Montag, 24. August 2015

Open range: Europa und die Binnenflucht

Die coole Idee, vier mazedonische Zöllner und einen serbischen Schaffner die deutschen Außengrenzen kontrollieren zu lassen, macht neuerdings Probleme.
Ein Zittern in der Macht ist zu spüren, seit "die stark steigende Zahl von Flüchtlingen" die deutsche Politik vor eine ernste Frage stellt. Wie die nicht beantworten? Wie vermeiden, dass es vielleicht ein Fehler war, die deutschen Außengrenzen nur noch von vier mazedonischen Zöllnern und einem serbischen Schaffner bewachen zu lassen? Wie verbergen, dass ein Schengen-Abkommen, in dem am Ende Tschetschenen mit Asylstatus in Polen nach Deutschland flüchten können, nicht der Weißheit letzter Schluss sein kann?

Sie heben die DiskussionDiskussion einfach auf eine andere Ebene. In Tagen, in denen sich deutlich er noch als in der Finanzkrise zeigt, dass am ende eines jeden Tages allein nationale Verantwortung zählt, weil sie die einzige ist, die zu tragen Männer und Frauen demokratisch legitimiert sind, versucht neben diversen Unionskämpen auch das moribunde SPD-Spitzenduo Sigmar Gabriel und Frank Steinmeier, eine europäische Verantwortungsebene zu erfinden, um das eigene Versagen zu vertuschen.

Nun geht es plötzlich um "eine einheitliche Asylpolitik in der EU", der sich die europäischen Nachbarstaaten nicht länger verweigern sollen. Die Forderung nach Einheitlichkeit ist hier natürlich nichts anderes als eine Forderung nach einheitlichen Quoten für alle - die Slowakei und Polen, Estland und Portugal sollen so viele Flüchtlinge aufnehmen wie Deutschland.

Bislang verweigern die Länder das. Und die beiden Sozialdemokraten kritisieren, dass sei keine Reaktion, die dem Anspruch entspricht, "den Europa an sich selbst haben muss."

Gabriel und Steinmeier tanzen dabei weiter im Illusionswalzer, der davon singt, dass "eine faire Verteilung von Flüchtlingen in Europa" (Gabriel, Steinmeier) geben könne, die durch staatliche Verfügung und einen europaweit verabredeten Kodex herstellbar ist. Doch Kodex, Pakt, europäischer Schulterschluss hin und her: So lange Flüchtende es reizvoll finden, in Schweden, Dänemark oder Deutschland zu leben, nicht aber, eine neue Heimat in Spanien, Lettland oder Tschechien zu finden, wird die "Lage, in der - wie heute - nur einige wenige Mitgliedstaaten die ganze Verantwortung tragen" (Gabriel, Steinmeier) nicht zu ändern sein.

Die offenen Grenzen in der Union, von Dänemark bereits vor vier Jahren als Achillessehne der staatlichen Autorität erkannt, zementieren "ein System, das Lasten einseitig auf die Länder verteilt, die zufällig die Außengrenze der EU bilden" (Gabriel, Steinmeier). Oder eben bei Flüchtigen als besonders attraktiv gelten.

Nun heißt es, Spuren verwischen, Verantwortlichkeiten vertuschen, falsche Fährten legen, Sprachballons ins Nirgendwo steigen lassen, wo sich wie bei all den Pakts und Runden Tischen bisher jede individuelle Entscheidungsmöglichkeit in eigener Sache in einem anonymen Streit auflöst. Dessen Überschrift ist schon gefunden, die Bundesworthülsenfabrik hat "europäischer Asyl-Kodex" vorgeschlagen. Gemeint ist eine "neue, viel ehrgeizigere Integration der europäischen Asylpolitik" (Steinmeiner, Gabriel) die "entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit nach verbindlichen und objektiv nachvollziehbarem Kriterien Aufnahmequoten für alle Mitgliedstaaten festlegt".

Wie diese Quoten bei offenen Grenzen eingehalten werden sollen, sagen Steinmeier und Gabriel selbstverständlich nicht.

1 Kommentar:

  1. "Europäische Verantwortungsebene", der war gut.

    Das hatglatt das Zeug zum Unwort des Jahres.

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