Samstag, 2. August 2025

Zitate zur Zeit: Schrödingers Reichtum

Achim Neumann hat sein Einkommen schon vor langer Zeit so geplant, dass der Boomer-Soli ihn nicht interessieren muss.

Wer 1.200 Euro monatlich zur Verfügung hat, liegt unter der Armutsgrenze von 1.378 Euro, ist also arm.

Er soll aber gleichzeitig den Boomer-Soli zahlen, der ab 1.048 Euro fällig wird, ist also reich. 

Roland Spiegler hat Schrödingers Reichtum entdeckt

Keine Panik auf der Job-Titanic: Arbeitslos und Spaß dabei

arbeitslos und spaß dabei Grafik Arbeitslose deutschland
Wie an der Schnur gezogen: Der "saisonbedingte Effekt" ist deutlich zu sehen.

Es gibt, zumindest dem Medienecho nach, keinen Grund zur Beunruhigung. Die Arbeitslosigkeit sei nur "leicht gestiegen", verkündet die amtliche "Tagesschau" im Chor mit der privatkapitalistischen Medienheuschrecke "Welt". Sie liege "immer noch unter drei Millionen", assistiert das ZDF.  

Das frühere Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" sieht die Zahl der Arbeitslosen zwar "an der Drei-Millionen-Marke kratzen". Die schlechte Konjunktur schlage "stärker auf den Arbeitsmarkt durch". Doch das tut sie nur im Kleingedruckten. Ganz vorn, dort, wo die wichtigen Dinge begleitet werden, geht es um den "Kampf gegen Extremismus" und eine Integrationsbeauftragte aus Neukölln, die vor einer Toleranz warnt, "die uns noch zum Verhängnis werden" könne.

Keine großen Schlagzeilen 

Keine Handbreit den Faschisten und deshalb auch keine großen Schlagzeilen über die erneut gestiegene Zahl der Menschen ohne Job. Deren Zahl ist schließlich "nur leicht gestiegen", diese zarte Formulierung hat auch bei der "Zeit" in Hamburg das Rennen um  die schönste Beschwichtigungsfloskel gemacht.

Die Süddeutsche Zeitung baut gleich auch noch vor, denn wenn es kriselt und niemand weiß, was dagegen zu tun sein könnte, ist es immer gut, wenn vorab schon bekanntgemacht wird, dass das Elend ja nun wirklich keine Überraschung mehr ist. Wer Ende Juli für den August "drei Millionen Arbeitslose erwartet", der wird sich Ende des Monats beim Blick auf die neuen fürchterlichen Zahlen zufrieden zurücklehnen können. Es ist schlimm gekommen. Aber genau wie erwartet und das ist sehr gut.

Keine ernsthaften Probleme, nirgendwo. Und keinerlei unangebrachte Aufregung. Nur wenige Tage noch, dann wird die Anzahl der Arbeitslosen in Deutschland wieder dort liegen, wo sie zuletzt in den schrecklichen Tagen war, als Angela Merkel ihren aufrüttelnden Satz von der "schwersten Bewährungsprobe seit den 20er Jahren", die nicht zu verwechseln ist mit der "größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg", die die Bundeskanzlerin erst Jahre später zu befrieden haben würde.

Kein nationales drama mehr 

Größer als bei den Reaktionen auf den Monatsbericht der Bundesagentur für Arbeit zur Erwerbsarbeit aber könnte kein Unterschied sein. Drei Millionen Arbeitslose hätten vor sechs Jahren noch als nationales Drama gegolten, denn seit 2016 lag die Arbeitslosenquote immer unter sechs Prozent. Auf diesen magischen Prozentsatz steuert sich nun aber bereits im vierten Jahr hintereinander wieder zu. In kleinen Schritten, aber beharrlich, denn wäre die Pandemie nicht gewesen, müssten die Statistiker inzwischen vermutlich schon das siebte Jahr mit steigenden Arbeitslosenquoten hintereinander zählen.

Doch wie bei der Vermeidung der Rezession durch ein von Politik und Medien über fast zwei Jahre  stabil durchgehaltenes Vermeiden des Begriffes "Rezession"  funktioniert auch die Vermeidung von Arbeitslosigkeit durch Ignoranz. Das alles liegt nur am "Beginn der Sommerpause" (Die Zeit), an einem "saisonbedingten Effekt" (n-tv) und "schlechten Juli-Zahlen" (Stern), Die sind schuld, dass 171.000 Menschen mehr ohne Arbeit sind als im Juli 2024, dem der "saisonbedingte Effekt" damals ebenso abging wie der "Beginn der Sommerpause".

Die Lage ist nur angespannt 

Keine Panik, trotz "angespannter Lage am deutschen Arbeitsmarkt", wie die Bundesagentur für Arbeit es nennt. Die seit drei Jahren von der früheren SPD-Chefin Andrea Nahles geleitete Körperschaft des öffentlichen Rechts tut selbst, was sie kann, um die Situation nicht noch zu verschärfen. Wie vor 20 Jahren, als Deutschland fünf Millionen Arbeitslose zählte, kümmern sich für die Nürnberger Behörde 113.000 Mitarbeiter um die immer noch deutlich geringere Zahl an Klienten. Mit zunehmend nachlassenden Vermittlungserfolgen, aber großer Weitsicht. Langsam nähert sich die Anzahl der zur Verfügung stehenden Betreuungspersonen wieder den Zeiten vor zehn Jahren an. 

Allein im Juli stieg die Arbeitslosigkeit um 38.000 auf 2.952.000 Personen, die Arbeitslosenquote liegt damit bei 6,3 Prozent und erstmals wieder auf einem Niveau, das zuletzt 2015 erreicht worden war.  Gegenüber Juli 2024 stieg die Arbeitslosenzahl um starke 185.000 - das liegt deutlich über dem Zuwachs von 149.200 im Dezember 2004, der seinerzeit als "trauriger Rekord" (Spiegel) in die Annalen einging. 

Kien Thema, das bewegt 

Die Resilienz der Wahrnehmung aber hat ebenso deutlich zugenommen. Arbeitslosigkeit ist kein Thema mehr, das Medien und Politik bewegt. Neue Zahlen rauschen vorbei wie der Wetterbericht. Unternehmen seien weiterhin sehr zurückhaltend bei der Meldung neuer Stellen.

Was vor 20 Jahren für Heulen und Zähneklappern über den "Skandal der Arbeitslosigkeit"  sorgte, wie es der damalige CSU-Generalsekretär Markus Söder nannte, wird heute achselzuckend hingenommen. Dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um nur weitere 8.000 zurückgegangen ist, weil die viel höheren Verluste im Verarbeitenden Gewerbe (-26.000) durch Neueinstellungen bei "staatsnahe Dienstleistungen" (Bundesagentur) etwa im Gesundheitswesen zumindest teilweise ausgeglichen wurden, ist ausreichend Trost, die Misere nicht an die große Glocke zu hängen.

Niemand weiß, was getan werden könnte. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist rückläufig. Der BA-X- Stellenindex, der die der Bundesagentur gemeldeten Stellenangebote der Unternehmen zeigt, sieht desaströs aus. Im Juli 2025 waren nur noch 641.000 Stellen bei der BA gemeldet, 81.000 weniger als im Vorjahr, die Zahl neu gemeldeter offener Stellen ging um 25.000 auf 211.000 zurück. Der BA-X-Index liegt damit bei 103 Punkten, dem niedrigsten Wert seit dem Pandemiemonat Januar 2021.

Anfang des Großreinemachens 

Und das Großreinemachen in der Industrie beginnt gerade erst. Die Deutsche Bahn will demnächst 30.000 Mitarbeiter loswerden, der Automobilzulieferer ZF 14.000 und der Stahlkonzern Thyssenkrupp streicht nach Milliardenverlusten auf dem Weg zum grünen Stahl 11.000.  Auch bei Volkswagen fallen 10.000 Stellen weg, bei der früheren Deutsche Post DHL 8.000, Audi 7.500,  Bosch nur 1.000, Daimler Truck aber 5.000, Siemens 3.000 und Ford ebenso viele. Die Vorhersage des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung IAB, dass die Zahl der Erwerbslosen 2025 um 140.000 auf 2,92 Millionen steigen werde, ist schon zum Halbjahr übertroffen.

Es herrscht das Prinzip Hoffnung. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eine Dienststelle der Bundesagentur mit der Aufgabe, "die Wirkung der Arbeitsförderung" zu untersuchen, prognostiziert über die endlose Liste an Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft hinweg "Erholung ab Herbst". Es gebe "gute Chancen für eine positive Trendwende am Arbeitsmarkt". Und wenn sich diese Trendwende durchsetze, würden die drei Millionen Erwerbslosen "eine kurze Episode bleiben".

Nicht noch eine Großkrise 

Das muss so kommen, denn mit der Großkrise bei den Sozialkassen, der Rentenkasse und einem Haushaltsloch von 172 Milliarden hat die schwarz-rote Regierungskoalition gerade noch die Kraft, die ganz großen Vorhaben umzusetzen. Der Burggraben um den Bundestag ist fertigzuschachten, der Erweiterungsbau des Kanzleramtes macht sich auch nicht von allein und dass ein reiches Land wie Deutschland seinem Bundespräsidenten für die fünf Jahre, in der er das "marode Schloss Bellevue" wegen dringender Sanierungsarbeiten nicht nutzen kann, einen 200-Millionen-Ersatzneubau aus Holzmodulen zur Verfügung stellen muss, versteht sich von selbst.

Es geht darum, mit solchen Infrastrukturvorhaben das Baugewerbe wiederzubeleben, das seine Tätigkeit durch gestiegene Energiepreise und Gehälter, Bürokratie und mangelnde Planungssicherheit weitgehend eingestellt hat. Wohnungsbau ist unmöglich, weil die Kosten so hoch sind, dass sich kaum zahlungskräftige Mieter für neugebaute Wohungen finden. 

Eintrittskarte zur Oberschicht 

Im Durchschnitt liegen die Mietpreise für Neubauwohnungen aktuell Erhebungen bei etwa zwölf bis 15 Euro pro Quadratmeter, in Ballungszentren es auch 20 Euro oder sogar 30 Euro pro Quadratmeter sein. Um 1.000 bis 2.000 Euro Miete zahlen zu können, muss ein Paar, das höchstens 30 Prozent seines Einkommens für die Unterkunft abgeben will, schon auf netto 6.000 Euro kommen. deutlich mehr als das von der Wissenschaft als Eintrittskarte zur "Oberschicht" erkärte Haushaltsnettoeinkommen von 3.880 Euro. 

Firmen hingegen investieren nicht, weil sie nicht wissen, wie die kpnftigen Standortbedigungen sein werden. Kommt es zum geplanten nächsten Energiekostenschock durch das ab 2027 scharfgeschaltene  neue CO₂-Besteuerungssystem ETS 2, werden auch die noch schließen müssen, die heute noch durchhalten.  Kommt es dazu dann doch nicht - auch ihr Verbrennerverbot hat die EU schließlich  angesichts der absehbaren fürchterlichen Schäden auch für ihre eigene Finanzierung abgeschwächt - ist die Lage besser, aber noch lange nicht gut.

Schwanz der Konjunkturkatze 

Die Konjunkturkatze beißt sich in den Schwanz: Ohne Neubau und Investitionen keine Nachfrage nach Arbeitskräften. Ohne neue Jobs keine Erholung der Binnenkonjunktur. Ohne Binnekonjunktur kein Gegengewicht zu den Verlusten durch die neuen Zölle. Und durch den Mangel an modernen Branchen wie IT, KI und Kommunikationstechnologie besteht nicht einmal die Chance, mit verpulverten Fantstrillionen, wie sie die "Made for germany"-Kampagne der Deutschland AG versprochen hat, irgendeinen nachhaltigen Effekt zu erzielen.

Mit dem Jahr 2010, als die Arbeitslosigkeit in Deutschland nach der Finanzkrise ebnefalls wieder stieg, nachdem sie in Folge der Hartz IV-reformen über Jahre gesunken war, ist der Zustand heute nicht zu vergleichen. Damals wurde der Anstieg als alarmierend wahrgenommen, werden sie heute stoisch akzeptiert. Arbeitslos und Spaß dabei, der Sozialstaat wird uns auffangen, dieser Glaube ist weit verbreitet. Aus der Angst vor Langzeitarbeitslosigkeit und sozialem Abstieg ist die Gewissheit geworden, dass die sozialen Sicherungssysteme funktionieren - und der Anspruch, da ja selbst die einen Aspruch haben, die nie einen Euro Steuern gezahlt haben, sei es jedermanns gutes Recht, auch mal eine Zeit ohne den dauernden Stress auf der Baustelle, im Amt oder im Büro zu verbringen. 

Politik ohne jede Mitverantwortung 

Auch das Ansehen der Arbeitslosigkeit hat sich gewandelt. Politik und Medien ist es gelungen, sie nivht mehr als Indikator für wirtschaftliche Schwäche gelten zu lassen. An der sind seit der Pandemie  ausschließlich externe Einflüsse schuld: Putin, der Krieg, Trump, Trumps Zölle. Irgendwas ist imemr und alles taugt dazu, die Politik in Berlin und Brüssel freizusprechen von jeder Mitverantwortung. 

Ausgerechnet die, die agieren, als könnten  sie nicht nur die Gegenwart, sondenr auch gleich noch die Zukunft regieren, stehen da, als hätten sie mit allem nichts zu tun. Die Auffassung, dass wirtschaftliche Schwankungen unausweichlich sind und die jahrelange Fixierung sämtlicher finanzieller Mittel auf den  Klimawandel oder neuerdings die Aufrüstung kaum eine Rolle spielt, ist weitgehend aktzeptiert. Auch die selbsternannte "politische Klasse" zankt lagerübergreifend nicht mehr darum, wer etwas falsch gemacht hat: Alles war immer richtig, denn alle haben mitgemacht.

Nur so sei es gelungen, heißt es, den Arbeitsmarkt trotz konjunkturellen Schwäche, steigenden Arbeitslosigkeit und sinkenden Arbeitskräftenachfrage "stabiler als befürchtet" zu halten.

Freitag, 1. August 2025

Habeck Visionen: Er fehlt so sehr

Robert Habeck, europäische Autonomie, digitale Souveränität, EU-Google, demokratisches X, Handelsdeal EU-USA, wirtschaftliche Diversifikation
Auch die handfesten Kumpel, die Habeck im Wahlkampf an ihren Küchentischen besuchte, vermissen den Klimawirtschaftsminister bis heute schmerzlich.

Eben war er noch da, immer und überall. Wie Magier tauchte Robert Habeck über Jahre hinweg auf, wo immer irgendjemand zuschaute. Er war im Fernsehen und im Kabinett, auf der Bühne und in der Partei, er streichelte die Seelen der weniger Begüterten, er half den Armen und forderte die Elite intellektuell heraus. Tiefe Spuren gruben sich in dieser Zeit der Allgegenwart nicht nur in die politische Landschaft ein, wo immer der frühere Grünen-Chef den Nahkampf mit dem politischen Gegner suchte. Tiefe Spuren zeigte auch der Antreiber, Visionär und Vordenker selbst. Das Haar wurde grau. Erste Falten zeigten sich.

Für Robert Habeck war die Niederlage seiner Partei bei der Bundestagswahl schmerzlich, aber zweifellos gesund. Kaum war die Wahl gelaufen und die Regierung gebildet, verschwand er, erleichtert lächelnd und mit einer Schreibtischlampe als Erinnerung in der Hand aus dem Amt.

Kurze Zeit der Trauer 

Die Zeit der Trauer war kurz, selbst in seiner eigenen Partei. Neues Personal schob die Erinnerungen beiseite. Weggefährten versuchten, sich auf Kosten ihres Mentors zu profilieren. Inhalte wurde gewechselt wie Unterhemden. Viele Erbstücke aus der Zeit der Grünen als Volkspartei wurden kurzerhand entsorgt. 

Doch wie schlecht es ohne Robert Habeck als erfahrenem Kapitän auf dem Staatsschiff läuft, wird langsam klar. Die Wirtschaft, die der Mann aus Schleswig-Holstein gerade erst fast wieder auf Kurs gebracht hatte, schwächelt erneut. Die EU ist uneins wie nie, weil niemand mehr da ist, der ihr den gemeinsamen Weg weist. Während von Olaf Scholz zumindest ab und an noch zu hören ist - die Zukunftspläne des Sozialdemokraten für seine "nachamtliche Tätigkeit" werden immer wieder in aller Öffentlichkeit beschwatzt und seziert.

Der einstige Vize-Kanzler aber ist abgetaucht. Und dort, wo er war, klafft eine gewaltige Lücke. Zuletzt zeigten die so blamabel ausgegangenen transatlantischen Verhandlungen mit den USA auf demütigende Weise, was Europa fehlt: Ein politisches Genie, das in einer Ära der Schwäche und Orientierungslosigkeit wie ein Leuchtturm in stürmischer Nacht Orientierung gibt. Ein moralisches Naturtalent, das seine Visionen von europäischer Souveränität, digitaler Unabhängigkeit und wirtschaftlicher Diversifikation populär vermitteln kann und ganz sicher verhindert hätte, dass die EU unter Ursula von der Leyen in einem Akt beispielloser Unterwerfung vor den USA kapituliert.

Blamabler Handelsdeal

Die jüngsten Zollverhandlungen zwischen der EU und den USA, die im Frühjahr 2025 ihren Höhepunkt fanden, waren mehr als eine Niederlage – sie waren eine Demütigung. Ursula von der Leyen, nie zur Wahl angetretene und nie gewählte Präsidentin der Europäischen Kommission, begab sich in Donald Trumps Golfclub, erstarrte zur Salzsäule und nickt ein Geschäft ab, das Europa zur verlängerten Werkbank und zur Warenauslage der USA macht. 1,5 Billionen Euro musste von der Leyen Trump versprechen. Sie musste auf Zolleinnahmen verzichten, mit denen sich die EU finanziert und zustimmen, dass amerikanische Importeure ab sofort 15 Prozent des eingeführten Warenwertes als Zoll abführen.

Die wenigen verbliebenen Fans und Freunde des Mannes, der sich seit Anfang April in eine tiefes Nachsinnen zurückgezogen hat, sind sicher, dass ein solcher Akt der Unterwerfung unter ihrem Robert mit seinem ganzen Charisma niemals stattfinden hätte haben können. Denn Habeck verstand, dass Europa nur dann stark ist, wenn es auf Augenhöhe verhandelt – mit Rückgrat, Strategie und einem klaren Blick für die eigenen Interessen. Auch ohne Trümpfe in der Hand hätte er sein Blatt entschlossen ausgespielt. 

Gefangen im Zwang 

Auch gefangen im Zwang, nach Jahren der gemütlichen Vorbereitung auf die große grüne Transformation von den USA wirtschaftlich, technisch und militärisch dermaßen abhängig zu sein, dass ein Leben ohne deren Technologie und Militär undenkbar geworden ist, wäre Habeck zweifellos etwas eingefallen. 

Er hat doch schon vorgedacht und gewarnt. Deutschland, das 2024 einen milliardenschweren Handelsüberschuss mit den USA erzielte, hätte unter seiner Führung keine Zugeständnisse gemacht, sondern Gegenzölle und neue Handelsachsen mit Partnern wie Kanada, Indien oder Südostasien forciert.

Die Skepsis Amerika gegenüber, böse Zungen nennen es Antiamerikanismus, ist den Grünen bei Geburt eingeschrieben worden. Habeck war zu klug, sich jemals so zu äußern. Doch er umschrieb es klug: Wer sich auf einen einzigen Markt konzentriert, wird erpressbar. Wer ausländische Firmen nicht stärker reguliert, setzt sich ihrem Eigensinn bei sensiblen Themen wie Hetze, Hass und Meinungsfreiheit aus.

Er wollte die strategische Neuausrichtung, er schlug ein Ende der Politik der nationalen Zugeständnisse vor, ein Drüberregieren der Kommission über die 27 Egoismen in den Hauptstädten. Doch er wurde nicht gehört. 

Ein demokratisches X

Und wird nun nach der Kapitulation von Turnberry wird Habecks Weitsicht umso schmerzlicher vermisst. Er hätte der Architekt europäischer Autonomie werden können, ein Reichsgründer wie Bismarck oder de Gaulle auf europäisch, dessen Name mit goldenen Lettern im Buch der Geschichte geschrieben steht.

Seine Initiativen zur Schaffung eines "EU-Google" und eines nach den Vorgaben des DSA demokratisierten europäischen "X" zeugen von einem Verständnis, das weit über den Horizont seiner Zeitgenossen hinausging. Habeck erkannte früh, dass die digitale Abhängigkeit Europas – mit sensiblen Daten, die 2024 fast ausschließlich auf US-Servern lagerten – eine strategische Achillesferse ist. Sein Engagement für das Projekt Gaia-X, eine europäische Cloud-Infrastruktur, war ein Versuch, diese Abhängigkeit zu brechen. Das wirkte hilflos, das wirkte verzweifelt. Doch Gaia-X scheiterte nicht am bescheidenen Ausmaß der Ambitionen, sondern an den üblichen nationalen Lobbyinteressen und an mangelnder politischer Einigkeit der Mitgliedsstaaten. 

Bedauerliches Scheitern 

Ein Scheitern, das Habeck zutiefst bedauerte. Auch seine Batteriebaupläne, sein Einsatz für eine - aus den USA geborgte - eigene Chipindustrie gingen leider nicht auf. "Aber ohne digitale Souveränität", wurde er nicht müde zu warnen, "verliert Europa seine strategische Unabhängigkeit."

Die es nicht hat und nie mehr haben wird, weil der Vorsprung, den die Vereinigten Staaten und China mittlerweile haben, nicht mehr aufzuholen ist. Schon mit Habecks Ideen wäre es schwer geworden: So wichtig es wäre, ein demokratischen X zu bauen, so klar ist, dass es X bereits gibt. Selbst das "europäische Google", das Habeck zu erfinden anregte, ist schon da, nur eben nicht europäisch, weniger gut zu kontrollieren, mehr den Interessen der US-amerikanischer Tech-Giganten verpflichtet als denen der politischen Parteien und Institutionen in der EU.

Die bleiben nun weiter auf einen Raum für freie Meinungsäußerung angewiesen, der nur notdürftig durch Trusted Flagger und Schwerpunktstaatsanwaltschaften geschützt wird. Auch der letzte Versuch, wenigstens Strafzölle für falsche Meinungen als zusätzliche Digitalsteuer zu erheben, gab die EU unter von der Leyen kampflos auf. Der Kontinent bleibt in der digitalen Steinzeit stecken, gefangen in der würgenden Umarmung von Silicon-Valley-Monopolen.
 

Energiepolitik und wirtschaftliche Diversifikation


Auch in der Energiepolitik hat einzig Robert Habeck ein Vorstellung davon gehabt, wie strategische Autonomie aussehen muss. Seit dem Aus für Nord Stream 2 stammten über 40 % der deutschen Gasimporte aus den USA – teuer, klimaschädlich und riskant. Habeck kaufte viel davon aus Katar, einem Emirat, das seinen schlechten Ruf seit der letzten Fußball-WM abgestreift hat. Den  Ausbau erneuerbarer Energien wollte Habeck mit 30 bis 40 Gaskraftwerken absichern - seine Nachfolgerin Katherina Reiche hat den Plan nicht etwa weggeworfen, sondern zur Grundlage ihrer Strategie gemacht.

Von den Speichertechnologien und dem Wasserstoff, mit dem Habeck Europa von der Energieabhängigkeit befreien wollte, hat sie sich jedoch verabschiedet. Wsaserstoff wolle niemand, der Champagner der Energiewende sei zu teuer, damit gekochter Stahl lasse sich nirgenwohin verkaufen. Habecks Vision war allerdings sehr viel breiter aufgestellt: Kommunen und Ministerien hätten es sein sollen, die den teuren Stahl kaufen. Finanziert worden wäre das aus den durch die höheren Gewinne der Stahlkocher steigenden Steuereinahmen. 

Das hätte auch die geopolitische Handlungsfähigkeit der EU gestärkt und ein zeichen für die ganze Welt gesetzt. Doch statt seiner Strategie setzte die EU auf kurzfristige Lösungen, die die Abhängigkeit von US-Flüssiggas vertieften.

Auch in der Wirtschaftspolitik plädierte Habeck für Flexibilität und Diversifikation. Bäcker und andere Handwerks- wie Industriefirmen hätten zeitweise zumachen können, um die Verhandlungsstärke Europas zu sichern. Sie wären später wieder in Aktion getreten, wenn es der EU gelungen wäre, neue Partnerschaften mit aufstrebenden Volkswirtschaften einzugehen. Seine Idee: Europa müsse global agieren, um nicht zum Spielball externer Interessen zu werden. 

Ruf nach Eigenständigkeit

Auch in der Sicherheitspolitik war Habeck ein überzeugende Vordenker. Er kritisierte die Abhängigkeit von US-Technologien bei Raketenabwehr, Drohnen, Kampfjets und Software. Er war dafür, die europäischen Armeen lieber mit eigenen waffen auszurüsten als mit den besten. Seine Forderung nach mehr europäischer Kooperation, eigenen Standards und Investitionen in Verteidigungsforschung war kein Angriff auf das transatlantische Bündnis, sondern ein Plädoyer für Eigenständigkeit in de Nato. "Kooperation ja, aber ohne Erpressbarkeit", war sein Mantra. Doch die EU unter von der Leyen hat diesen dringenden Ruf ignoriert und sich stattdessen in eine noch tiefere Abhängigkeit begeben. 

Habecks Vermächtnis

In einer Zeit, in der Deutschland in der Rezession versinkt und die EU sich vor den USA erniedrigt, erstrahlt Robert Habecks Vermächtnis heute umso heller. Der Norddeutsche, dem die Frauenherzen zuflogen, war kein Träumer, sondern ein träumender Realist mit Weitblick. Seine Forderung nach europäischer Autonomie war kein Bruch mit den USA, sondern ein Appell, das transatlantische Bündnis auf Augenhöhe zu gestalten. Seine Initiativen – das EU-Google, das deutsche X, eine Energieallianz mit Katar, neue Handelsachsen und eine eigene Verteidigungsfähigkeit – wären Bausteine für ein souveränes, robustes und zukunftsfähiges Europa gewesen.

Doch während Habeck den Weg wies, drehten ihm die Bürgerinnen und Bpürger den Rücken zu. Er wollte die großen Sondervermögen schon vor allen anderen, er wollte die Schuldenbremse ausbremsen, seine Partei ließ TTIP damals scheitern, um den USA die Instrumente zu zeigen. Ohne ihn musste die EU in das demütigende Scheitern von Turnberry stolpern.

Mitten in der ohnehin angespannten wirtschaftlichen Lage trifft der vermeintliche Handelsdeal Deutschland wie ein Blatschuss. Von der von Habeck ersehnten strategischen Gestaltungsfreiheit ist kaum mehr ein Hauch übrig, der leise davon säuselt, wie sehr der Mann fehlt, der mit wirtschaftlicher Kompetenz, politischer Klarheit und visionärem Mut Europa aus der Krise hätte führen können.

Petition der "Kulturschaffenden": Ölige Solidarität

Nach dem Willen der deutschen Kulturschaffenden muss Friedrich Merz den Nahen Osten befrieden.

Sie sind Moderatoren, Komödianten, Musikerinnen und Musiker und Schauspielende, sie gendern nicht und haben keine Zweifel daran, dass der Schlüssel zur Macht, den Nahen Osten zu einem besseren Ort zu machen, im Berliner Kanzleramt liegt.  "Lassen Sie Gaza nicht sterben, Herr Merz", haben 200 sogenannte "Kulturschaffende" 91 Jahre nach dem ersten "Aufruf der Kulturschaffenden" und nur fünf Jahre nach dem letzten einen Prominentenappell überschrieben, der die Bundesregierung auffordert, Israel nicht her nur mit Worten in den Arm zu fallen.  

Deutschland hat es in der Hand 

Handeln müsse Deutschland, an dem einmal mehr das Schicksal von Millionen hängt. Um dem Judenstaat zu zeigen, wie man richtig auf einen Angriff von Terroristen reagiert, die ein benachbartes Gebiet mit zwei Millionen Einwohnern regieren und seit Jahrzehnten als sicheren Rückzugsraum nutzen, brauche es einen Stopp aller deutschen Waffenexporte an Israel, ein Aussetzen des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Israel, eine erneute Wiederholung der Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand und den ungehindertem Zugang für humanitäre Hilfe.

Vier Forderungen, im Nachrichtenmagazin als "drei" gezählt, die die Absender in eine große historische Linie stellen. Wer von den Älteren erinnert sich nicht an das Jahr 2018, in Berlin regierte eine schwarz-rote Koalition und ein CSU-Innenminister namens Horst Seehofer sägte am Sockel der Willkommenskultur. 

Migration sei die "Mutter aller politischen Probleme", brüskierte der Christsoziale das Milieu der Künstlernden, die nach einer Bierzeltrede in Oberbayern zum Stift griff. Im Vorgriff auf einen späteren Konsens bis hin zu SPD und Grünen hatte Seehofer gestanden, dass er  "froh über jeden" sei, "der bei uns in Deutschland straftätig wird, straffällig, und aus dem Ausland stammt", denn diese Leute könne man dann abschieben.

Nie schmutzige Finger 

Selten hat sich ein Spitzenpolitiker so verrechnet. In einem entsetzten offenen Brief von Schauspielernden, Filmemachenden, Musizierenden und Anthropologen äußerte das bessere Deutschland, das sich bei der Arbeit nie die Finger schmutzig macht, sein Entsetzen. Überschrift  "Würde, Verantwortung, Demokratie", Forderung: Seehofer solle zurücktreten, er "beschädigt die Werte unserer Verfassung, sein Verhalten ist provozierend, rückwärtsgewandt und würdelos gegenüber den Menschen". Damit "verstelle er den Weg in eine zukunftsfähige deutsche Gesellschaft", denn er einige das Land nicht, "er spaltet es".

Mancher, der da mutig aufstand gegen den alten weißen Mann aus Ingolstadt, war schon dabeigewesen, als der für ein ganzes Vierteljahrhundert tote und begrabene Berufsstand des "Kulturschaffenden" seine Wiedergeburt erlebte. 2016, Tatort Kanzleramt. Angeführt vom Regietitanen Volker Schlöndorff eilten große Künstler wie Andrea Sawatzki, Christian Berkel, Michel Friedman und Nico Hofmann am Frauentag zum Hofe, bewaffnet mit roten Rosen, Gäsenhaut und ein paar Tränen, um der damaligen Kanzlerin Angela Merkel von Herzen Dank zu sagen für alles, was sie für alle getan hatte.

Singen für Merkel 

Es waren die Zeiten, in denen bösartige Boulevardblätter unschuldige Kinder und Berufskollegen für Merkel singen ließen. Nachdem die Behörden Diktaturenvergleiche verboten hatten, malten die Teppichweber von Bannewitz für die Ostdeutsche aus Hamburg und junge, ehrgeizige Maler schufen große Ölgemälde, die das gottgegebene politische Genie der bescheidenen Physikerin rühmten und priesen. Immer vornweg waren die, die so lange weg gewesen waren.

"Kulturschaffende" hatte es im Dritten Reich gegeben und die sozialistische DDR-Diktatur hatte die Sprachprägung aus dem von den Nationalsozialisten gegründeten Reichsamt für Worte und Benennungen (RWB - Forschungsbehörde AO) bereitwillig übernommen, obwohl Wilhelm Emanuel Süskind den Begriff 1946 in sein "Wörterbuch des Unmenschen" aufnahm. 

Mit der Gründung der Reichskulturkammer im Jahr 1933 war der Begriff zum Gattungsnamen geworden. Mit jenem ersten Aufruf der Kulturschaffenden, der sich für eine Übernahme von Reichspräsidenten- und Kanzleramts durch Adolf Hitler aussprach, schrieb er sich unauslöschlich ein ins Buch der Geschichte. Doch ein Wort, das Künstler als Kollektive vereinnahmt, erschien den Genossen der SED unwiderstehlich: Der "Kulturschaffende" war kein individueller Künstler mehr, sondern ein Geistesarbeiter im Auftrag der Sache. 

Wie die Reichskulturkammer der Nazis verteilte die Kulturbürokratie der Kommunisten Kunstschaffungszulassungen an alle künstlerisch Tätigen, die bereit waren, zu künstlern, wie man es ihnen auftrug. Das SED-Parteiorgan "Neues Deutschland" lobte die Zuverlässigen nach der Ausbürgerung Wolf Biermanns. Der Staat war zufrieden mit der "überwältigenden Zustimmung der Kulturschaffenden der DDR zu Politik von Partei und Regierung". 

Ein einzigartiges Wort 

Mit dem Ende der Kommandowirtschaft auch in der Kultur aber starb der Kulturschaffende einen stillen, unbeachteten Tod. Es gab ihn einfach nicht mehr, weil niemand einer sein wollte. Der Begriff war kontaminiert, denn er stand für eine ölige Anbiederung an Unrechtsregime. Künstler ja, auch Künstlerin. Aber kulturschaffend?  Große Zweifel weckte vor allem die Einzigartigkeit des bereits in den 20er Jahren vom späteren RWB-Chef Guntram Kaiser erdachten Kunstwortes. Im Deutschen gibt es weder Brotschaffende noch Autosschaffende, keine Gesundheitsschaffenden und nicht einmal Politikschaffende. 

Allein Frauen und Männer, die an Theatern, vor Kameras, in Studios und Veranstaltungsbüros tätig sind, rühmen sich, "Kultur" zu schaffen, obwohl es im besten Falle Kunst ist, was sie produzieren. Etliche unternehmen nicht einmal den Versuch dazu. Unter den 200 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner der Gaza-Petition sind Fernsehansager, DJs und Content Creators, Podcaster und Sozialunternehmer. Eine Frau hat als Beruf "Starköchin" angegeben. Eine andere ist am Kulturschaffen als Casting Director beteiligt. Auch Agentinnen sind vertreten, die mit Kulturschaffen so viel zu tun haben wie ein der Manager eines Fußballclubs mit dem Toreschießen.

Keine Glasmaler, keine Maskenbildner 

Kunstschaffen ist nach dem Verständnis der Unterzeichner ein exklusives Geschäft, das nur kleine, elitäre Kreise ernsthaft betreiben. Keine Töpfer, keine Glasmaler, keine Bildhauer sind unter den Unterzeichnern, kein einziger Maler, kein Zeichner, kein Comickünstler. Selbst Maskenbildner und Grafikdesigner und Opernsänger fehlen, selbstverständlich auch sämtliche technischen Gewerke des Bühnenhandwerks, ohne das die Kunstschaffenden im Dunkeln stehen und ohne Mikrofone auskommen müsste. 

Der typische Kulturschaffende von heute wohnt in Berlin, schauspielert beruflich, er sitzt auf seinem Sofa, schaut in seinen Drehplan und denkt sich: Oh, heute könnte ich heute eigentlich mal Gaza retten. Der typische Kulturschaffende von heute muss keine Angst haben, dabei von einer Hamas-Rakete getroffen zu werden. Er hat auch keine Sorgen um Bekannte oder Verwandte, die seit Jahren in einem Foltergefängnis der Terrortruppe sitzen, mutmaßlich wenigstens zum Teil mit europäischen Hilfsgeldern gegraben. Der typische Kulturschaffende von heute ist hauptberuflich sensibel, sein Leiden leitet ihn dorthin, wo es für jedermann zu sehen ist, denn das zahlt kräftig auf sein Rufkonto ein. 

Zusammengebracht auf Initiative der US-Lobbygruppe Avaaz, "positionieren sich die  Kulturschaffenden" (Tagesspiegel) wie üblich: Kein offener Brief jemals richtete sich an die Hamas, den Kanzler aber "drängen sie auf einen Waffenstillstand", als führe Friedrich Merz den Oberbefehl über die IDF und deren Räder ständen alle still, wenn sein starker Arm es will. Pflichtschuldig werden die "grauenvollen Verbrechen der Hamas aufs Schärfste" verurteilt. Kulturschaffende wissen, wie man sich rückversichert, denn sie haben alle zugeschaut, was mit denen geschieht, die unachtsam sind. 

Das Beschwören der Kinder 

Deutlich ausführlicher fällt das Beschwören der "Kinder, abgemagert bis auf Haut und Knochen, die Augen leer, die Handgelenke dünn, Babys, vor Hunger zu schwach, um zu weinen". Auch Kulturschaffende, die ihr Gewerbe frei ausüben können, weil die Alliierten Hitler nach dessen Niederlage in Afrika 1943 keinen Waffenstillstand anboten, sind nicht gefeit vor Vergesslichkeit: "Kein Verbrechen", appellieren sie an Merz, rechtfertige es, "Millionen von unschuldigen Menschen kollektiv zu bestrafen". 

Die Hamas-Terroristen, das sind für die, die sich als Kulturschaffende freiwillig entindividualisieren und es für ein gemeinsames kollektivistisches Ziel mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, immer die anderen. Mögen inzwischen selbst arabische Staaten den Terror der Hamas verurteilen und sich für deren Entmachtung aussprechen, der deutsche Kulturschaffende kennt seine Pappenheimer. Natürlich sei es Israel gewesen, das die Zwei-Staaten-Lösung torpediert habe, heißt es in einem endlosen Sermon, in dem die Ablehnung der Hamas nie vorkommt.

Hauptziel Auslöschung 

Wie sollte sie auch, schließlich steht und fällt das Erklärungsmuster vom unmenschlichen Israel, das mit überlegenen Waffen gegen leider, leider auch schon mal "grauenvolle Verbrecher" vorgehe, mit der zentralen Illusion nicht nur der Kulturschaffenden. Auch andere fantasiebegabte Straßenkämpfer glauben, dass ein richtiger Palästinenserstaat, geführt von einer oder mehreren Befreiungsbewegungen, deren Hauptziel die Auslöschung des Judenstaates ist, ein prima Nachbar für Israel wäre. Dabei zeigen Umfragen aus der Zeit vor dem Krieg, dass mehr als die Hälfte der Palästinenser für die Rückkehr zu einem bewaffneten Aufstand sind. Attentäter werden von großen Teilen der palästinensischen Gesellschaft als Helden im Kampf gegen die israelischen Unterdrücker gefeiert.