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Zwei im Wahlkampf für die AfD: Traumwandlerisch sicher sorgen Friedrich Merz und Lars Klingbeil dafür, dass die Blauen vor Lachen nicht mehr in den Schlaf kommen. |
Langsam wird sie deutlich, die ganze Eleganz des großen Plans für Deutschland, dem Friedrich Merz vom ersten Tag an folgt. Jahrelang hat der Mann aus dem Münsterland daran geschmiedet, nachdem ihn Angela Merkel damals aus der Parteispitze geworfen hatte. Penibel bereitete Merz sich vor, er entwarf eine Strategie, eine Taktik, seine Prämissen. Er war fest entschlossen, zurückzukehren. In die erste Reihe. Und wie.
Als seine Stunde schlug, damals, als Armin Laschet grinste, war er da: Merz arbeitete seinen Fahrplan ab. Erst würde er die konservativen Seelen in seiner Partei streicheln und dem Volk einen Neuanfang versprechen. Ohne Ideologie, pragmatisch, auf Problemlösungen orientiert. In seiner langen, langen Auszeit hatte Merz eigens gelernt, alte Helmut-Kohl-Reden so vorzutragen, als entstammten sie seiner eigenen Feder. Such den Roman-Herzog-Rucksound hatte er sich draufgeschafft.
Der Muss von tausend Jahren
Niemand konnte wie Merz fordern, den Muff von tausend Jahren Ampel aus dem Land zu fegen. Merz war die Sonne im Wahlkampf, der Lichtblick, der die Schatten erhellte, die seit Jahren über Deutschland liegen. Schon bis zum Sommer, versprach er, wäre der Stimmungsumschwung im Sack. Der Rest? Ein Selbstläufer.
"Wenn ich erst im Kanzleramt sitze, wird sich selbst die SPD ihrer staatspolitischen Verantwortung stellen müssen", rief er den geschlossenen Veranstaltungen voller verzweifelter Mittelständler zu, in denen er die Wahlkämpfe früherer Tage simulierte. Der Niedergang ist vorbei. Der Umschwung nahe.
Der Aufschwung nur eine Zeitfrage. Das, so sah es der große Plan vor, würde dann auch die AfD halbieren. Gerade noch rechtzeitig vor den nächsten Urnengängen im Osten, bei denen die kurzzeitig insgesamt als gesichert rechtsextremistisch eingestufte AfD im Winter noch drohte, mehr als 20 Prozent der Stimmen zu holen. "Wir sind die letzte Patrone der Demokratie", rief Friedrich Merz. Und dass der eine Schuss, der noch im Lauf sei, treffen müssen.
Alleinregierung in Magdeburg
Wen, was und wo? So genau gab der kommende Kanzler nie Auskunft. Etwas mehr als ein halbes Jahr ist er im Amt und neuen Umfragen zufolge hat die AfD in Sachsen-Anhalt inzwischen Aussicht auf 40 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl. Das würde bei einer für die eingespielte Demokratie ungünstigen Konstellation zur Alleinregierung in Magdeburg reichen. Geht es optimal aus, kann die CDU weiterregieren. Sie müsste dazu nur mit Linkspartei und SPD koalieren.
In Mecklenburg-Vorpommern steht es nur wenig besser. Umfragen sehen radikalisierte Rechtspartei auch hier klar als stärkste Kraft. Mit 38 Prozent liegt sie eine Größenordnung vor der regierenden SPD von Ministerpräsidentin Manuel Schwesig.
Die war im September 2021 noch auf 39,6 Prozent gekommen und hat die Hälfte davon nun an die Truppe hinter der Brandmauer abgegeben. Auch im Süden des Westens kommt die Partei auf über 20 Prozent. In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, im Saarland, Hessen und Niedersachsen legt sie zweistellig zu.
Jammern und Wehklagen
Großes Jammern und Wehklagen ist nicht zu hören, jedenfalls nicht aus Berlin. Friedrich Merz moderiert Nachfragen ab, indem er die Situation zu einem Bestandteil seiner Strategie erklärt. Ein wenig durchhalten noch, bis die E-Auto-Prämie, die Umbenennung des Bürgergeldes, die Migrationswende, die Aktivrente und die im Sommer um 5,4 Prozent erhöhten Diäten für Bundestagsabgeordnete in der Fläche ihre Wirkung zeigen.
Merz' Stammwähler hält das bei der Stange. Die Union hält sich stabil in der Mitte der 20er Prozente. Viel schlechter als die 28,6 Prozent vom Tag der Bundestagswahl ist das nicht. Die SPD etwa hatte sich acht Monate nach ihrem überraschenden Wahlsieg 2021 schon mehr als ein Drittel ihrer Wählerinnen und Wähler abspenstig gemacht. So schlecht sähe es also gar nicht aus, würde nicht langsam deutlich, dass Merz' Plan nie weiter reichte als bis zum Einzugstermin im Kanzleramt.
Außenstürmer statt Innenpolitik
Die ersten paar ratlosen Wochen schaffte es der 69-Jährige noch, jede Menge Auswärtstermine vorzuschieben, um die eigene Ratlosigkeit zu tarnen. Die Welt war sein Feld. Die Ukraine brauchte seine Hilfe, der Nahe Osten seinen Rückhalt, Amerika seinen guten Rat. Kurz vor dem Stimmungsumschwungsommer kam ihm der große Kulturkampf um Karlsruhe zu Hilfe. Während die Wirtschaft immer tiefer in die Krise schlitterte, schaute das Land fasziniert zu, wie sich die Koalitionskollegen mit großer Leidenschaft um Dinge stritten, die frühere Generationen still und heimlich auf der Besetzungscouch im Hinterzimmer abgehandelt hatten.
Dann war auch schon Ferienzeit und Friedrich Merz nutzte "die verkürzte Sommerpause zu einem verkürzten Urlaub, den er mit seiner Ehefrau Charlotte privat" an einem unbekannten Ort verbrachte, wie das Kanzleramt mitteilte. Die Arbeit nahm er mit: "Der Bundeskanzler ist immer im Dienst, immer erreichbar und er wird die Sommerpause für eine intensive Vorbereitung der Themen des zweiten Halbjahres nutzen", erfuhr das Volk, der große Lümmel, der voller Langmut nicht murrte und kaum meckerte. Sondern erwartungsfroh dem Moment entgegenfieberte, in dem Merz wie Moses mit den Tontafeln aus Unbekannt zurückkehren und den weiteren Gang der Dinge ansagen würde.
Der Gipfelkanzler
Als er kam, wusste er nicht mehr weiter. Die Koalitionsgipfel, die Industriegipfel, die Krisengipfel, die Nahost-Gipfel, die Natogipfel und die EU-Gipfel, sie alle addierten Nichts zu einer Null und sie multiplizierten die Lähmungserscheinungen des Landes mit denen der Leyen-Prediger in Brüssel. Nicht einmal Merz' Einkehr bei "Caren Misoga", auf genau dem Sendeplatz, den Angela Merkel immer genutzt hatte, um ihre Politik noch besser zu erklären, wendete das Blatt. Ganz kurz nur zuckten die Zustimmungswerte nach oben. Ein klassischer Dead Cat Bounce.
Auch Merz wirkte nun zunehmend mürbe und mutlos. Heraus kam Verzweiflung, die sich einem für Münsterländer fast schon vulkanischen Ausbruch einen Weg in die Öffentlichkeit suchte: "Es ist einfach zu viel, wir ersticken in Bürokratie", stöhnte der gefesselte Riese (1,98 Meter) Merz Richtung EU-Kommission und er flehte EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen förmlich an, die Bürokratie zurückzubauen. Eine inständige Bitte also war aus der Initiative des damaligen Oppositionsführers geworden, sofort nach Amtsantritt eine zackige "Zeitenwende in Brüssel" einzuleiten.
Weiter und weiter und weiter
Damals, ja damals war er noch davon ausgegangen, dass die Dinge von selbst fügen, wenn erst einmal ein frischer Wind im Kanzleramt weht. Auch die längste Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg geht einmal zu Ende, je länger sie dauert, desto schneller. So war das jedenfalls früher, als Politiker noch lieber das halbe Deutschland ganz nahmen als das ganze halb.
Friedrich Merz aber hat gemeinsam mit seinem Vizekanzler ein untrügliches Gefühl dafür entwickelt, wie sich die Umfragewerte der blauen Konkurrenz von Tag zu Tag und von Woche zu Wochen mit ganz kleinen, aber wirksamen Äußerungen, Entscheidungen und Maßnahmen weiter und weiter hochtreiben lassen. Der Halbierer steht womöglich schon in einem Jahr da und er hat, was noch keiner seiner Vorgänger regieren durfte. Das halbe Deutschland halb.
"Wen, was und wo" die letzte Patrone trifft, ist eigentlich klar. Die bewahrte man im Gefecht für sich selbst auf. Insofern passt "Wir sind die letzte Patrone der Demokratie" erstaunlich gut.
AntwortenLöschenAut vincere, aut mori bei unseren Regierungshusaren ? So leicht geben die die zäh ersessene Pension aber nicht auf.
LöschenWer das halbe Deutschland halb hat, braucht nur die andere Hälfte zu verbieten und hat dann die Hälfte von dem, was übrigbleibt. Ist doch ganz einfach. Die Unionsführung wird deshalb am Sonntag das AfD-Verbot auf die Schiene bringen und damit sowohl "unsere Demokratie™" als auch die Habeck-Rezession vor dem Verblassen retten.
AntwortenLöschenMerz hat es einfach voll drauf!
Titel des Stücks 'Der Pfannkuchen und die Bohnenstange'.
AntwortenLöschenBedankt euch bei euren lieben Nachbarn, denn irgendwer muss diese beiden Abrissbirnen ja gekrönt haben.
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