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| Die Initiative "Fridays for Frieden" ruft zum Schulstreik gegen Verteidigungsfähigkeit. |
Es geht wieder los, Freitag ist wieder Streiktag. Zwei Jahre nach dem Rückzug der weltweiten Klimabewegung Fridays for Future ins Kernland Deutschland und ein Jahr nach dem endgültigen Wechsel von der Straße ins Talkshow-Studio schickt sich eine neue Schüler*innen-Generation an, den Staffelstab der von der Schwedin Greta Thunberg gestarteten Proteste gegen das Klima aufzunehmen.
Wieder sind die jungen Leute Teil einer neuen weltweiten Bewegung, die sich auf Deutschland konzentriert. Wieder bewegt sie vor allem ein Eigeninteresse. War es eben noch der Klimawandel, der ihnen Angst machte, sind es jetzt die Aussichten, in Zukunft wieder wie frühere Generationen für einen Dienst in den Streitkräften des Landes gemustert und später vielleicht sogar für ein halbes Jahr in Uniform eingezogen zu werden.
Keiner hört auf sie
Sie wollen das nicht. Und sie wehren sich mit den Mitteln, von denen ihnen Eltern, Lehrer und Medien eingeredet haben, dass sie wirksam sind. Petitionen, öffentliche Klagen in Interviews, Rufe nach Beteiligung bei der Abstimmung darüber, ob das Land verteidigt werden muss und ob junge Männer die geeignete Gruppe sind, das dazu notwendige Personal zu stellen. Vieles haben sie versucht. Nichts hat die gewählten Volksvertreter daran gehindert, schließlich doch zu tun, was sie für richtig halten.
Deshalb wird jetzt gestreikt. Deshalb verliert die Jugend die Geduld mit den Alten. Schülerinnen und Schüler streiken. Statt in die Schule zu gehen, werden sie auf der Straße sein. In 90 Städten sind Aufmärsche gegen die Wehrdienstpläne der Bundesregierung, der schon die Jungen nicht weiter trauen als sie gegen den Wind spucken können. "Erst das Los entscheiden und dann kommt die Pflicht für alle. Es heißt, wir sollen für Deutschland Krieg führen können", heißt es im Aufruf der "überparteilichen Jugendbewegung", für die ein Moritz Nagel verantwortlich zeichnet, von dem außer dem Namen nichts bekannt ist.
Aufstand bei Instagram
Die Bewegung, jung und außer beim amerikanischen Datensammelportal Instagram noch nirgendwo aktiv, richtet sich gegen den amtlich heraufbeschworenen Wehrwillen und gegen alle Zwangsdienste. Milliarden sollten für Bildung statt für Waffen ausgegeben werden, für "bessere Ausbildungsplätze, das Klima und unserer Zukunft".
Im Visier sind jedoch auch Altersgenossen, die wie die Anführer mehrerer Nachwuchsorganisationen politischer Parteien bereits bekundet haben, dass sie bereit sind, fürs Vaterland zu streben. Der Russe spielt in den Überlegungen der Initiatoren hingegen keine Rolle. Sie berufen sich auf ihr "Recht, in Frieden zu leben". Das sei Abschreckung genug, denn auch Putin sei bekannt, dass es verboten sei, fremde Länder anzugreifen.
PPQ hat die langjährige Jugendstreikbewegungsbeobachterin und Transitionsforscherin Frauke Hahnwech zu den Erfolgsaussichten der neuen globale Wehrverweigererbewegung befragt, die sich anschickt, Schlagzeilen zu machen. Hahnwech arbeitete lange als Gebärdendolmetscherin im sächsischen Bitterfeld, wo sie wegweisende EU-Papiere etwa zur "Just-Transition-Strategy" aus dem Politischen ins Deutsche übersetzte. Heute führt die 42-Jährige in Berlin eine sprachmedizinische Praxis mit Blick auf die Baustelle zur Erweiterung des Kanzleramtes um die berühmte große "Halle des Volkes".
PPQ: Frau Hahnwech, vor viele, vielen Jahren hat die junge Schwedin Greta Thunberg eine Klimabewegung begründet, die zwischendurch medial omnipotent schien. Mit Blick auf die ähnlich aufgestellt neue Gruppe Fridays for Frieden - was ist denn aus Fridays for Future geworden?
Hahnwech: Sie hat eine enorme Entwicklung durchlaufen: Die singuläre Aktion von Greta Thunberg hatte sich weltweit ausgebreitet, erst waren es wirklich engagierte Schülerinnen und Schüler, ganz jung oft, die in der Protestform "Klimastreik" ihre ersten rebellischen Aufwallungen ausleben konnten. Das "Schule-schwänzen-am-Freitag-um-zu-demonstrieren" hatte eine magische Anziehungskraft, auch auf Medien. Die verschafften der Bewegung einen untadeligen Ruf trotz der Grenzüberschreitung, dass da die Schulpflicht ignoriert wurde. Auf dem Höhepunkt der Entwicklung war FFF das Gewissen der Nation. Wer auf sich hielt, auch als älterer Mensch, musste sich da sehen lassen. Darin lag aber auch der Todeskeim.
PPQ: Wie muss das verstanden werden?
Hahnwech: FFF hat verschiedene Phasen durchlaufen. Aber als dort mehr Ältere als Kinder standen, war der Reiz für die Generation, die den Protest anfangs getragen hatte, verflogen. Niemand möchte mit 13 oder 15 gemeinsam mit den Omas gegen rechts oder der Ortsgruppe der Linken auf der Straße gesehen werden.
PPQ: Der Todeskuss war also die Vereinnahmung durch die Erwachsenenwelt?
Hahnwech: Das kann man so sagen. Bis 2019 ist "Fridays for Frieden" stark angewachsen. Viele Kinder merkten, dass es nicht bestraft wird, wenn man am Freitag nicht in der Schule erscheint, weil man demonstrieren will. Demonstrieren geht deutlich schneller, auch ökonomisch ist die Entscheidung, was ich tue, da für jeden rational denkenden Teenager nicht schwer. Dazu kommt ja, dass dem Schulstreiken ein Nimbus zugeschrieben wurde. Die sogenannten Klimademos sollten die Welt verändern können, schrieben die Zeitungen. Nehmen Sie noch die hochrangigen Adressen dazu, die Frau Thunberg und Frau Neubauer mit höchsten Ehren empfingen. Das ist dann etwas, an dem jeder teilhaben will.
PPQ: Kommen wir auf den aktuellen Anlass, im Grunde ist doch Fridays fort Frieden der Versuch, diesen Erfolg zu wiederholen, oder?
Hahnwech: Zumindest knüpft der Name und die Organisationsform dort an. Sie müssen bedenken, dass der Höhepunkt der Straßenproteste von FFF im September 2019erreicht war, als der sogenannte dritte globale Klimastreik zumindest in Deutschland fast sieben Prozent der Kinder und Jugendlichen als Teilnehmer zählte. Als FFF später die palästinensische Sache entdeckte, nachdem das Klimathema den führenden Persönlichkeiten zu unergiebig und zu langwierig geworden war, gelang es nicht mehr, genug Menschen zu mobilisieren, um die Behauptung aufstellen zu können, es seien Millionen an den Demos beteiligt. Ich sehe, dass das bei Fridays for Frieden von Anfang an ein Problem sein wird.
PPQ: Wieso denn? Ist Frieden nicht etwas, das alle Menschen wollen?
Hahnwech: Das sicherlich. Aber was versteht der Einzelne darunter? Sehen Sie, die früher so starke und vitale deutsche Friedensbewegung ist im Grunde genommen an dem Tag gestorben, an dem Putins Truppen die Grenze der Ukraine überschritten. Die Mitte, die immer den Ausschlag gibt, ob ein Randthema, das kleine, radikale Gruppen beschäftigt, zu einem gesellschaftlichen wird, das von einer Mehrheit als essentiell betrachtet wird, traut sich nicht mehr, für den Frieden zu sein. Sie hat Angst, dass das als Paktieren mit Putin ausgelegt wird. Also bleiben noch die Extremen vom rechten und linken Flügel. Dieses Hufeisen ist weitgehend einer Meinung, aber im Glauben an das richtige Handeln gespaltener als die Regierungskoalition in Berlin.
PPQ: Aber heißt es nicht, beide Seiten seien russlandfreundlich?
Hahnwech: Das ist ein Nebenaspekt. Worum es geht, ist die Reaktion hier bei uns. Wenn die einen die Deutschlandfahne schwenken und dazu Picassos Friedenstaube, tragen die anderen die rote Fahne mit Hammer und Sichel und die Palästinenserfahne. Die eine glauben, man müsse den Krieg verbieten, die anderen, man solle sich durch demonstrative Wehrlosigkeit verteidigen. Daraus entsteht keine Volksbewegung.
PPQ: Wo ordnen sie Fridays for Frieden in diesem Spektrum ein?
Hahnwech: Das ist eine interessante Frage, denn diese Gruppe, die wir ja noch gar nicht so gut kennen, passt weder in die eine noch in die andere Ecke. Ich würde sie eher zu den sogenannten Selbstnutzdemonstranten rechnen, also in der Nähe einer Bewegung sehen, wie wir sie in Deutschland zuletzt bei den Massenprotesten gegen Hartz 4 hatten.
PPQ: Das klingt jetzt ein wenig verschroben. Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
Hahnwech: Sehen Sie, bei öffentlichen Aufmärschen ordnen wir in der Wissenschaft erstmal stets danach, ob dort Menschen für ein übergeordnetes Ziel oder für ihre eigenen Vorteile auf die Straße gehen. Im Fall einer Demonstration, die in Deutschland ein Ende des Krieges im Sudan oder mehr Entwicklungshilfe für den Iran fordert, liegt auf der Hand, dass die Motive der Demonstranten philanthropisch sind. Werden ihre Forderungen erfüllt, haben sie selbst nichts davon, außer ein gutes Gefühl, etwas Tolles für andere erreicht zu haben.
PPQ: Der Gegenentwurf ist?
Hahnwech: Den Gegenentwurf fanden wir im Grunde auch schon bei Fridays for Future. Denken Sie an die Forderungen, in denen behauptet wurde, die Erde gehöre kommenden Generationen, die derzeit lebenden Menschen müssten so leben, dass es denen, die nach ihnen kommen, möglichst gut geht. Und so weiter. Ich erinnere an den Satz einer Aktivistin, dass die Älteren doch bitte die Klappe halten sollten, weil sie dann später ja ohnehin nicht mehr da sein würden. So etwas nennen wir egozentriertes Engagement. Die Teilnehmer sehen sich selbst und ihre eigenen Interessen als einzig wichtige. Und mit einem solchen haben wir es auch bei Fridays for Frieden zu tun.
PPQ: Erklären Sie unseren Lesern doch bitte, wie Sie darauf kommen?
Hahnwech: Das ist ganz einfach und schon anhand der Zeitleiste unwiderlegbar. Der Krieg in der Ukraine läuft jetzt seit fast drei Jahren, manche sagen sogar, er läuft seit elf Jahren, wie auch immer. Haben wir in dieser Zeit Jugendliche auf der Straße gesehen, die für den Firden demonstriert haben? Massen von Teenagern, die ihre Schulen bestreikten, um Putin zur Umkehr zu bewegen? Oder die Führerinnen des Westens dazu zu bringen, in Friedensgspräche einzusteigen? Ich sehe an Ihren Gesicht, dass auch Sie sich an dergleichen nicht erinnern.
PPQ: Und was sagt uns das?
Hahnwech: Es sagt uns klipp und klar, dass es den Demonstrierenden und Schulstreikenden, mit denen wir es jetzt zu tun haben, nicht um den Frieden geht. Denn sehen Sie: Diese Schulstreik-Aufrufe kommen ausgerechnet kurz nachdem die Wehrpflicht quasi auf Raten wiedereingeführt wird! So wenig Krieg und Frieden die Teenager beschäftigt haben, weil das gerade für einen 15- oder 17-Jährigen weit weg ist, so sehr beschäftigt jetzt alle die Bedrohung, unversehends wie frühere Generationen auch wieder Uniform tragen und dienen zu müssen. Hier finden wir die Motivation, die die Beteiligten dazu bringt, jetzt auf einmal für den Frieden zu sein.
PPQ: Ist denn das verwerflich?
Hahnwech: Keineswegs. Solche Jugendbewegungen zeichnen sich immer dadurch aus, dass sie am Anfang utopische Forderungen stellen, ihre eigene Bedeutung überschätzen und letztlich auch nur ein vorübergehendes Phänomen sind. Bei Fridays for Future hieß es zu Beginn, die Politik müsse "ihre Hausaufgaben machen", jetzt klagen die jungen Leute, sie würden "nicht gehört und nicht gefragt. Jeder Erwachsene weiß, dass eine parlamentarische Demokratie genau so funktioniert - Sie fragen nicht die Frösche, ob der Sumpf trockengelegt werden soll, sondern die Wählerinnen und Wähler, wer für sie entscheiden soll, ob es überhaupt ein Sumpfproblem gibt.

Strack-Zimmermann wird persönlich mit dem Wasserwerfer hinfahren. Kein Krieg gegen den Russen? Nicht mit Agnes!
AntwortenLöschenSowas muß man schon gesellschaftlich breiter anlegen. Dazu gehört natürlich auch das Fach Wehrkunde in der Schule. Wozu hat man denn die vielen grünen Lehrer ?
AntwortenLöschenSie streiken mal für was vernünftiges. Das muss natürlich sofort verboten werden.
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