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Honigkuchenpferd und der Mann, der sie "Hassprediger", "Irrer" und "Putin-Freund", "Frauenfeind", "verurteilter Straftäter", "Rassist" und Faschist nannten. |
Es hätte im schlimmsten Fall schrecklich enden können. Unvergessen ist die Szene, die Donald Trump und sein Vize JD Vance dem ukrainischen Präsidenten Volodymyr Selenskyj bereiteten, nachdem der sich kurzfristig geweigert hatte, einen vorab vereinbaren Vertrag mit den USA zu unterschreiben. Trump und Vance führten den Ukrainer vor. Europa sah die westliche Welt vor seinen Augen zerfallen. Trump würde die Ukraine nun aufgeben. Er würde die Nato verlassen. Man müsse nun hart bleiben und ihm deutlich machen, dass er weit mehr zu verlieren habe als die europäischen Partner, die gut ohne die Vereinigten Staaten klar kämen.
Europa unter Schock
Europa stand unter Schock. Deutschland rief schon wieder eine Zeitenwende aus. Dieselben Politiker, die den US-Präsidenten in dessen erster Amtszeit wegen seiner Forderung verhöhnt hatten, jedes Nato-Mitglied müsse zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die eigene Verteidigung investieren, hoben plötzlich die Hände, um über Nacht und ohne jeden Plan ausgerufene "Sondervermögen" auf die Staatsschulden zu häufen. Dieselben Parteien, die gerade noch das Klima als wichtigstes Menschheitsthema beschworen hatten, echauffierten sich nicht mehr über die "Aufrüstungsforderung von Trump" (Lars Klingbeil, 2018), scharen sich nun um den Amerikaner, als sagen der nur, was sie schon immer gedacht hatten.
Friedrich Merz im weißen Haus, das durfte alles werden, aber kein Selenskyj-Desaster oder eine Vorführung, wie sie Südafrikas Präsident Ramaphosa im Oval Office erlebte. Merz hatte vorgebaut und die Amerikaner gewarnt: Er werde "nicht als Bittsteller kommen", "nicht mit leeren Händen" und selbstbewusst, aber "zugewandt" auftreten. Kein Mann für Theater, sondern einer, der als Partner auf Augenhöhe mitreden will, wenn über Krieg, Frieden, Zölle und Staatsausgaben entschieden wird.
Überragender Münsterländer
Körperlich gesehen überragt der Münsterländer den Enkel eines Pfälzers aus Kallstadt sogar und leere Hände hatte er wirklich nicht. Eine nachgemalte Geburtsurkunde des Trump-Opas hatte Merz dabei, als Präsent, für das sich ein sichtlich gut gelaunter Trump freundlich bedankte. Einen Ehrenplatz werde der goldene Bilderrahmen bekommen, hieß es. Gleich anschließend lobte Trump seinen Gast dafür, wie schnell er umfallen könne: Mitte Mai noch hatte Merz es abgelehnt, sich auf ein Prozentziel bei den Rüstungsausgaben festnageln zu lassen. Noch ehe sein Flugzeug in Washington landete, hatten seine Mitarbeiter dem Weißen Haus offenbar signalisiert, dass das "magische Ziel" (Morgenpost) kein Problem mehr sei.
Ein bisschen spitzer Bleistift ist dabei, wie immer, wenn Deutschland hinterm Zeitplan einläuft. Als Merzens Vorgänger Olaf Scholz dem Militärbündnis im Februar 2024 erstmals stolz und ganz überraschend ein erreichtes zwei-Prozent-Ziel meldete, hatten die Taschenrechnerkrieger im Kabinett zum regulären Wehretat nicht nur knapp 20 Milliarden Euro aus dem Sonderschuldentopf für die Zeitenwende addiert, sondern zusätzlich auch Kindergeld für den Nachwuchs von Bundeswehrsoldaten, die Pensionszahlungen ehemaliger NVA-Offziere und die 5.000 Schutzhelme für die Ukraine.
Das Wunder der 2,01 Prozent
Dazu kamen so lange Malerarbeiten in Kasernenklos und die Kosten für das Verschneiden von Rosenhecken vor Stabsbaracken bis fest stand: Obendrauf noch die Ausgaben für Entwicklungshilfe und dies und das vom Auswärtigen Amt. Und oh, Wunder: Auf einmal lagen die deutschen "Militärausgaben" sogar bei 2,01 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Die Nato-Außenminister haben sich bei ihrem Gipfel in Brüssel, der zeitgleich zum Treffen von Merz und Trump stattfand, ein Beispiel daran genommen. Die fünf Prozent sind nur 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, der Rest kann durch "sicherheitsrelevante Investitionen" nachgewiesen werden. Straßen, die nach Osten führen. Brücken, die panzertauglich saniert werden. Zivilverteidigungsschulungen. Schießunterricht. Der Fantasie der Ministerialbürokratie sind erfahrungsgemäß keine Grenzen gesetzt.
Selbstgehärtete Bunker
Der Bau von Bunkern etwa ist ein vielversprechender Investitionsbereich. Die alte Bundesregierung hatte es noch abgelehnt, für Schutzbauten überhaupt Geld zugeben hatte. Weil derzeit in ganz Deutschland kein einziger offiziell zugelassener Schutzraum in Deutschland existiert, so die Überlegung, wäre jeder Versuch vergebens, für 84 Millionen Menschen eilig irgendetwas graben und betonieren zu lassen. Es würde ohnehin nicht reichen, nicht einmal für kaum jemanden.
Stattdessen setzten die Merkel und die Ampel-Regierung auf "bauliche Selbstschutzräume", wie sie Prepper bevorzugen: Dabei handelt es sich einfach und ganz gewöhnliche Kellerräume unterhalb der Erdoberfläche, die von den Eigentümern selbst "gehärtet" werden sollen – etwa durch die Abdeckung der Kellerfenster mit Hilfe von Beton- oder Stahlplatten. Das ist im Ernstfall nützlich wie eine Aktentasche über dem Kopf gegen eine 500-Kilotonnen-Kernwaffe in zwei Kilometer Entfernung. Aber "die am schnellsten umsetzbare und kostengünstigste Schutzmöglichkeit für den Großteil der Zivilbevölkerung".
Merz' kommt in Frieden
Das könnte sich schnell ändern, denn dass es der Staat allein sein muss, der fünf Prozent für Rüstung ausgibt, steht nirgendwo. Merz' Friedensangebot war im Weißen Haus wohlwollend aufgenommen worden. Trump lobte seinen Gast als "großartigen" Kerl und sehr respektierten Mann, ein bisschen kompliziert, aber das sei doch "besser als einfach", scherzte der Präsident.
Deutschland Kanzlers zeigte eine Art Honigkuchenpferdgesicht, im Sitzen wurde er mit jedem Streichler größer. Vom "sehr klar meine Meinung sagen", wie es Merz vorher angekündigt hatte, blieb nur ein winziger Aufstand, als Merz die Ukraine dafür lobte, weil sie "nur militärische Ziele, nicht auf Zivilisten oder die Energieversorgung" angreife. 2:47 Minuten spricht Merz in dieser historischen Nichtganzstunde. 43:23 Minuten bleiben Trump.
Der Koch ist wieder der Koch
Aber das Ergebnis ist jede Sekunde wert. Fast unwirklich mutet es an, dass ein deutscher Spitzenpolitiker im Ausland nicht als Lehrmeister, Forderer und Vorbild auftritt. Merz" Vorgängerin Angela Merkel hatte diesen "Am deutschen Wesen"-Stil in Trumps erster Amtszeit entwickelt. Der Ampel-Kanzler und seine Außenministerin hatten ihn bis zur peinlichen Vollendung perfektioniert. Jetzt aber sitzt da Friedrich Merz, daheim als "FTZFRZ" verhöhnt, und vollzieht elegant und ohne aufzustehen einen Hofknicks vor dem US-Präsidenten, der nicht anderes ist als ein Fußfall.Kraftprobe beendet. Aufstand abgesagt. Der Koch ist doch wieder der Koch, der Kellner kellnert. Jeder ist dankbar, seinen Job zu haben. Friedrich Merz sitzt sichtlich glücklich neben Donald Trump, der dieses und jenes referiert, von Thema zu Thema springt, die Journalisten ab und zu mal um eine Frage an Friedrich bittet und dann doch lieber wieder selbst weiterspricht. Jede Sekunde, die vergeht, es ist dem neuen deutschen Chefdiplomaten förmlich anzusehen, verringert die Gefahr, dass der US-Präsident doch noch üble Dinge wie die Meinungsfreiheit anspricht. Etwas sagt, dem man für die Leute daheim an den "Tagesschau"-Empfänger zumindest leise widersprechen müsste.
Trump tut dem Deutschen den Gefallen.
6 Kommentare:
Gestern zwang ich mich zu einer halben Stunde Welt-Politik-Beobachtung und fand nur zu Gold erklärten Unrat vor.
Die diplomatisch übliche Schönwetterbegrüßung unseres Großen Fritz (1,98m) beim michelmedial über Jahre zum Höllenfürsten erklärten DT wurde per Dauerlaufband zum freundlichem Empfang aufhübscht, damit jeder Piefke auch mitbekommt, wie wichtig sein neuer Olaf ist.
Doch dann folgte vor dem berühmten Kamin im Oval Office ein die Reporterfragen zur US-Innenpolitik beantwortenden ausführlichster Monolog des Potus, während der hier so wichtige Kanzler Merz wie ein braver Chorknabe mit beteten Händen abwartend daneben saß und gelegentlich auch mal einen kurzen Satz in seinem hervorragenden Black-Rock-English beitragen durfte.
Er wurde zwar nicht gemaßregelt, aber weitgehend ignoriert. Ein Beweis, dass man ihn dort noch weniger wichtig nahm als die beiden dort zuvor empfangenen und kritisierten Staatsführer aus UA und SA.
Ich habe diese telegene Präsentation deutschen Pinschertums dann hämisch lachend abgeschaltet.
es war eine vorführung der ganz anderen art - deutschlands kanzler ist einer, mit dem trump nicht einmal sprechen muss, weil er weiß, dass die gefolgschaft wiederhergestellt ist. den us-medien ist das auch klar, sie haben keinerlei fragen an den deutschen, der im lehnstuhl sitzt, als sei er selbst einer. die deutschen medien feiern den auftritt als gelungene klarstellung der deutschen positionen. und das war es ja auch
Ich hoffe, die NYT ist unverdächtig. Die schreiben für sich selbst, ihren Ego, ihr Dasein und weil sie gegen sind. Gegen was auch immer.
https://www.nytimes.com/2025/06/06/world/europe/germany-merz-trump-visit.html
"But Mr. Merz did not leave with defined policy victories.
Mr. Trump did not offer more weapons or other further support for Ukraine. There was no trade breakthrough."
Das ist nichts weiter als das in den Boxring geworfene Handtuch. Haben die deutschen Medien zu erwähnen vergessen.
Die Anmerkung
Ich hoffe, die NYT ist unverdächtig
Oh heilige Einfalt.
@anmerkung: er hat nicht geweint und nichts falsches gesagt. das ist schon ein sprung!
Julian Reichelt war ja auch da und hat die freie deutsche Presse vertreten. Leider hat er bloß vergessen, was zu fragen.
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