Beim Wahl-O-Mat können sich Wählerinnen und Wähler bestätigen lassen, das es richtig ist, das Falsche zu wählen. |
Er gehört zur deutschen Politik-Folklore, der 2002 von der Bundeszentrale für politische Bildung erfundene "Wahl-O-Mat", eine Art deutsche KI ohne künstliche Intelligenz, die aus Antworten auf nach undurchschaubaren Kriterien zusammengestellten Fragen ein Ergebnis generiert. Das soll dem von der Wirklichkeit umzingelten Wahlbürger die Last der Entscheidung über die richtige Stelle für das Kreuz abnehmen.
Richtig durchgeklickt, weiß man plötzlich, was man glaubt und welche Partei man wählen sollte, damit es Realität wird. Eigene Überlegungen braucht es nicht, auf weitergehende Informationen kann verzichtet werden. Gerade wer seine politische Karriere als Zoon Politikon erst startet, ist für solche Hilfe oft dankbar.
Fragen aus dem Elfenbeinturm
Millionen überlassen die Beratung über ihre Wahlentscheidung inzwischen dem von Experten beschickten Automaten, der "keine Wahlempfehlung, sondern ein Informationsangebot über Wahlen und Politik" (BpB) sein will. 38 Fragen sind es diesmal, beinahe allesamt irgendwo tief aus dem Keller des Brüsseler Elfenbeinturmes gegraben, wo nie das Licht der Alltagswelt hinfällt.
Von "Die EU solle eigene Steuern erheben dürfen" über "Die EU soll eine eigene Seenotrettung im Mittelmeer aufbauen" bis zu "Die EU soll den Mitgliedstaaten empfehlen, außer „weiblich“ und „männlich“ auch die Eintragung einer anderen Geschlechtsidentität im Pass zu ermöglichen", haben die Knackpunkte mit dem Leben normaler Menschen so viel zu tun wie die Gasheizung im "Berlaymont"-Palast mit erneuerbarer Energie.
Aber das Gesamtgebilde funktioniert blind. Wer einfach alle Fragen so beantwortet, dass sein künftiges Leben viel teurer wird, seine Freiheiten nach und nach unter einer dicken Schicht von Verboten verschwinden und noch mehr Entscheidungen nicht in den demokratisch gewählten nationalen Volksvertretungen, sondern von den Kommissionsfunktionären in Brüssel und dem nur halbdemokratisch gewählten Parlament in Straßburg gefällt werden, bekommt am Ende der Durststrecke mit traumwandlerischer Sicherheit ein progressives Ergebnis.
Alles für die EU
Die Grünen, die SPD, die Linke und die Kleinstpartei Volt bieten alles, was das Herz derer begehrt, die nicht genug Regeln, Vorgaben und Gängelung von oben bekommen können. Geht es nach den Parteien, die ganz oben in der Liste auftauchen, wenn ein Wahl-O-Mat-Benutzer nur stumpf genug für mehr Belastung mehr höheren Kosten, mehr Macht für anonyme Verwaltungen, mehr Ausgaben, mehr Schulden und einen - vom deutschen Grundgesetz verbotenen - Rückbau des Nationalstaates auf eine reine Verwaltungsfunktion für die Durchsetzung von EU-Richtlinien klickt, übernimmt die in den Fragen nur "EU" genannte Entität alle Lebensbereiche.
Wie gefährlich der gutgemeinte Wahl-O-Mat allerdings auch sein kann, zeigt sich, wenn der Finger in die falsche Richtung zuckt. Menschen, die das unbestimmte Gefühl haben, der EU-Kommissionspräsident sollte eigentlich direkt gewählt werden und die Aufnahme neuer EU-Mitglieder könnte von einer Zustimmung der Bevölkerung der bestehenden abhängig sein, rutschen hier schnell auf die falsche Seite.
Wer der Versuchung nachgibt
Wer dann noch der Versuchung nachgibt, alle Fragen einfach so zu beantworten, dass der EU nicht noch mehr Entscheidungsmacht zuwächst, die Kommissare sich nicht noch teurere Rettungspakete ausdenken und noch mehr Verwaltungen für noch größere Einschränkungen des Alltagslebens der Bürgerinnen und Bürger aufbauen können, ist auf einmal konfrontiert mit seiner dunklen Seite: Zwar versehen mit einem Warnschild - "Sie wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für extremistische Bestrebungen geführt". Aber wen, der so weit gekommen ist, schreckt das wohl noch?
Und die "feste Informationsgröße im Vorfeld von Wahlen" (BpB) ist schuld daran, wenn sich Rechtspopulisten, Rechtsextreme, Rechtsradikale und Rechtsextremisten vom Wahl-O-Mat auch noch bestätigt fühlen. Eine verheerende Folge mangelnden Anscheins innerbetrieblicher Demokratie, wie der kommunistische Dichter Volker Braun in seinem Frühwerk beklagt hat.
Eine Plattform für das Böse
Der Mechanismus, der vom Bösen abschrecken soll, verführt dazu, das Böse wollen zu können. Die Ursache ist offenkundig: Statt sich wie so viele deutsche Parlamente, Talk Shows und Redaktionen mutig zu entscheiden, den Feinden der demokratischen Ordnung keine Plattform zu bieten, können Wählerinnen und Wähler beim Wahl-O-Mat ihre eigenen und zu einem Gutteil kruden Ansichten mit den Positionen der einzelnen Parteien abgleichen.
Und sich so bestätigen lassen, das es richtig ist, das Falsche zu wählen.