Samstag, 23. März 2024

Dunkeldeutschland: Eine Stunde Nacht im Paradies

Wem die Stunde schlägt: Die verrückte Idee einiger Australier ist zu einem alljährlichen Feuerwerk der medialen Dunkelheit geworden.

Es ist wieder so weit und diesmal lohnt es sich sogar. Litten die letzten Auflagen der "WWF Earth Hour" ®© noch unter Energiemangellage und Sparappellen, die es vielen unmöglich machten, auch nur für eine symbolische Stunde das Licht auszuschalten, weil es aus globalstrategischen Gründen ohnehin ebenso ausgeschaltet war wie die Gasheizung, ist seit der von Robert Habeck offiziell für beendet erklärten "Energiekrise in Deutschland" wieder Luft für Engagement am Lichtschalter. Die "einfache Idee, die rasend schnell zu einem weltweiten Ereignis wurde" (WWF), schickt sich an, wieder Behörden, Institutionen, zivilgesellschaftliche Kräfte und Wundergläubige auf der ganzen Welt zum Mitmachen zu motivieren.

Licht aus fürs Gewissen

Nichts ist einfacher als das: Wer ein gutes Gewissen haben will, macht heute Abend um 20.30 Uhr Ortszeit das Licht für einen Stunde aus - überall dort, wo zu dieser samstäglich entspannten Stunde ferngesehen wird, ist das gar kein Problem, denn die Initiatoren vom World Wildlife Found haben auch bei der 18. und #BiggestHourForEarth keine Fernsehgeräte im Visier. Nebenan in den geschlossenen Rathäusern, Verwaltungsbauten und Ministerien ist das Mitmachen noch leichter, denn dort überall sind die Lampen schon seit Freitag ausgeschaltet. Die Dunkelheit, die allenthalben herrscht, verändert allerdings ab Punkt halb neun ihr Wesen: Von der passiven Finsternis wechselt sie binnen einer Sekunde in einen aktiven Zustand, der "ein Zeichen für einen lebendigen Planeten" setzt und "mehr Ambition beim Klimaschutz fordert" (WWF).

"Deine Stunde für die Erde!" ist das Motto der folgenden 60 Minuten. Ziel ist es, den im vergangenen Jahr gemessenen Zeichensatz von 410.000 Erdstunden, die in "über 190 Ländern und Territorien" (WWF) "for our one shared home" im Finsteren verbracht worden sein sollen, noch zu übertreffen. Luft ist, denn von acht Milliarden Erdenbürgern haben bisher nur beunruhigende 0.005 Prozent mitgemacht - obwohl sich in Deutschland auch damals schon "mehr als 575 Städte und Gemeinden" (WWF) beteiligt hatten. Geht da diesmal mehr? Können Reutlingen, Hamburg, Lübeck, Braunschweig, Wuppertal, Kleve und Bamberg sich für einen Moment in Dunkeldeutschland des Guten verwandeln und ihre bekanntesten Bauwerke zu verfinstern, dass mit dem "Lights off"-Moment (Hindustan Times)  "gemeinsam ein Zeichen für den Umwelt- und Klimaschutz" gesetzt wird?

Im Dunkeln sieht man nicht

Die im Dunkeln sieht man nicht, doch sie müssen da auch nicht einfach sitzen und warten, dass die Zeit vergeht. Erlaubt ist in dieser dunkelsten Stunde der Erde nach den Empfehlungen des WWF zum Beispiel, ein Essen zu kochen, dass den Planeten und den eigenen Gaumen stolz macht. Wer schon gegessen hat, so spät soll man ja nicht mehr, kann im Dunkeln ein Outdoor-Abenteuer planen, um sich "wieder mit der Erde zu verbinden", oder Popkorn essen und eine Naturdoku anschauen. Gestattet ist auch, eine Kamera zu benutzen, um "die Welt durch eine neue Linse" zu sehen - wer nichts sieht, weiß, dass er die Hauptregel korrekt befolgt und das Licht ausgeschaltet hat.

Medien sind von der "Stunde der Erde" Jahr für Jahr begeistert wie von einem Feuerwerk. Die Schnapsidee einiger Australier, 2007 erdacht, hat seitdem etwa so viel Wirkung gezeigt wie der seit Tausenden Jahren von Päpsten zu Ostern erflehte Friede für Stadt und Erdkreis. Doch die Vorstellung, man müsse nur 60 Minuten im Dunkeln ausharren, "damit anderen ein Licht aufgeht" (WWF) und sie sich "für mehr Anstrengungen beim Klimaschutz aussprechen", hält sich trotzdem hartnäckig wie der Glaube an Globuli und Horoskope. Dass bisher keine Fortschritte zu sehen sind, kann in dieser Logik nur daran liegen, dass es noch nicht dunkel genug ist. Vielleicht sollte "Schwarzafrika" (Der Spiegel) auch mitmachen? Oder Südamerika? Und Arabien? 

Eine Hälfte in Dunkelheit

So lange sich dort verweigert wird, versinkt nur die eine Hälfte der Welt in Dunkelheit, die aber mit aller gebotenen Leidenschaft. Der Kölner Dom und das Rathaus von Frankenthal, der Löwenplatz von Weingarten, das wegen der anstehenden Landtagswahl ohnehin im Dunkel einer ungewissen Zukunft  liegende Leipzig, Dortmund und Düsseldorf, das Wert darauf legt, seine Lichter nicht nur für das Klima, sondern gleichermaßen für die "Stärkung der Demokratie" ausschalten zu wollen - der Lichtschalter ist die Waffe für den aktiven Schutz des Planeten.

Eine Beschwörung, die nicht wirkt, nicht hilft und nichts nützt, aber dem "aktuellen Zeitgeist" (WWF) damit ganz genau entspricht: "Wir wollen in diesem Jahr die Earth Hour als Moment füreinander, für unsere Erde nutzen und gemeinsam zeigen: Wir stehen ein für mehr Klimaschutz, für gegenseitigen Respekt, für Demokratie", hat die "Klimachefin"des WWF Deutschland in zwei Halbsätze mit zwei "Wir" und sieben Buzz-Worten zusammengefasst, wie dringend die Verdunklung ist.

3 Kommentare:

  1. Danke für die Erinnerung. Werde pünktlich 20:30 damit beginnen, mir die Lichter auszuschießen.

    Prost!

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  2. Aber die Spende an die globalen Globusretter nicht vergessen, damit sie uns immer an unsere Schuld erinnern können.

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  3. OT
    Danisch zum Mütterlein des Anzeigenhauptmeisters. -- Vorausgesetzt, sie sei nicht Wählerin der Fünferbande, könnte einem das einem das arme Luder durchaus leid tun.
    Wäre bis vor einigen Jahren überhaupt kein Problem gewesen, aber, es ist Wunsch und Wille des Bonzengezüchtes, die individuelle Mobilität des gemeynen Volckes auf Null herunterzufahren. Da passt so etwas.

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