Montag, 16. Juni 2025

Bilderberg-Konferenz: Weitergehen, es gibt nichts zu sehen

Bilderberg Treffen 70. Stockholm Grand Hotel
Das Bilderberg-.Treffen ist ein privates Event, das kein Medieninteresse weckt. 

Die sogenannte Bilderberg-Konferenz, die diesmal im «Grand Hôtel» in Stockholm stattfand, glänzte einmal mehr mit einem erlesenen Teilnehmerkreis. Dort, wo die großen Linien in die Zukunft gezogen werden, trafen sich diesmal 140 hochrangige Persönlichkeiten. Unter hohen Sicherheitsvorkehrungen hat der Elitenzirkel gleich das ganze Hotel gemietet. Nähere Bezeichnung: "Privates Event".

Und ganz privat blieb auch die Medienbegleitung. Von einigen Erwähnugen in der Westpresse abgesehen war das Gipfeltreffen der globalen Elite ein Non-Event, das überhaupt nicht stattfand. Damit ist das Weltereignis, das nie ein öffentliches sein wollte, zurück im Ursprungszustand der Zeit bis 2015. Mehrere Jahre lang hatten Zeitungen und Magazine den Zusammenkünften danach nachgestellt, beflügelt von der Neugierde einer wachsenden Zahl von Verschwörungsgläubigen. Das ist vorbei. Es ist alles gesagt. Für immer.

Kungelrunde ohne Medienbegleitung 

Zuvor war die geheimniskrämerei zum Problem geworden.Nicht nur Verschwörungstheoretiker, sondern auch Akteure der Zivilgesellschaft waren durch die fortgesetzte Nichtbeachtung der Kungelrunde hinter verschlossenen Türen zur Überzeugung gelang, dort solle doch bestimmt etwas verborgen werden. Sollte es aber gar nicht: Die Bilderberggruppe bekannte sich plötzlich dazu, wirklich zu existieren. Die veröffentlichte sogar Teilnehmerlisten und Tagesordnungen mit der groben Umschreibung der Themen, die jeweils besprochen werden sollte.

Aber diese Zeiten sind schon wieder vorüber. Zehn Jahre nach haltlosen Behauptungen wie "Wer schweigt, ist schuldig" (Deutschlandfunk) und beruhigenden Faktenchecks wie "Da steckt ein wenig Einbildung in dem Mythos" (Handelsblatt) ist Bilderberg zurück im Normalzustand. 

Reden wäre Silber, Schweigen ist Gold. Das Klassentreffen der Militärs, Wirtschaftsführer und Staatsmänner kommt wieder zusammen wie in den vielen Jahren seit 1954, als die absolute Verschwiegenheit, auf die Teilnehmer eingeschworen werden, als absoluter Beweis für die vollkommene Unschuld der Veranstaltung galt. Die Konferenz fand anfangs im Hotel de Bilderberg im niederländischen Oosterbeck statt, das der eigentlich namenlosen Veranstaltung seinen Namen verschaffte. Die Organisatoren um Prinz Bernhard der Niederlande wollten mit dem Treffen damals nur dem transatlantischen Dialog fördern. Ob sie heute mehr tut, weiß niemand.

Frei vom Leben weg 

Ziel der Konferenz sei es einfach, mal richtig frei vom Leben der normalen Leute weg reden zu können, ohne dass etwas an die Öffentlichkeit dringt. Die Teilnehmer dürften nach der Konferenz über die besprochenen Themen sprechen, nicht jedoch darüber, wer sich wie dazu geäußert hat. Aber sicherheitshalber tut niemand weder das eine noch das andere. 

Wunderbarerweise fragt auch niemand: Während Lars Klingbeils Antrittsbesuch bei der Deutschen Börse und sein Treffen mit Stephan Leithner ein breites Echo fand, das die Absicht des SPD-Politikers, bald "Ideen für eine vertiefte Kapitalmarktunion in Europa" zu entwickeln, mächtig nachhallen ließ, findet sich von seinem Stockholmer Treffen mit  Børge Brende, dem Präsidenten World Economic Forum, mit Wopke Hoekstra, dem EU-Kommissar für "Klima, Netto-Null und Sauberes Wachstum" und Microsoft-Chef Satya Nadella nirgendwo eine Spur - nicht im öffentlichen Terminkalender des Ministers. Nicht in dem des SPD-Bundestagsabgeordneten. Nicht beim Vorsitzender SPD.

Ohne jede Neugier 

Geht es nach den Medien, war Klingbeil zwar da wie so viele Prominente vor ihm. Aber das war nicht der Rede wert und schon gar nicht wert, aufgeschrieben und berichtet zu werden. Aber war der Vizekanzler überhaupt da? In der Teilnehmerliste fehlt er. Im Gegensatz zu Julia Klöckner von der CDU. Ist sie Linie geflogen? Mit der Bundeswehrbereitschaft? Geheimnisvoll gereist wie Olaf Scholz damals nach London? Wer zahlte die Unterkunft, wie groß war das Gefolge? War der Ausflug privat wie das Event? Oder doch dienstlich wie die Vorstellung der Christdemokraton als "President Bundestag" nahelegt?

Niemand weiß nichts. Dabei ist es die erklärte Absicht der Bilderbergern, Einfluss auf die internationale Meinungsbildung und den Verlauf der Geschichte zu nehmen. Doch sie schaffen das offenbar, ohne dass Medien sich für die Zusammenkünfte interessieren oder gar darüber berichten. 

Für Laien scheint es kaum vorstellbar, dass bekannte Politprominente wie Nato-Generalsekretär Mark Rutte, die deutsche Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, Pfizerchef Albert Bourla und der britische Geheimdienstchef Richard Moore sich mit US-Generälen, EU-Vertretern, den Vorstandsvorsitzenden von Rüstungsherstellern, dem Springer-CEO, Alex Karp von Palantir und Biowissenschaftler wie Thomas Leysen treffen können, ohne dass das wenigstens ein bisschen Aufmerksamkeit erregt. Auch ohne Gedöns um die "geheime Weltregierung" und Geschwurbel um einen „elitären Zirkel“, der demokratischen Grundprinzipien entgegenstehe, müsste das Treffen Neugier wecken.

Hinter fest verschlossenen Türen 

Tut es aber nicht, nicht mehr. Dabei wird hinter verschlossenen Türen  in der Regel nicht über Blühwiesen, intelligente Stromzähler und die segensreichen Folgen des Deutschlandtickets gesprochen, sondern über die wirklich weltbewegenden Themen. Diesmal standen das angespannte transatlantische Verhältnis auf der Tagesordnung, man versuchte ein weiteres Mal, die "wahrscheinlichen politischen und sicherheitsrelevanten Entwicklungen" rund um die Ukriane vorherzusagen. Auch die anderen, auf der offiziellen Homepage genannten Themen klingen nach nicht nach unaufgeregter Verwaltungsarbeit in Zeiten wilder Weltpolitik. 

In der Wagenburg, in die sich das Stockholmer Grand Hotel für ein Wochenende verwandelt hat, wappnet sich die Führung des Westens, wie sie sich selbst sieht, diesmal mit "Innovation und Resilienz im Verteidigungsbereich", sie beleuchtete die Künstliche Intelligenz (KI) als Waffe zur Abschreckung und "ihre Rolle bei der Bewahrung der nationalen Sicherheit". Die in Deutschland so gefürchtete Geopolitik, in der es weniger um Moral als vielmehr um den Zugang zu Energie und kritischen Rohstoffen geht, wurde unter dem Tagesordnungspunkt "Sicherung und Verteilung von Ressourcen" abgehandelt.

Akutes Thema 

In Stockholm sitzt nicht irgendwer zusammen und nicht irgendeiner hat sie alle eingeladen. Das Organisationskomitee, Chef ist der frühere französische Versicherungsmanager Henri de La Croix de Castries, Co-Vorsitzender seit dem vergangenen Jahr der frühere Nato-Chef Jens Stoltenberg, setzte Fragen der "Proliferation und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen" weitsichtig  schon auf die Tagesordnung, als Israel und der Iran sich noch nicht mit Raketen beschossen und deutsche Politiker beide Seiten mutig zur Mäßigung mahnten. Nur Stunden vor dem Beginn der Zusammenkunft wurde das Thema akut.

Auch das Problem des Bevölkerungsrückgangs wurde in Stockholm erneut bearbeitet, in Kombination mit der Migration, keineswegs aber im Sinne des "Bevölkerungsaustausches", von dem Sender wie der Bayrische Rundfunk raunen. Beim Bilderberg-Treffen ging es ganz global um "demografische Veränderungen und Migrationsbewegungen". Das kann dies bedeuten oder das. 

Kreis ohne Beschlüsse 

In der Regel aber deutet es darauf hin, dass das Thema durch sind. 2023 sprach man über das Bankensystem, US-Leadership, Indien und fiskalische Herausforderungen. 2023 über das Klima, Europas wirtschaftliche Probleme und die "Changing Faces of Biology". Mit welchem Ergebnis, blieb naturgemäß unbekannt. Beschlüsse, heißt es, würden vom informellen Kreis ohnehin nicht gefasst.

Wie auch. Schließlich gehören zum Teilnehmerstamm auch Journalisten von deutschen und internationalen Medienkonglomeraten, die gegen das Zugeständnis, ihren Lesern nichts zu verraten, endlich einmal ungezwungen mit Tech-Milliardären, EU-Kommissaren, deutschen Parteivorsitzenden und Bankern, hoffnungsvollen Waffen-Start-Ups, Konfliktforschern und Hollywood-Magern zusammensitzen und plaudern können. Diesmal unter anderem über "wirtschaftliche Herausforderungen und Trends in den USA", "aktuelle und zukünftige politische sowie wirtschaftliche Entwicklungen in Europa" oder "regionale Konflikte und internationale Politik" im Nahen Osten? Dazu kamen die "Herausforderungen durch autoritäre Regime weltweit". Täglich Brot für alle, die nach Stockholm gereist waren. 

Nicht mal mehr ironische Texte 

Für die Öffentlichkeit ändert das nichts. Während sich die Blätter der früheren Stammbesucher vor zehn Jahren noch mit ironisch gefärbten Textflächen Marke  "Achtung, die Weltregierung tagt" (Die Zeit) und "Die klandestine Konferenz" (Spiegel) über das "umstrittene Treffen der Elite" und seine "allgemein gehaltene" Themenliste amüsierten, ist mittlerweile wieder anders wichtiger. "Brooklyn Beckham ignoriert Versöhnungsversuche seiner Eltern" haben "Spiegel"-Reporter bei einer Reportagereise nach Instagram ermittelt. Bei der "Zeit" steuern die USA wieder einmal "auf einen Bürgerkrieg zu". Nichts Neues unter der Sonne. Weitergehen, hier gibt es gar nichts zu sehen.

Und auch nichts zu lesen. Nur weil die Großkopferten an einem Tisch sitzen, muss nicht wichtig sein, was sie zu besprechen haben. Der Tübinger Transatlantik-Experte Thomas W. Gijswijt hat mehr als 50 Jahre alte Protokolle der Bilderberg-Konferenz untersucht, um herauszubekommen,ob die Gerüchte stimmen, dass auf der jährlichen Bilderberg-Konferenz "über unser aller Schicksal entschieden" wird wie Verschwörungstheoretiker nach Recherchen des Deutschlandfunks glauben.

Einfluss über Netzwerke 

Aber keineswegs. Zwar sei die europäische Integration ein wichtiges Thema der Zusammenkünfte gewesen, ehe von EG und EU die Rede war. Die Konferenz habe wohl Einfluss auf die Entstehung der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, den Vorläufer der Europäischen Union, gehabt, glaubt Gijswijt. Aber wie versprochen: Konkrete Beschlüsse seien nicht gefasst worden. Allenfalls indirekt nahm das Treffen Einfluss auf politische Entscheidungen "durch die Netzwerke, die dort geknüpft" worden waren. Nicht besonders demokratisch, gar nicht transparent. Aber "für eine geheime Weltregierung, für das Verschwörungstheoretiker die Bilderberg-Konferenz halten", reiche das nicht. 

Kein Grund zur Aufregung. Nur weil etwas stattfindet, das in den Medien nicht stattfindet, heißt das nicht, dass etwas stattfindet, das eigentlich auch in den Medien stattfinden müsste. Wenn derart hochrangige, einflussreiche und vielbeschäftigte Personen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien und Militär zusammenkommen, kann das viele Gründe haben. Als einen "Schulausflug für Erwachsene", beschreibt Thomas W. Gijswijt die exklusive exkursion, bei man "in einem schönen Hotel ein Wochenende zusammen wichtige Sachen diskutiert und ein gutes Glas Wein trinkt" etwa. 

 


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