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Frauke Brosius-Gersdorf ist die erste Kandidatin für ein Richteramt in Karlsruhe, die selbstbewusst Wahlkampf macht. Abb: Kümram, Buntstift auf Seide |
Wäre Frauke Brosius-Gersdorf ein Mann und würden Männer Kinder kriegen, hätten wir so eine Debatte nicht. Das Problem heißt immer noch Patriarchat.
Eine Frau geht seinen Weg, unbeeindruckt von Anwürfen, Vorwürfen und Nachstellungen. Es gehen Briefe hin und her, offene und veröffentlichte, Sondersendungen im Fernsehen beleuchten die Abweichung vom gewohnten Gang der Dinge. Eine "beispiellose Hetzkampagne" (Ines Schwerdtner) versucht, eine "hochangesehene Wissenschaftlerin" (ARD) zu beschädigen und das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht zu zerstören. Die Demokraten, die sich dem entgegenwerfen, haben zur Zeit allein nicht die Mehrheiten, die Dinge in die richtige Bahn zu lenken.
Es gibt kein Zurück
Nach der Verschiebung der Wahl der von den Spitzen von Grün, Rot und Schwarz festgelegten neuen Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf sind die Varianten zur Fortsetzung der Geschichte rar. Ein Teil der Union wird sie nicht wählen, unter Berufung auf die Gewissensfreiheit, die jeder Abgeordnete immer noch genießt, allen Verweisen auf die Fraktionsdisziplin zum Trotz. Die SPD wird sie nicht zurückziehen. Sie will, zeigen, dass sie trotz Umfragewerten von um die 13 Prozent noch immer die Volkspartei unter den vielen, vielen linken Parteien ist.
Alle Hoffnungen der demokratischen Mitte ruhten darauf, dass die Kandidatin selbst ein Einsehen hat. Wer einmal so durch den Kakao des Kulturkampfes gezogen wurde, wird niemals als Karlsruher Richter amtieren können, weil keines der Urteile, an dem er beteiligt wäre, eine lagerübergreifende gesellschaftliche Akzeptanz fände.
Einstieg in den Wahlkampf
Frauke Brosius-Gersdorf hat sich in dieser Situation entschieden, in den Wahlkampf einzusteigen. Auf ihr erklärendes eigenes Schreiben an die Öffentlichkeit folgte eine Solidaritätserklärung von 300 Fachkollegen. Anschließend dann ging es zur Hauptsendezeit ins Kandidatenduell: Brosius-Gersdorf gegen die Lügen und die Hetze, Brosius-Gersdorf gegen Vorurteile, unzutreffende Einordnungen und verkürzte Zitate wie dass, dass es ihres Erachtens nach "gute Gründe dafür" gebe, "dass die Menschenwürdegarantie erst ab Geburt gilt."
In der Audienz bei "Markus Lanz" zeigte die 54-jährige Hamburgerin, die medial meist als "Rechtsprofessorin aus Potsdam" angekündigt wird, dass keineswegs vorhat, ihren vom Richterwahlausschuss des Bundestages bereits bestätigten Rechtsanspruch auf einen Sitz in Karlsruhe jetzt schon aufzugeben. "Es geht nicht mehr nun um mich", verteidigte sie ihr Beharren darauf, nicht die zu sein, die eine außer Rand und Band geratene Öffentlichkeit in ihr sehen will. Weder sei sie Linksextremistin noch für Abtreibungen bis zur Geburt, sei eine woke Aktivistin zu nennen, sei "infam", "diffamierend und realitätsfern".
Bruch der Geheimhaltung
Frauke Brosius-Gersdorf ist die erste Kandidatin für ein Richteramt in Karlsruhe, die überhaupt Wahlkampf macht, doch sie tut es nicht freiwillig. Über Jahrzehnten galt die Besetzung der Richterposten, von denen aus über die Verfassungsmäßigkeit der von Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung verfertigten Gesetze entschieden wird, als Geheimsache.
Die Parteien, deren Arbeit stets droht, auf dem Karlsruher Prüfstand zu landen, sortierten vorab mit großer Sorgfalt, welchem ehemaligen Fraktionskollegen sie die Prüfung der gemeinsamen Arbeit zutrauen. Ein Ernennungskartell entschied, die Bundestagsabgeordneten folgten ihren Weisungen, wie es ihnen ihr Gewissen riet.
So hätte es bei Brosius-Gersdorf auch sein sollen. Doch dann fanden die Gegner einer geräuschlosen Nachfolge Zitate wie "Die Tötung eines Menschen ohne herabwürdigende Begleitumstände, die ihm seine Subjektqualität absprechen, verletzt Art. 1 I GG nicht" und "die Annahme, dass die Menschenwürde überall gelte, wo menschliches Leben existiert, ist ein biologistisch-naturalistischer Fehlschluss". Und sie beschlossen, sie zum Anlass für eine Hetzkampagne zu machen, mit der bestritten wird, dass Brosius-Gersdorf neben linken Positionen auch rechte vertritt.
Frauenquote und Homeschooling
So ist sie nicht nur eine Anhängerin von staatlich vorgegebenen verbindlichen Frauenquoten, mit denen Parteien gezwungen werden sollen, paritätische Kandidatenlisten aufzustellen, sondern auch eine Verfechterin der Rente mit 70. Sie macht sich stark für ein Verbot des Kopftuchverbotes, aber auch für das in Deutschland verbotene Homeschooling. Sie würde, wenn sie könnte, eine Impfpflicht gegen das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit in Stellung bringen. Aber auch das Ehegattensplitting abschaffen, das sie entgegen einem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes für diskriminierend hält.
Sich aus den Hinterzimmern ins Offene zu begeben, in denen eine Handvoll Parteiführer traditionell in komplizierten Tauschgeschäften ausknobeln, wer für die nächsten zwölf Jahre ihre Interessen am höchsten deutschen Gericht vertreten soll, ist ein einmaliger Vorgang. Brosius-Gersdorf schreibt Geschichte, indem sie den Kampf gegen ihre hasserfüllten Verleumder öffentlich aufnimmt und sich dabei nicht scheut, das Recht eines jeden Bürgers, auch anonym an jeder Diskussion unter Demokraten teilzunehmen, in Abrede stellt.
Die Erfindung des "Schmähungsschutzes"
Brosius-Gersdorf ist da ganz klar: "Selbst anonym an medialer Kritik bis hin zu Schmähungen anderer mitzuwirken und gleichzeitig für sich selbst Schmähungsschutz zu fordern, steht im Widerspruch", schreibt sie und zeigt damit, dass es ihr keine Probleme bereitet, zwei Dinge, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben, in einem Satz abzuurteilen. Den Begriff "Schmähungsschutz" hat sie sogar ausschließlich für diesen Anlass erfunden - bis zur Veröffentlichung der Medienerklärung der Kandidatin für Karlsruhe existierte er nicht.
Es sind klare, bestimmte und fein abgewogene Worte, mit denen die Professorin den unsäglichen Anwürfen entgegentritt. Zumindest Teile der Medien hätten "unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent" berichtet, Artikel und Kommentare seien nicht - wie verfassungsrechtlich offenbar neuerdings vorgeschrieben - "sachorientiert, sondern von dem Ziel geleitet" gewesen "die Wahl zu verhindern". Mit "die Wahl" ist die von Brosius-Gersdorf gemeint, mit "nicht sachorientiert" kritisiert sie die "Bezeichnung meiner Person" als "ultralinks" oder "linksradikal". Zwei Bezeichnungen, die vor der geplatzten Wahl im Bundestag nur sehr vereinzelt verwendet wurden, seit ihrer Erwähnung in der "Zur Berichterstattung in Medien über die Bundesverfassungsrichterwahl" jedoch Allgemeingut geworden sind.
Zweite Runde im Kulturkampfring
Ganz typisch für eine zweite Runde im Kulturkampfring, dass die Hetzer, die die Schlammschlacht ohne Not vom Zaun gebrochen haben, harsch insistieren, wenn sich der oder die Angegriffene zur Wehr setzt. Frauke Brosius-Gersdorf wird vorgeworfen, dass sie sich in eigener Sache überhaupt zu Wort meldet. Ihre Nichteignung für das Amt der Verfassungsrichterin wird aus dem Umstand abgeleitet, dass sie nicht still und leise den Rückzug angetreten hat. Politiker der Rechten sprechen einer klugen und bislang auch erfolgreichen Frau das Recht ab, vor rechter Hetze nicht einfach einzuknicken, sondern gegenzuhalten.
Schon der Umstand allein, dass es die vom Bundesamt für Verfassungsschutz zumindest zeitweise in Gänze als gesichert rechtsextremistisch bezeichnete AfD ist, die dem hilflosen Ringen der Mitte um eine Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der höchsten Verfassungsschutzinstanz frohlockend zuschaut, sollte Warnung genug sein und zum Umdenken in der Union führen.
Dort wissen alle, dass die SPD nicht einknicken wird, der kleine Koalitionspartner hat angesichts seiner schwindenden Wirkungsmacht beschlossen, an dieser Stelle nicht nachzugeben. So wäre es jetzt am größeren, staatspolitische Verantwortung zu zeigen und sich nicht weiter von einer rechten Kampagne instrumentalisieren zu lassen, die selbst auf an den Haaren herbeigezogene Plagiatsvorwürfe zurückgreift.
Warten auf den großen Stimmungsumschwung
Es wäre die einzige Lösung und das weiß die Union auch. In den Umfrageergebnissen von CDU und CSU ist noch genug Luft, auch nach einer Wahl von Brosius-Gersdorf im zweiten Anlauf souverän weiterregieren zu können, bis der geplante große Stimmungsumschwung in Wirtschaft und Gesellschaft die Frage der Besetzung eines Karlsruher Richtersessels wieder zu einer Marginalie macht. Würde die SPD hingegen einknicken, drohte ein weiterer Linksrutsch Richtung Linksparteien, die ohnehin wissen, wie sie die deutsche Sozialdemokratie vor sich hertreiben können: Fordert die dies, fordern Grüne und Linke einfach mehr. Verspricht die eins, versprechen sie zwei oder drei.
Dass es die Personalie einer Rechtsprofessorin sein wird, die die Koalition auseinandertreibt, ist ausgeschlossen. Weder SPD noch Union haben eine reale alternative Machtperspektive. Ein Platzen des Regierungsbündnisses, das sich selbst als letzten Versuch sieht, die Machtergreifung der populistischen Rechten zu verhindern, würde bestenfalls zu Thüringer Verhältnissen führen. Sowohl die Union als auch die SPD sind damit gefangen in der Zwangsjacke, zusammenzubleiben, obwohl der Vorrat an gemeinsamen Vorstellungen so winzig ist wie bei noch keiner anderen Koalition, die Deutschland regiert hat.
Hoffnung auf die Palamentsferien
So kategorisch die Linken in der SPD darauf beharren, dass die Union ihre Abgeordneten zur Wahl von Frauke Brosius-Gersdorf zwingen müsse, wenn die es nicht freiwillig täten, so knallhart tut es CDU und CSU leid, damit nicht dienen zu können. Über die langen Parlamentsferien wird aber ein gnädiges Vergessen einkehren, langsam wird sich der Entscheidungsdruck abbauen, andere Themen werden wichtiger, andere Namen bedeutsamer.
Im September dann, wenn niemand mehr weiß, wer Frauke Brosius-Gersdorf war und warum jeder sie kannte, wird das gemeinsame Interesse am Fortbestand der Koalition den Ausschlag für eine Lösung geben. Vielleicht wird die Kandidatin Justizministerin. Vielleicht gibt es ein neues Gesetz zum Schutz des Bundesverfassunsgerichtes, das es den Fraktionsvotrsitzenden erlaubt, neue Richter mit einfacher Mehrheit zu bestellen.
3 Kommentare:
Frauke Brosius-Gersdorf und die Menschenwürde
Wiki über FBG:
Unter Betreuung von Horst Dreier wurde Brosius-Gersdorf 1997 promoviert.
HorstDreier
Wiki:
Da Dreier vorgeworfen wurde, in seiner Kommentierung von Art. 1 des Grundgesetzes (GG)[3] in bestimmten Extremfällen die Rechtmäßigkeit von Folter für diskutabel zu halten, ...
...
Daraufhin kündigte die CDU an, Dreiers Wahl im Bundesrat zu blockieren. ... Am 17. April 2008 zog die SPD Dreier als Kandidaten zurück und benannte am Tag darauf stattdessen den Freiburger Juristen Andreas Voßkuhle.
Traumhaft. Da wird doch Prof. Frauke auf dem Weg ins Wunschamt nicht über das gleiche Menschenwürdsteinchen stolpern wie ihr alter Lehrer.
Genau, deshalb denke ich über Jeden und Jedinninnen, derdiedas mit einem Doktorhut wedelt, arme Sau.
Ich fürchte, der deutsche Schoß, aus dem u.a. die Euthanasieprogramme der echten Nazis krochen, ist immer noch oder schon wieder fruchtbar und hat gezielte Tötungen im Gepäck. Erst lästige Senioren per Coronaimpfung wegspritzen und jetzt die ganz Jungen per Abtreibung bis kurz vor der Geburt vernichten.Es gibt rund um den Globus ja genug Ersatzbürgesklaven.
Für jede Perversität drechselten und drechseln damals wie heute maschinell funktionierende Politker und Juristen sich die dafür nötigen Gesetze zurecht.
In jeder Kloake schwimmt der fette Kot oben auf der Jauchebrühe
Orwells 1984 ist JETZT !
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