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| Der Kanzler sieht hier aus wie ein Deutschland-Narr, doch letztlich stellt sich doch heraus: Ja, wir werden gut regiert. |
Deutschland in Herbst der Reformen, Deutschland im Ausnahmezustand. Alleingelassen von Amerika, alleingelassen mit der Verantwortung, die Verteidigungsanstrengungen der Ukraine zu finanzieren. Allein zu Haus im Regierungsviertel und im Parlament, ohne Mehrheit regierend, angewiesen auf die taktische Gnade einer Opposition, die vor Kraft nicht laufen kann.
Spaltung als Spielshow
Die Gesellschaft hat eine Spaltung vollzogen: Die einen leben glücklich und zufrieden, einverstanden mit der politischen Linie. Die anderen aber fühlen sich ungehört, ausgegrenzt, geächtet und unterdrückt. Der Riss geht durchs Land, zwischen Ost und West und Süd und Nord, mitten durch Familien, die ihre Kinder an extremistische Grüppchen oder die Eltern und Großeltern an extremistische Parteien.
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| Mit einem Farbtäfelchen wird hier die Hautfarbe vermessen. |
Das letzte Lagerfeuer der Nation, die nie mehr eine hatte sein wollen, brennt in der ARD, dem Senderverbund, der seinen anmaßenden Titel "Das Erste" abgelegt hat, weil niemand das Erste sein soll, seit bekannt geworden ist, dass dann alle anderen dahinter kommen. Hier in der Senderfamilie, die sich aus Gründen der Reformwilligkeit gerade selbst eine neue Kontrolltruppe aus vertrauten Gesichtern zusammenstellt, inspirierte Négar Djavadi großer Roman "Die Arena" die Verantwortlichen zu einem neuen Sendeformat: Nach nur sieben Monaten ließen sie Friedrich Merz Bilanz ziehen "über sein erstes Kanzlerjahr".
Und der nahm sich die Zeit. Die auch in Anlehnung an Hayley Barkers Dystopie" Die "ARD-Arena" genannte Stunde konfrontierte 150 Menschen mit dem Bundeskanzler - Menschen, die die Abschaffung des Kulturpasses als Begründung dafür vorbrachten, keinen Wehrdienst leisten zu wollen. Hier "Townhall Meeting mit dem Bundeskanzler" wird das ernst genommen. Der 70-Jährige trifft auf Wählerinnen und Wähler, die sich noch für ihn interessieren, das wird mit Trost und Zuspruch vergolten. Wenn wir erst anfangen, Probleme zu lösen, sagt Merz, dann werde das Problem AfD von selbst verschwinden. Wann es losgehe, fragt niemand mehr.
Demokratie auf Augenhöhe
Jessy Wellmer und Louis Klamroth moderierten "60 Minuten Demokratie auf Augenhöhe" (ARD). Was genau damit gemeint ist, wird nicht klar. Eine Anklage, weil Demokratie sonst auf Kniehöhe gespielt wird? Eine Mahnung, dass alle sich recken müssen, weil Merz mit seinen 1,98 Metern Körperhöhe sonst alle überragt? Oder wird der Kanzler sich bücken wie damals im Weißen Haus, als er das Wunder von Washington bewirkte und der Welt im Arbeitszimmer des US-Präsidenten einen Kniefall im Sitzen mit eingesprungenem Hofknicks zeige.
Merz tritt auch in der Höhle der Göttinger Veranstaltungsstätte souverän auf. Er hat leere Hände mitgebracht, aber ein gewinnendes Lächeln. Merz trägt, weißgepunkteten Binder, dunkelblauen Anzug, statt die Merkelraute zu machen, stützt er einen Arm auf den anderen, selbstkritisch, nachdenklich, aufmerksam. Er sei mit dem, was er erreicht habe, "noch nicht zufrieden". Das wichtigste Geständnis aber war sein Zurückrudern beim Stadtbild. Nicht, dass wir die Probleme nicht weiterhin haben. Aber: "Heute würde ich das so nicht mehr sage", beschied der CDU-Chef auf die Frage einer jungen Frau.
Der Zurückruderweltmeister
Da war er wieder, der Zurückruderweltmeister, der sich von der Zahnfee distanzierte, von der Schuldenbremse und von der Strompreissenkung und dabei doch immer er selbst blieb. Allen gefallen, jedem zum Munde reden. Ein Artist in der Aufmerksamkeitsmanege, dem das Zirkuszelt über dem Kopf zusammenstürzt, der aber vollkommen glaubwürdig wirkt, wenn er sagt, er sei damit noch nicht zufrieden.
Als Ouvertüre zu einem denkwürdigen Fernsehabend war Merz stark. Selbst die regierungskritische "Tagesschau" konnte dem Regierungsschau anschließend kaum eine direkte Lüge nachweisen, allenfalls ein paar kleine Falschaussagen und ungenaue Auskünfte. Doch als Merz ging, begann das eigentliche Spektakel erst. "Die 100 - Was Deutschland bewegt", so getauft als Referenz an die gleichnamige Buchreihe von Kass Morgan, die das Schicksal von hundert jugendlichen Straftätern beschreibt, die fast 100 Jahre nach einem Atomkrieg zurück auf die Erde geschickt werden, toppte den Unterhaltungsfaktor des Merz-Auftritts um Längen.
Ein Spiel um die Zukunft
Als Spielshow um Deutschlands Zukunft aufgezogen, präsentierten Anna Planken, Ingo Zamperoni und Tobias Krell eine "Deutschland-Party" mit Maskottchen "Schlandi", die jeden Verdacht, irgendetwas könne gerade nicht ganz optimal laufen im Land mit Trötmusik, Lichteffekten und Jubelgeschrei ausräumte. Noch nie wurde in einer eigentlich politischen Sendung in Deutschland so temposcharf mit Regietricks, Verdrehungen nach Drehbuch und den bei Zauberkunststücken üblichen Ablenkungsmanövern gearbeitet.
Was Deutschland bewegte, war hier die frohe Botschaft, dass Deutschland "allen Grund zu feiern" habe, wie Planken enthemmt ausrief. Das Partyvolk im Parkett, das entlang der gesellschaftlichen Spaltung durch Farbmarkierungen in Gut und Böse getrennt worden war, folgte der bewusst so gestellten Frage "Wird Deutschland gut regiert?" Ursprünglich hatte es heißen sollen, "wird Deutschland gut oder sehr regiert". Aber weil die Lieferkette zur chinesischen Plakatmalereifirma gerissen ist, fehlte es an den nötigen Buchstaben, um eine wirklich harte Abstimmung durchzuführen.
Die Versorgungslage mit Hebammen
Es musste auch so gehen. Und es ging. Wie die Bürger Merz zuvor "mit kritischen Fragen" (T-Online" Marke "Was sagen Sie zur Versorgungslage mit Hebammen" förmlich bombardiert hatten, so traf die nachfolgende Sendung zur Sendung unvorbereitete Zuschauer mit experimentellen Versuchsanordnungen, die nur verstehen kann, wer bei der ARD arbeitet.
Merz' Stadtbildaussage etwa führte über mehrere kurzgefasste Moderationssimulationen zum großen deutschen Hautfarbenvergleich. Wie Rasseforscher vor mehr als 100 Jahren mit Linealen und Kopfmusterformen, mit Ellen und Maßband aufbrachen, um vermeintliche Rassemerkmale durch Schädelvermessungen und Musterkörpereinordnungen zu systematisieren, hantierten die Moderatoren jetzt mit einer Musterfarbtafel, um festzustellen, wer ins Stadtbild passt.
95 Prozent Interpretation
Fünf Prozent Fakten, 95 Prozent Interpretation. Die ARD machte ihrem Ruf als eine der herausragenden Meisterwerkstätten für mediale Manipulation alle Ehre. Ein herumstehender Zuschauer ist empört. Wie ein Racial Profiler der Bundesbahnhofspolizei sucht sich Moderator Till Nassif einen kräftig gebauten jungen Mann mit Topfschnitt aus, um seien Farbschablone auszuprobieren. Er sei das gewöhnt, sagt der Testmensch, das gehe seit Jahren so und werde irgendwie auch immer schlimmer.
Werden wir also doch schlecht regiert? Kann gar nicht sein. Deutschland sei doch "die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt!", ruft Anna Planken und deshalb seien ja auch "zwei Drittel der Deutschen zufrieden". Jetzt schon! Dazu komme aber nun noch das XXL-Schuldenpaket, 500 Milliarden, mehr als Deutschland je gesehen hat! "Das soll alles gehen in unsere Wirtschaft!" Einige um die Ansager schauen noch skeptisch. Anna Planken räkelt sich in einem echten Flüchtlingsbett. Migration ist beendet, sagt sie. Das habe Merz auch geschafft. Die angereisten Fans dürfen später mit anpacken und die Flüchtlingsbetten nach draußen tragen. Wir haben das geschafft!
Der Stimmungsumschwung ist da
Doch die Sache dreht sich, der Stimmungsumschwung, den Merz schon für den Sommer zugesagt hatte, er ist jetzt da. "Merz, der Macher!", ruft Planken. Der Kanzlerer werde "das Geld raushauen, investieren und will uns damit nach vorne bringen". Wehe denen, die nur auf die Wirtschaftsdaten schauen, in die eigene Brieftasche, auf die Rechnungen. "Davon merken wir im Moment noch nichts", sagen die. Aber Anna Planken, die in ihrer absurden Rolle als Merzens Marktschreierin sichtlich aufgeht, ruft einfach "Aber nächstes Jahr!" Und noch mal "Deutschland hat Grund zu feiern!"
Grund zum Feiern
Jetzt fliegen im Saal die Löcher aus dem Käse. Jetzt wollen alle besser regiert werden durch strengere Regeln, mehr Migration, offenere Grenzen, mehr und viel höhere Schulden, höhere Steuern, Bestrafungen für Abweichler, Humorverbote. Friedrich Merz wäre stolz auf seinen Sender. Lars Klingbeil könnte, würde er draußen vor der Halle warten, mit einem Schlag fast allen verbliebenen SPD-Wählern ein Autogramm geben.
Kaum einer wagt es sich noch, auf der falschen Seite zu stehen oder sich mit der falschen Meinung zu Wort zu melden. Eine mutige Frau wird beklatscht, weil sie es wagt, den Satz „Es gibt nicht DIE Flüchtlinge, es gibt nicht DIE Migranten, es gibt nur Menschen" auf offener Spielfläche auszusprechen, obwohl rein rechnerisch 25 AfD-Wähler mit im Saal sind.
Sie habe sowieso ein Problem mit dem Wort Migrationsproblem, springt ihr eine andere Dame zur Seite, so dass jeder weiß, dass die 25 unter den 98 anderen sein müssen. 97 sind es, als der dritte Tapfere klagt, dass er es "einfach unmenschlich" finde, "wie die Diskussion geführt wird". Die Menge unter Verdacht schrumpft auf 96, als der nächste seine Empfehlung abgibt: Einfach mal nicht immer nur über Migration reden, sondern "darüber, was wir damit erreichen können".


"Was wir damit erreichen können" - Genossen, lasst uns doch das Positive sehen!
AntwortenLöschenDer Farbtest ist natürlich geklaut.
AntwortenLöschenhttps://www.youtube.com/shorts/P6ZlVwtvFSo
Der neue 'unabhängige' Medienrat ist, wie man dem Text auf evangelische-zeitung.de entnehmen kann, zu 100% abhängig
Die Mitglieder sind vom Wohlwollen der verfassungsfremden Ministerpräsidentenkonferenz, der Sender selbst und natürlich von der Existenz des GEZ-Funks abhängig, weil der ihre Spesen bezahlt.
...das gesamte öffentlich-rechtliche Sendersystem von außen betrachten und Impulse für dessen Weiterentwicklung geben.
Also Bullshit.