konzerne zu vergesellschaften, gute, zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen, die Spekulation mit Böden und Essen zu stoppen, Bauern ein gutes Auskommen zu sichern und alle Menschen mit gesunden, bezahlbaren Lebensmitteln zu versorgen". 

Auch der Kampf für einen "Schuldenerlass für den globalen Süden" und die "sicheren Perspektiven für Menschen, die durch die Klimakrise zur Flucht gezwungen sind" (Rackete, 2024) waren nur ein Vorwand. "Meine Kandidatur und mein Mandat hatten von Anfang an das Ziel, zur Erneuerung der Partei beizutragen", gibt Carole Rackete heute unumwunden zu. 

Alles war ein Trick, ein abgekartetes Spiel. Die Linke hatte die Seenotretterin auserkoren, ihr die Tür zu den zahllosen staatliche geförderten sozialer Bewegungen zu öffnen. Rackete selbst hat die europäische Demokratie und ihren Wählerauftrag nie erster genommen als die Partei sie: Von Anfang an, hat sie jetzt gestanden, hätten sie und ihr Team darüber diskutiert, das Mandat "kollektiv" zu gestalten. Die Wählerin und der Wähler, sie müssen doch nicht wissen, wer da allein nach seinem Gewissen entscheidet.

Platz 6 auf der Besetzungscouch 

Ihr Nachfolger Martin Günther kommt von Platz 6 der Besetzungscouch, weil 4 und 5 keine Lust hatten. Der propere Mann aus Bernau in Brandenburg, der schon lange "in die erste Reihe" will,  hat sein Leben der sozialistischen Sache gewidmet. Noch nie musste der 43-Jährige Zuflucht zu einem bürgerlichen Erwerbsberuf suchen, immer fand sich eine Stelle als Mitarbeiter eines linken Bundestagsabgeordneten. Günther tritt nun an, Racketes "Kampf für Klimagerechtigkeit" fortzusetzen. 

Er will das tun, indem er "Druck macht für eine EU, die die Stromrechnung bezahlbar hält und klimaneutrale Energieversorgung umsetzt, den ÖPNV unterstützt, Reiche und Konzerne gerecht besteuert und EU-weit kraftvoll gegen Mietenwahnsinn, Pflegenotstand angeht".  Ihm als Ökonomen  seien "die wirtschaftlichen Zusammenhänge dabei besonders wichtig", stellte Martin Günther aus Anlass seiner überraschenden Inthronisierung klar. Eine sozialere und ökologischere EU werde es nur geben, "wenn wir sie von den Superreichen und ihren Lobbyisten zurückerobern." Gelingt das nicht, kann er sein Mandat einfach zurückgeben. Gewählt hat ihn ohnehin niemand. 

12 Kommentare:

  1. Meine Enttäuschung gilt weniger dem Text als dem Titelbild. Wo bleibt der charakteristische Flaum über ihrer Oberlippe, der sonst stets präsent ist - wie ein zarter Schimmelrasen auf älterer Butter?

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    1. Gröhl! Kreisch! Sich-ins-Knie-beiß! - Fürtrefflich.

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    2. vdL trägt auch einen gepflegten Damenflaum zur Schau, wie einst Meister Nadelöhr am Kinn oder Pitty auf'm Nüschel

      https://www.elpais.cr/wp-content/uploads/2025/07/Ursula-von-der-Leyen.jpg

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  2. Wie niedlich, Harsefeld hat jetzt eine Bürgerwehr, die Strolche dürften vor Angst schon schlottern. Der pozileiliche Sprecher, wie seit Jahrzehnten bei solchen Lachnummern, so geht das aber nicht, oder etwas in der Art.
    Bei Dr. Erika Fuchs: "Har, har!" - bei C.U.Wiesner: "Jachjachjach!" (Gehilfe Kafforke).

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  3. als noch die größte Dummheit des 20. und 21. Jahrhunderts erweisen. Stalin, Hitler, Mao und Pol Pot mit eingerechnet ...
    Zuweilen wird einem um Danisch doch ein wenig bange.

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  4. "Der AfD-Abgeordnete Dr. Rainer Rothfuß hingegen ist der Ansicht, Deutschland müsse seiner historischen Verantwortung gerecht werden und als erstes Land aktiv auf Diplomatie drängen – etwa durch das Angebot Berlins als Verhandlungsort."

    Ähäm, weil das heutige Deutschland Schuld am frühzeitigen Führertod in 1945 ist und diese Schuld abgearbeitet werden muß?

    Deutschland ist aktiv daran beteiligt, diesen Makel deutscher Geschichte auszumerzen, wenn man so sagen darf, also Kriegsteilnehmer gegen Rußland, somit automatisch als Veranstalter disqualifiziert.

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  5. "Der AfD-Abgeordnete Dr. Rainer Rothfuß hingegen ist der Ansicht, Deutschland müsse seiner historischen Verantwortung gerecht werden ...
    Mit General Wolzow: Elektroschocks sollen noch das einzige sein ....

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  6. Kommentare zu "Dead End" bei Le Penseur ...
    Die BRICS Staaten sind jetzt auch für "Klimaschutz" - was gilt's - sie werden nichts dergleichen tun, zurecht.
    Dann noch die üblichen Geifereien unserer Trollprogramme - ich möchte dem Blogwart keine Feindseligkeit unterstellen, obwohl es so aussieht - möglicherweise Altersdemenz? So dürfte es wohl sein.

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  7. Oder, der hiesige Blogwart ist gefragt, ist es eine Auflage der weisen Obrigkeit, derartigen Dreck veröffentlichen zu müssen, um weitermachen zu dürfen?

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  8. Nr. 4 und 5 hatten keine Lust. Wer hat den keine Lust auf ein Eu-Mandat? Mehr Geld und Pensionsansprüche
    fürs Nichtstun geht doch gar nicht. Sind die Nutten so schlecht in Brüssel?

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  9. zu den anfragen an den blogwart bin ich momentan überfragt. worum geht es? es darf durchaus ohne umschweife gesprochen werden

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  10. Martin Günther wird für eine gerechtere Bezahlung der EU-Bonzen kämpfen.

    OT via Focus via Dr Danisch

    Das posten grad alle, ich will es auch posten: Die Würde des Menschen ist nicht unantastbar gemäß Frauke Brosius-Gersdorf lol. Guter Start.
    Tagesschausehern wird das freilich ebenso einleuchten wie das bisherige Gegenteil.

    Frauke Brosius-Gersdorf, der Name ist Programm.

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