Samstag, 29. April 2023

Wegen Wirkungsgrad: Bundestag ändert physikalische Gesetze

Jede Überlandstromleitung fungiert aufgrund bisher geltender physikalischer Gesetze als ihre eigene Begleitheizung. Das kostet Energie und heizt das Klima auf - der Bundestag will das deshalb nun ändern.

Ärgerlich, unnötig und auch ein wenig blamabel. Nachdem führende Naturwissenschaftler in einem offenen Brief an die Bundesregierung deutlich gemacht hatten, dass sich mit einer Wärmepumpenpflicht aufgrund der bisherigen Gesetze der Physik keine Energie sparen lässt, haben die Ampelfraktionen im Deutschen Bundestag in Rekordzeit Änderungen verhandelt und fest vereinbart. Beim Ersten Gesetz zur Änderung der physikalischen Gesetze (1. GB 0-ÄndG PhyG) handelt es sich um eine sogenannte Novelle, also ein Änderungsgesetz bezeichnet, das im Gesetzgebungsverfahren ein oder auch mehrere andere bereits bestehende Gesetze in einzelnen Teilen abändert, um es kompatibel mit aktuellen Versprechungen zu machen.

Diese sogenannte Novellierung gilt als schneller Weg zu größerer Wirksamkeit. Das ist auch dringend nötig, denn mitten in der Bundesheizdiskussion hatten Forscherende, Forscherinnen und Wissenschaffende unter anderem aus dem bundeseigenen Climate Watch Institut im sächsischen Grimma milliardenteure Rechenfehler in den Klimaprojektionen und Heizungspumpenplänen der Koalition nachgewiesen. Nach den im politischen Berlin unwidersprochen gebliebenen Zahlen aus der Wissenschaft führt ein rascher Gesamtumbau des Landes auf Wärmepumpentechnologie nicht zu eingesparten Treibhausgasen und Klimagiften, sondern vielmehr zu einer Erhöhung des Ausstoßes. Ursache, so die Forschen, seien bisher unverändert gebliebene Gesetze der Physik wie etwa der Energieerhaltungssatz. 

Schädliche Energieumwandlungen

Der sorge trotz seines widersprüchlichen Namens für eine fortdauernde Energieentwertung bei jeder Energieumwandlung und -übertragung. Der Anteil der nutzbaren Energie verringere sich so, der Wirkungsgrad sinke, hatten die Experten gewarnt. Während ein Erdgas-Brennwertkessel seinen Betriebsstoff mit einem Wirkungsgrad von bis zu 95 Prozent in Wärme umwandle, die als Heizungsenergie oder warmes Wasser im Haushalt genutzt werden könne, müsse zur Erzeugung von elektrischen Energie, die einem Haushalt die gleiche Menge an Wärme liefern könne, in einem Kohlekraftwerk mehr als doppelt so viel Brennstoff verbrannt werden, weil der Wirkungsgrad eines Kohlekraftwerkes nur bei etwa 40 Prozent liege.

Dazu kämen aufgrund der bundesweit bisher geltenden Ohmschen Gesetze Übertragungsverluste von etwa sechs Prozent je 100 Kilometer 110-kV-Leitung, die sich nach Angaben der Internationalen Elektrotechnischen Kommission mit spannungsabhängigen Verlusten durch Koronaentladung, Verlusten im Rahmen der Blindleistungskompensation und Verlusten in den Leistungstransformatoren zu einem Übertragungsverlust vom Kraftwerk bis zum Verbraucher bis zu einem Sechstel summiert. Energie, die direkt das Klima anheizt, weil alle Verluste als Wärmeenergie in die Atmosphäre abgegeben werden.

Reaktion auf scharfen Alarmruf

Ein Alarmruf, der unmittelbar ankam und zu einer überaus raschen Reaktion führte. Wenige Konsultationen nun gab es, hinter verschlossenen Türen. Und nun liegt im Bundestag bereits ein Gesetzentwurf zur Änderungen der physikalischen Gesetze vor. Damit soll einer bessere Integration der Naturwissenschaften in die große Transformation der Weg geebnet werden. Die Fraktionen der Ampel-Parteien sowie die Linke haben dem Entwurf bereits zugestimmt, die Unionsfraktion dagegen verlangten Änderungen etwa bei den Hauptsätzen der Thermodynamik und der klassischen Mechanik. Die AfD-Abgeordneten enthielten sich. Die in mehreren Bundesländern als verfassungsfeindliche beobachtete rechtsextreme und rechtsextremistische Partei gilt als wissenschaftsfeindlich. Ihre Anhänger pädieren seit Jahren für eine Rückkehr zum deutschen Naturrecht.

Ungeachtet dessen soll das 1. GB 0-ÄndG PhyG Anfang 2024 in Kraft treten. Es sieht insbesondere vor, dass Firmen und Privathaushalte höhere Abgaben zahlen, wenn sie an den bisherigen Regeln und überkommenen Vorgaben der Physik festhalten. Dazu sieht der Gesetzgeber eine sogenannte Ausgleichsabgabe vor, die sich an den deutschen Zielen zum Beispiel für Leitungsverluste und Wirkungsgrade orientiert. Ab 2024 müssen Stromabnehmer nachweisen, dass sie bereits einen Wirkungsgrad von 3 bis 4 sicherstellen, so dass die Energieverlusten etwa in einem Kohlekraftwerk ausgeglichen werden. Ab 2025 greift dann auch die Verpflichtung, die durch das Ohmsche Gesetz festgeschriebenen Leitungsverluste am sogenannten Endverwertungsplatz durch "geeignete Maßnahmen" auszugleichen,wie es im Gesetz heißt. 

Ein Zeichen für alle Länder

Deutschland setzt damit mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen ein deutliches Zeichen für andere Ländern, die derzeit noch zögerlich auf die Naturgesetze schauen. Dazu gibt es keinen Grund, das hat der Bundestag unter Beweis gestellt. Nachdem die zuständigen Ausschüsse in ihren Sitzungen noch zahlreiche Änderungen und Ergänzungen am Ursprungsentwurf vorgenommen hatten, konnte ein kurzfristig eingereichter Entschließungsantrag der Union zu "Sicherung der Naturgesetze" abgewehrt werden. Abgelehnt mit den jeweils übrigen Stimmen des Hauses wurden auch ein Antrag der AfD-Fraktion mit dem Titel "Hände weg von physikalischen Größen" sowie ein Antrag der Fraktion Die Linke, die versucht hatte, unter dem Titel "Physik für alle – den globalen Süden nicht vergessen" eine deutsche UN-Initiative zur Beratung der geplanten Verbesserungen im globalen Maßstab voranzutreiben.

Glückt das Vorhaben der Ampel, wird die Novelle die deutsche Physik vom Kopf auf die Füße stellen. Neue Instrumente zu verbindlichen Formelzielen bei jeder Form von Energieumwandlung verpflichten Energienutzer dazu, ihre Verluste nach den Vorgaben eines Zielkorridors zu reduzieren. Der Gesetzentwurf zielt darüber hinaus darauf ab, dies über sogenannte smart meter digitale und in Echtzeit durchzuführen. Dazu werden zahlreiche neue, praxisrelevante Regelungen eingeführt, etwa Änderungen in der Grundschulmathematik, auch festgeschriebene Sanktionssummen soll es geben und eine scharfe Überwachung durch eine neue Bundesphysikbehörde (BPB). 

Bundesrat gilt als Formsache

Der Bundesrat, der der weitgehenden Änderung der physikalischen Gesetz noch zustimmen muss, das gilt allerdings als Formsache, forderte in seiner Stellungnahme nur leichte systematische Änderungen am Regierungsentwurf. Die Länderkammer begrüßte zwar das Ziel des Gesetzentwurfs, die Frage des Wirkungsgrades bei der Elektrifizierung des Landes kurzfristig zu verbessern, doch werde das Kernproblem außer Acht gelassen: Der Personalmangel bremse das Bundesheizungsaustausch-Programm, er könne nicht durch ein Personalbemessungsinstrument gelöst werden und auch die Hoffnung auf die vermehrte Einwanderung von Ofenbaufachkräften aus den Hauptfluchtstaaten habe sich bisher nicht erfüllt. Der Bundesrat warnte zudem vor einer übermäßigen Bürokratisierung und forderte einen flexiblen Einsatz der vorhandenen Wärmepumpenmonteure, wie aus der Stellungnahme weiter hervorgeht. 

Die EU muss den Plänen der Ampel-Koalition zu einer Neufassung der physikalischen Besetze abschließend noch zustimmen. Brüssel hat jedoch  im Rahmen des green deal bereits Zustimmung signalisiert.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Was ist denn „Deutsches Naturrecht“? Radbruch oder Rieger? Klingt aber interessant.

Anonym hat gesagt…

Für den Fall, dass die Umsetzung ins Stocken kommt, hat Robert Habeck den Austausch der Stahlseile von Überlandleitungen durch Supraleiter ab dem 1.1. 2024 verpfichtend vorgeschrieben. Kommen die Betreiber dem nicht nach, drohen Milliardenstrafen.

ppq hat gesagt…

so muss das. hart anfassen und scharf nachwaschen

Anonym hat gesagt…

Ich finde es empörend, dass ihr immer wieder meine ehemalige Heimstadt Grimma mit den Umtrieben der Politik in Verbindung bringt und diese Stadt, so abgeranzt sie auch sein mag, damit verunglimpft.

Schämt euch was.

ppq hat gesagt…

tun wir. aber die behörde dort anzusiedeln, war nicht unsere entscheidung