Mittwoch, 17. Januar 2024

Bloß nicht das R-Wort: Wie Deutschland die Rezession vermeidet

Das Verbot, das R-Wort zu benutzen, um nicht alles schlechtzureden, wird in Deutschland weitgehend respektiert.

Die Industrie barmt, der Mittelstand jammert, die Bauern sind wütend und die ersten Skeptiker sehen all den in Jahrzehnten angeschwemmten Wohlstand schwinden. Seit die Konjunktur in Deutschland "schwächelt" (Der Spiegel), haben Politik, amtliche Statistiker, Wirtschaftsweise und Medien alle Hände voll zu tun, das Allerschlimmste zu verhindern: Wenn eine Rezession schon nicht mehr abzuwenden ist, dann soll wenigstens die Stimmung nicht ins Negative kippen.  

Euphemismen müssen retten

Für das böse R-Wort hat die Fantasie der Verantwortlichen und ihrer Berichterstatter denn auch eine ganze Reihe von beschwichtigenden Trostvokabeln erfunden. Von der "schwächelnden Wirtschaft" über die "schwächelnde Konjunktur", einen "Wachstumsknick" und eine "Stagnation" ist die Rede, während das Land auf das versprochene Wumms-Wirtschaftswunder wartet. Es kann nicht sein, was nicht sein soll, auch wenn es ist. Gegen die brutale Realität der Erkenntnis, dass eine hausgemachte Mischung aus Überschätzung, Verleugnung und Idealisierung der eigenen Stärke ausreicht, ein ganzes großes Land an die Wand zu fahren, soll nur noch mehr Verleugnung helfen. 

Wer nur fest genug glaubt, der wird errettet werden. Wer aber zweifelt, der ist schuld daran, wenn es nicht geschieht. Die besten Meister des Informationsdesigns schleifen und schmirgeln die Wirklichkeit, sie üben die Betonung der guten Seiten der schlechten Lage und verschlucken die Daten, die das ganze Ausmaß der Bredouille zeigen. Zentraler Punkt bei allem: Das R-Wort vermeiden, denn erst die Benennung des Bösen bringt es in die Welt.  Niemand hat die Absicht, die Wahrheit zu verschwiegen. Doch kein Erwachsener wird Kindern je alles sagen, unverblümt und offen.

Es ist nur "schlechte Stimmung"

So ist denn fortwährend die Rede von schlechter Stimmung und deren Eintrübung, von fehlenden Aufträgen für Industrie und Baubranche, von fehlenden Mitarbeitern und Fachkräften, von löchrigen Lieferketten, fehlenden Medikamenten und fehlendem Geld und schlechten Konjunkturaussichten trotz seit Monaten anhaltender "Stagnation" (DPA) mit "negativen Wachstumsraten". Doch die Betonung liegt auf dem sich beständig "aufhellenden" Geschäftsklima, die Hoffnung liegt darin, dass "das Land womöglich knapp an einer Rezession vorbeischrammt", weil "Lage und Ausblick" von den Befragten besser beurteilt wurden. 

Besser, nicht gut. Das reicht schon, wenn es so übel steht, dass eine "Stabilisierung der Wirtschaft auf niedrigem Niveau" das Beste ist, wovon Klimawirtschaftsminister noch zu träumen wagen. Es brauchte ein ganzes Jahr vollen Nachrichten über die Stimmung in deutschen Chefetagen, die sich immer wieder "überraschend" verschlechtert hatte, bis Mut genug gesammelt war, die "miese Bilanz" (Manager-Magazin" als "Rezession" zu bezeichnen. 

Entwarnung vom Amt

Ein Tabubruch in Zeiten, in denen alle zusammenstehen müssen, nicht gegen, sondern hinter der Regierung. Die Nachricht von der Rezessionsfront war nur ein paar Stunden alt, das marschierten die Bundesstatistiker auf, um Entwarnung zu geben: Rezession ja, aber eben doch nicht, so die beruhigende Nachricht, man habe gründlich und lange nachgerechnet, hier etwas angepasst und dort etwas korrigiert. Und so lautet die frohe Botschaft nun, dass es keine Wirtschaftskrise gibt, also auch keinerlei Notwendigkeit, das R-Wort zu verwenden.

Faktisch ist sie also da, die Krise, eigentlich aber doch nicht. Wie der Kanzler, der zugesagt hatte, dass seine Schutzbefohlenen im Alltag nichts spüren würden von den notwendigen Sparmaßnahmen, so sorgt das Statistische Bundesamt dafür, dass die Wirtschaft nicht schrumpft, wenn sie schon nicht wächst. Verantwortlich dafür seien überdies nicht erratische Regierungsentscheidungen, die tonnenschweren Lasten von immer neuen EU- und Bundesvorschriften oder die strategische Entscheidung, Einkommen und Erspartes der Bürgerinnen und Bürger zu nutzen, um internationale Großkonzerne mit frischen Geldzuflüssen zu versorgen. 

Alle anderen sind schuld

Sondern ausschließlich in Deutschland "anhaltende Corona-Auswirkungen", die hierzulande am deutlichsten spürbare "international angespannte Situation", die sich "zusätzlich verschärft" (Wirtschaftswoche), die Inflation und chinesische Wachstumsschwäche, die das Exportland Deutschland besonders hart trifft. Überall sitzen Schuldige, nur nicht in Berlin. Überall trägt die Welt schwer an der Verantwortung dafür, dass die frühere Wirtschaftslokomotive Deutschland heute traurig schnauft wie ein Zug vor einem Berg, von dem er weiß, dass er niemals wird bis ganz oben fahren können. 

Die "Sanktionen gegen Russland, teure Energie und die Diskussion um den Umbau der Wirtschaft angesichts der Klimakrise machen den Unternehmen schwer zu schaffen", entschuldigt sich der "Spiegel" für seine Entscheidung, das R-Wort zu verwenden. Dass es nicht viel besser zu werden verspricht und schon gar nicht gut, sei auf die Schuldenbremse zurückzuführen, die "wichtige Investitionen in Klimaschutz und Infrastruktur erschwere".



3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

'Ein Volk, ein Wille' funktioniert seit der Abschaffung des Volkes nicht mehr. 'Ein politmedialer Komplex, ein Wille' lässt sich aber ganz gut anwenden.

Anonym hat gesagt…

OT
>> jeanette 17. Januar 2024 at 09:27

FDP-Vize Kubicki spricht von Ampel-Aus“

https://www.bild.de/politik/inland/politik-inland/zweifel-ob-es-bis-2025-haelt-fdp-vize-kubicki-spricht-von-ampel-aus-86789070.bild.html
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Eigentlich schade, Kubicki und Lindner sind äußerst kompetente Leute, die im ROT GRÜNEN SUMPF mit nach unten gezogen werden. <<
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Vereinzelt lässt diese Strulle Schanette auch mal Spuren von Vernunft gucken - aber gleich ist wieder Sense ...

Spaziergänger hat gesagt…

Wer gar das Wort "Habeckrezession" verwendet, wird vom Verfassungsschmutz beobachtet!