Mittwoch, 29. Februar 2012

So einfach ist das


Im Umkehrschluss: Wer hinschaut, hat die größte Katastrophe schon überwunden.

PPQ: Schicksalsstunden an der Urne

Wenigstens einer hat dran gedacht und uns rechtzeitig erinnert: Bis heute um Mitternacht läuft die äußert spannende Casting-Show um den weltbesten Verteidiger der Freiheit hierzulande. Über die kurze Distanz schien PPQ zumindest mit einer Nasenspitze vorn zu liegen, nun allerdings entpuppt sich die Konkurrenz als langstreckenerfahre Laufgesellschaft, die unaufhaltsam näher und näher rückt.

Wir sehen die akute Gefahr, dass soviel Freiheit im Internet dazu führen könnte, dass uns die nach Meinung einer breiten Bevölkerungsmehrheit, mit der wir zwar nicht gesprochen haben, die wir aber deutlich fühlen können, also die verdiente Wolfgang-Gerhardt-Urkunde noch auf dem Siegespodest entrissen wird.

Untertänigst bitten wir deshalb, zur Urne zu schreiten und per Klick ein Kreuzchen bei PPQ zu machen. Für viele von Euch wird es schließlich das einzige Mal in diesem Monat bleiben, dass sie zu einer Abstimmung gebeten werden, die Demokratie, Euro und Europa nachhaltig zu stärken verspricht.

Auf Wunsch teilen wir selbstverständlich mit allen, die das gern haben wollen, denn wie uns Gauck lehrt, ist nur Teilen wirkliches Anerkennen des Mitmenschen. Einfach Eure Email-Adresse an politplatschquatsch@gmail.comschicken, ihr bekommt dann einen hochauflösenden Scan der Ehrenurkunde.

Direkt zur Umfrage geht es hier

Gauck: Wie das Internet unsere Grundrechte aushöhlt

Da kommt fürwahr was Großes auf uns zu, was ganz Großes. Größer vielleicht noch als Wulff, zeitgemäßer aber auf jeden Fall. Joachim Gauck, später Bürgerrechtler, aber von da an immer umtriebig, ist auch in Sachen Internet richtig doll vorn dabei. Und er kennt sich aus, denn er sieht die Gefahren, die dort lauern, wo Meinungen ungebremst und womöglich auch noch ungefiltert aufeinanderkrachen, wo Worte herumstehen, ohne dass ein Lektor sie in Form gebracht und wo Sätze sich entlangschlängeln, ohne dass ein Amt sie auf Grundgesetztreue gegengelesen hat.

"Das weltweite Internet bietet alle Voraussetzungen, um die in den ersten zehn Artikeln unserer Verfassung verankerten Grundrechte aller Bürger in diesem Land auszuhöhlen", schreibt Joachim Gauck im Geleitwort für eine Studie, die im Auftrag der staatlichen Deutschen Post mal klar macht, was das alles ist, mit diesem Internet, von dem man in den letzten Tagen so viel hört. "Aushöhlen" steht da wirklich, weil Gauck es auch genauso meint: Das Internet verbindet zwar, aber es gibt den Regierten auch fürchterliche Möglichkeiten, von Grundrechten in einer Weise Gebrauch zu machen, von denen die Väter des Grundgesetzes nicht einmal etwas ahnen konnten. Das Internet, so Gauck, greift die in Artikel 3 garantierte Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz und die Glaubens- und Gewissensfreiheit (Artikel 4)an, gefährdet den Schutz von Ehe und Familie (Artikel 6) und macht die Gewährung von Versammlungsfreiheit (Artikel 8) durch allerlei Flashmobs und Online-Demos nahezu unmöglich.

Gauck, der große alte Mann des Widerstandes zumindest in Rostock, wittert in den Weiten des Datenmeeres unsagbar Böses. Wenn alle nicht nur denken oder sagen, sondern sogar schreiben dürfen, was sie wollen, dann ist der Staat, wie wir ihn kennen, am Ende. "Das gilt insbesondere für das Recht auf freie Meinungsäußerung und Pressefreiheit in Artikel Fünf", analysiert Gauck, "eine wesentliche Grundlage unserer funktionierenden Demokratie — und es gilt letztlich auch für den Kernsatz unserer Verfassung, den Artikel Eins des Grundgesetzes: Die Würde des Menschen ist unantastbar."

Zuviel Freiheit bedroht die Menschenwürde, zuviel freie Meinungsäußerung schränkt die Regierungsfähigkeit drastisch ein. Deshalb hat Joachim Gauck, der demnächst alle Rettungsschirmgesetze unterschreiben wird, heftig nachgedacht. Und sich eine Lösung überlegt. Das Internet muss staatlich werden! Um endlich sicher zu sein! Und "sein Potenzial voll entwickeln" (Gauck) zu können. "Dafür", schreibt Gauck, "ist ein transparenter und demokratischer Gestaltungsprozess erforderlich, in dem Politik, Wirtschaft und Gesellschaft produktiv zusammenwirken."

Verbot der Woche: Völkermord in Frankreich

Erst die umstrittene Niederlage bei der Handauswahl des neuen Bundespräsidenten, dann die schlimme Schlappe mit der fehlenden Kanzlerinnenmehrheit bei der diesmonatlichen Rettung Griechenlands, schließlich die Verfassungsgerichtsohrfeige wegen des handgezählten 17. verfassungsfeindlichen Gesetzes, das Schwarz-geld mit Hilfe von Rot-Grün durch den Bundestag gepeitscht hatte - und nun macht auch der französische Verbündete noch Probleme. In einem Akt völliger Fehleinschätzung der europäischen Rechtslage hat der Verfassungsrat in Paris entschieden, dass das französische Gesetz, das die Leugnung des Völkermords an den Armeniern unter Strafe stellt, verfassungswidrig ist. Die Regelung, die sich an ähnlichen deutschen Vorschriften orientierte, verstoße angeblich gegen das Gebot der Meinungsfreiheit. Damit kann das umstrittene Gesetz nicht in Kraft treten.

Ratlosigkeit im politischen Berlin, wo im Vertrauen auf ein engeres Zusammenrücken Europas in den Zeiten der Krise bereits große Pläne zum Verbot weiterer Völkermordleugnungen in Arbeit gewesen waren. Staatliche anerkannte Genozide wie der an den amerikanischen Ureinwohnern, den australishcen Aborigines und den wendischen Knüppelburgenbauern an der Mittelelbe sollten im Zuge der PPQ-Aktion "Verbot der Woche" europaweit unter Strafe gestellt werden.

In einem Akt nationaler Aufwallung, hieß es im Regierungsviertel, habe der Verfassungsrat sich einer europaweiten einheitlichen Völkermordregulierung in den Weg gestellt. Es sei "zynisch", eine Gefahr an die Wand zu malen, nach der die von Nicols Sarkozy betriebene Neuregelung "jegliche Leugnung eines Völkermordes, der vom Gesetzgeber anerkannt würde, betreffen könnte". Daran sei sicher nie gedacht gewesen. Präsident Nicolas Sarkozy kündigte an, die Regierung werde einen neuen Gesetzentwurf erarbeiten. Allein die türkische Regierung begrüßte das Urteil. "Ich hoffe, dass jeder daraus die notwendigen Lektionen gelernt hat", sagte Außenminister Ahmet Davutoglu. Das Kabinett in Ankara werde nun zumindest vorübergehend davon absehen, die Leugnung des französischen Völkermords an den Algeriern unter Strafe zu stellen.

Dienstag, 28. Februar 2012

Der Wulff-Nachruf: Ein deutscher Staatsmann

Vergangen. Vergessen. vergeben. Christian Wulff, der Mann, der anderthalb Jahre lang als Bundespräsident amtierte, ist Geschichte, sein Nachfolger bereits dabei, Nation mit dem Amt zu versöhnen, obwohl er noch nicht einmal offiziell inthronisiert worden ist. Von Wulff aber, der die Nation neuneinhalb wunderbare Wochen lang besser unterhalten hat als alle seine Vorgänger, kommen immer noch Neuigkeiten. Neuigkeiten, die zeigen, dass der schnäppchenversessene Dauerkurzurlauber vielleicht doch genau der richtige Mann am richtigen Ort zur richtigen Zeit gewesen ist.

Nein, nicht weil mit Wulff ein Mann ganz oben an der Staatsspitze stand, der den deutschen Geist des "Geiz ist geil" nicht nur predigte, sondern konsequent vorlebte. Sondern weil Wulff offenbar auch deutsche Staatspolitik ganz privat lebte, wie der "Spiegel" in einer neuen Rezension der Affäre aufdeckt. Im Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Vorteilsannahme, das die Staatsanwaltschaft Hannover gegen Wulff führt, habe der sich gegen den Verdacht, Urlaube als Geschenke vom Medienunternehmer Groenewold angenommen zu haben, mit dem Hinweis gewehrt, die von Groenewold vorgestreckten Auslagen für zwei Sylt-Abstecher habe er mit Hilfe von Bargeldgeschenken der Mutter seiner Frau zurückgezahlt.

Einmal habe die seiner Frau 1000 Euro in bar, ein weiteres Mal 2500 Euro geschenkt. Zuvor hatte Wulff global behauptet, er habe Groenewold in bar ausgezahlt, die Staatsanwaltschaft hatte jedoch auf seinen Konten keine Abhebungen in ausreichender Höhe feststellen können.

"Eine neue Lüge ist wie ein neues Leben", hatte PPQ zur Einleitung der finalen Phase der Wulff-Klamotte getitelt. Heute aber ist klar: Wulff hätte nicht Häme, sondern Mitleid verdient gehabt. Rettungslos verstrickt in seine selbsterdachten absurden Erklärungen kämpfte der Karrierepolitiker, das weiß man heute, nicht nur um seinen Ruf und seinen Posten, nein, er kämpfte auch ums finanzielle Überleben.

Eine Parallele zum Vaterland. Das baute seinen Schuldenberg seit dem Tag, an dem Gerhard Schröder knallharte Sparpolitik verkündete, von 1.2 Billionen Euro auf 2.1 Billionen Euro aus, obwohl die Steuereinnahmen in derselben Zeit von 440 Milliarden jährlich auf 555 Milliarden jährlich anstiegen.

Auch Wulff hatte stets gut dotierte Posten, seit 1986 sogar. Er war Ratsherr, Beigeordneter, Landestagsabgeordneter und Ministerpräsident, nebenbei Partner einer Rechtsanwaltskanzlei und CDU-Fraktionschef. Ein Vierteljahrhundert verfügte Christian Wullf über Einkommen, die wenigstens doppelt so hoch waren wie das deutsche Durchschnittsgehalt. Allein in seiner Zeit als Ministerpräsident erhielt er rund 16.000 Euro monatlich - insgesamt wenigstens 1,4 Millionen Euro.

Dennoch stand der damals 49-Jährige, von dem teure Hobbys oder extravagante Vorlieben bis heute nicht bekannt geworden wären, im Sommer 2008 vor dem finanziellen Nichts wie Deutschlands Finanzminister. Wulffs Konto war mit mehr als 10.000 Euro in den Miesen, der Staat lag bei einem Verschuldungsgrad von 83 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Ohne zu borgen, die Steuerquote hochzufahren, Geschenke anzunehmen und immer neue Steuern und Abgaben einzuführen ging es nicht mehr.

Der Altbundespräsident mit dem Antlitz eines großen Jungen ist so gesehen ein überaus passender Repräsentant der Demokratie, der er den Plänen der Kanzlerin zufolge ein Gesicht geben sollte. Kann nicht mit Geld umgehen. Wirtschaftet beharrlich im roten Bereich. Bestellt Häuser und Autos, die er nicht bezahlen kann. Leistet sich Reisen, für die der Kontostand nicht reicht. Nein, kein Gauck wird der Seele des Staates so nahekommen können.

Bombenverbot in Terror-Mails

Wirklich erschreckende Zahlen sind es, die das Bundeskriminalamt da veröffentlicht hat. 37 Millionen Emails haben deutsche Behörden im Jahr 2010 heimlich mitgelesen, weil Terroristen, Extremisten oder fahrlässige Käufer von Wasserbomben und Fans von Martins Luther kruden Thesen Stichworte wie "Bombe" oder "Anschlag" in ihnen untergebracht hatten. Nach Angaben des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) des Bundestages wurden 2010 genau 37.292862 E-Mails und Internet-Kommunikationen überprüft, "weil darin Worte wie beispielsweise «Bombe» vorgekommen seien". Mehr als 15.000 Schlagwörter aus dem Bereich Terrorismus, Rüstung und illegaler Schleusung gelten als verdächtig, Mails, in denen sie auftauchen, werden routinemäßig von der Mouse-Police im elektrischen Polizeirevier überprüft.

Nun geht die Angst in Deutschland um, die Angst, dass unser aller Sicherheit schwer gefährdet ist. Denn obwohl große Nachrichtenkanäle sofort verkündeten, "Achtung, der Staat liest mit", sieht die Realität sehr viel erschütternder aus.Von wegen, "Sie schreiben Ihrem besten Freund eine E-Mail über einen schönen Abend, den Sie erlebt haben", wie ein RTL-Dichter schreibt. Und darin stände der Satz: "Der Abend gestern war echt eine Bombe." Dann höre sich das "harmlos an, doch bei den deutschen Geheimdienstlern klingeln dann die Alarmglocken".

Alarmglocken? Bei deutschen Geheimdiensten? Von wegen. Denn die schlafen wie im Fall der Zwickauer Terrorzelle tief und fest, wie schon eine schnelle Überschlagsrechnung zeigt. Zwar konnte die Zahl der mitgelesenen Mails im Vergleich zum Vorjahr, als nur 6,8 Millionen Mails von Amts wegen kontrolliert  wurden, verfünffacht werden. Aber bei weltweit jährlich gesendeten 107 Billionen Emails bleibt insgesamt gesehen dennoch kaum eine Mail im Überwachungsnetz der Bundesfahnder hängen.

Ganz im Gegenteil: Auf gerademal 0.000034 Prozent aller gesendeten elektronischen Nachrichten werfen Fahnder hierzulande vor der Zustellung beim Empfänger noch einmal einen prüfenden Blick. Sagenhafte 99.999966 Prozent aller Emails werden folglich weder beim BKA noch bei den Landeskriminalämtern, aber auch nicht beim Zentralregister für Datensicherheit oder dem Bundesblogampelamt (BBAA) im mecklenburgischen Warin noch einmal auf Zulässigkeit kontrolliert.

Bürger sind beunruhigt, Politiker entsetzt. Viele Menschen im Land fragen sich besorgt: "Wie viele missverständlich Mails muss ich denn nun eigentlich senden, damit wirklich mal irgendein Beamter mitliest?"

Eine Frage, der PPQ-Sicherheitsexperten in den letzten Tagen engagiert nachgegangen sind. Zusammen mit Herrnfried Hegenzecht vom BBAA in Warin, das sein hochmodernes Bundessicherheitsrechencenter zur Verfügung stellte, konnten die exakten Daten in langwierigen Versuchen am Email-Mikroskop ermittelt werden. Danach muss ein einzelner Email-Accountbesitzer derzeit rund 2,95 Millionen Mails im Jahr abschicken, um wenigstens einigermaßen sicher sein zu können, neben dem in der Adresszeile angegebenen Adressaten auch einen Leser bei den Strafverfolgungsbehörden zu erreichen.


Empfehlung der Redaktion: Schneller geht es nach einem Tipp der "Jungen Welt", wenn alle Bürger in der Zweitempfängerzeile jeder Mail gleich den Verfassungsschutz mitangeben. Einfach HiT@bfv.bund.de ins BCC tippen und ab damit an die zuständigen Organe. Und keinesfalls auf einen richterlichen Beschluss warten! Das muss nicht!

Mehr Mail-Mathemathik: 400 deutsche Qualitätszeitungen kamen nicht drauf, er allerdings schon: Die Anmerkung lehrt, auch große Zahlen einzuordnen

Montag, 27. Februar 2012

Bundestag rettet "Bild"-Zocker

Die Politik im Sold der großen Konzerne, einmal mehr ist das das Bild, das der Deutsche Bundestag in Berlin abgibt. Zum Jubiläum der Griechenlandrettung, die Anfang März ihren dritten Geburtstag feiern wird, hatte sich das Hohe Haus zu einer Gedenkveranstaltung zusammengefunden, bei der an die vielen, vielen endgültigen Rettungen der vergangenen Monate erinnert wurde. Gleichzeitig werden die Parlamentarier die Zusammenkunft am Nachmittag aber auch nutzen, um bedrohten Spekulanten eine helfende Hand entgegenzustrecken.

Profiteur ist der "Springer"-Konzern, der sich erst vor wenigen Wochen entschlossen hatte, dem Vorbild des von PPQ initiierten "Projektes Sparta" zu folgen und in großem Stil Griechenland-Anleihen für das konzerneigene Spekulationsdepot zu kaufen. Während das Projekt Sparta mit der auch von der Europäischen Zentralbank als Sicherheit anerkannten griechischen Hochqualitätsanleihe mit der WKN A0LN5U (aktueller Kurs hier) zumindest zeitweise große Hilfsgewinne verzeichnen konnte, hatte sich die für den "Springer"-Konzern federführend verantwortliche "Bild"-Wirtschaftsredaktion von Anfang an schwer verzockt. Das von "Bild" für einen "Big Fat Greek Bond" gehaltene Papier mit der Wertpapierkennummer A0T6US ist seit dem Einstieg der Volksbondprediger vom Kaufkurs bei 48,15 Prozent auf einen Restwert von 28,5 Prozent abgestürzt. Die "100 Prozent Gewinn", die "Bild" mit der Spekulation hatte machen wollen, sind zu mehr als 40 Prozent Verlust geworden.

Und nun soll natürlich wieder der Steuerzahler ran. Die Mehrheit der Abgeordneten hat, ängstlich geworden durch die jüngste Vorführung von Pressemacht im Rahmen der sogenannten Wulff-Affäre, bereits im Vorfeld der erneuten Rettungsabstimmung signalisiert, dass sie willfährig bereit ist, Steuergelder zur Sanierung des "Bild"-Depots einzusetzen. Mit neuen Überweisungen nach Athen, die ein Volumen von bis zu 130, eventuell aber auch 190 oder 566 Milliarden oder Billionen Euro betragen können, soll die Regierung in Athen in die Lage versetzt werden, den am 20. März zur Rückzahlung anstehenden "Big Fat Greek Bond“ wie im Schuldenschnittabkommen vereinbart zur Hälfte zurückzuzahlen. Anleger, die das fragwürdige Zockerpapier erst nach der Volkszockerredaktion gekauft haben, dürften sich dann in der Tat über rund 65 Prozent Gewinn freuen.

Warum nicht mal wieder ein Kaiser?

Wäre das Volk gehört worden, damals, als Horst Köhler sich in einem vielbeachteten geheimen Telefongespräch von der Kanzlerin und danach mit einem kurzen satz auch vom Volk verabschiedete, Deutschland hätte keinen Wulff ertragen müssen. Denn mit einer volksbewegten Initiative hatte sich PPQ, die Stimme aus der Mitte Mitteldeutschlands, von Anfang an stark für eine Amtsübernahme durch den früheren Fußball-Kaiser Franz Beckenbauer gemacht.

Nicht nur dem Namen nach, hieß es damals in einer bürgerschaftlich engagierten Reihe unter dem Titel „Franz, der kanns“, sei der beliebte Fußballgott der ideale Kandidat für das Schloss Bellevue. Stimmen aus der Politik schlossen sich an. Uwe Böhrnsen etwa, damals wie Horst Seehofer heute kommissarisches Staatsoberhaupt im Interregnum, sagte: "Warum sollten wir nicht versuchen, jenseits parteipolitischer Zuordnung eine geeignete Kandidatin oder einen Kandidaten zu finden?" vermieden werden.

Einer wie Franz hat natürlich bis heute das richtige Format, um den Anforderungsprofil zu entsprechen. Der mehrmalige Weltmeister strahlt eine natürliche Präsidiabilität aus, sein weißes Haar lässt ihn väterlich wirken, sein verschmitztes Lächeln macht ihn zu einem Gesicht Deutschlands, das in aller Welt fröhlich empfangen werden wird. Das erkannten damals lange nicht genug Deutsche, eine Facebook-Initiative, die sich die Inthronisierung Beckenbauers als neuem Volkspräsidenten zur Aufgabe gemacht hatte, blieb eine renitente Randerscheinung.

Diesmal aber könnte es anders laufen. Beckenbauer ist verglichen mit Joachim Gauck nicht nur bekannter und meinungsmäßig weniger festgelegt, er ist auch fünf jahre jünger und deshalb die sportlich-dynamische Alternative zum derzeitigen Favoriten im Ein-Mann-Rennen zur Präsidentenwürde. Diesmal spielt auch die Bevölkerung die ihr zugedachte Rolle, wie spontane Einträge von Internetnutzern beweisen. Kreativ wird hier durchgespielt, welche Chancen für Deutschland in einem Präsidenten Beckenbauer stecken: „Beim Kaiser ist auch die Weiterführung der Dynastie gesichert“, heißt er, „damit nicht in ein paar Jahren schon wieder ein neuer gewählt werden muß“. Das spare, ergänzt ein andere, eine runde Million, die die Bundesversammlung jedes Mal koste. Geld, das in einer angemessenen Hofhaltung des neuen Mannes im Bellevue weitaus besser angelegt wäre.

Zur Initiative Bürger für Beckenbauer

Sonntag, 26. Februar 2012

Auf dem Sofa um die Welt


Passte seinerzeit. Passt heute. Ein Grundsatzwerk, neu inszeniert von Justin Sullivan und Dean White. Es geht wie immer darum, dass man nichts Genaues weiß. Aber wenn die Fahnen wehen, ist der Verstand in der Trompete.

Well, you say it's such a small, small world
flying Club Class back from the far-east
curled up safe and warm in the big chair
you were drifting through the skies of anywhere
Get the courtesy car to the Sheraton
there's live on-the-spot reports on the CNN between the ad-breaks
so you think you know what's going on - but you don't


Because you weren't in Belfast, no you weren't there
and no you weren't in Waco, no you weren't there
and you weren't in Kosovo, you weren't there
and you weren't in my head so you don't know how it felt
walking arm in arm with crowds to the square
and the banners waving and the sun glinting

All this information swims round and round
like a shoal of fish in a tank going nowhere
Up and down between the glass walls
You're so safe in the knowledge they're impenetrable
and you look out at the world and see nothing at all
so go back to sleep and you'll be woken when the time comes
and you'll never know just what hit you or where it came from


Because you weren't in Bradford, no you weren't there
and you weren't on the hill, no you weren't there
and you weren't with us so you never saw
just what happened when the television crews came knocking on the door
how the people told them all to go to Hell,
smashed the cameras and sent them away

There were sirens going off and policemen coming in
and all that you love was being swept away
in the rush of a black tide all done in your name
and you'll never know just what happened there
or how it feels - just how it feels

Arme Deutsche so reich wie nie

Schlimm, schlimm, schlimm! Während die Regierungen der Welt nach Angaben des Handelsblattes „in der Krise jeden Cent zusammenkratzen“ müssen, um soviel auszugeben wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit, haben die Menschen in Deutschland gleichzeitig so viel Vermögen „angehäuft“ (Handelsblatt) wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit.

Zehn Billionen Euro hat der Bundesverband Deutscher Banken auf Konten und Grundstücken der nach anderslautenden Berichten schon seit Jahren immer mehr verarmenden Deutschen gezählt. Das Handelsblatt, früher eine Fachzeitschrift für Wirtschaft, inzwischen aber das gedruckte Kinderradio Knirpsenstadt, macht einen MDR-Nachrichten-artigen Vergleich auf, um seinen Lesern zu verdeutlichen, was das bedeutet: Guthaben nebst Privatgrundstücke in Deutschland seien so viel wert „wie die Staatsschulden aller 27 EU-Mitglieder zusammen“. Dabei seien Sachvermögen wie iPods, Flachbildfernseher, Damenschuhe, Autos, Möbel, Bücher, Pfandflaschen, Bestecke, Schmuck, Streusandvorräte und Kunstsammlungen noch nicht einmal eingerechnet.

Warum also nicht einfach alle Staatsschulden der 27 EU-Länder ablösen? Oder wenigstens die deutschen Verbindlichkeiten von knapp 2,1 Billionen Euro? Dafür würde „allein das Geldvermögen der Deutschen von knapp 4,7 Billionen Euro“ ja locker reichen, wie das Blatt staunt, das anschließend ausführt, dass von knapp 4,7 Billionen Euro Geldvermögen „mehr als zwei Drittel auf Bargeld, Spar- und Festgeldkonten sowie Ansprüche gegenüber Versicherungen“ entfallen.

Genau darum. Diese vermeintlichen „Geldvermögen“ sind also eigentlich nichts als Ansprüche auf Guthaben, die andere als Verbindlichkeiten führen: Spar- und Festgeldkonten enthalten so wenig „Geld“ oder „Vermögen“ wie Ansprüche gegenüber Versicherungen mehr sind als ein im Augenblick rechtsgültiges Versprechen auf spätere Zahlung.

Wieviel ein solches Versprechen wert ist, wussten Oma und Opa noch aus eigener Erfahrung: Auch den Volkswagen Käfer hatten sie ja nur angezahlt, um später zu erfahren, dass ihre Ansprüche auf Lieferung „erloschen“ seien. Heute muss der Blick nach Griechenland gehen, um die Haltbarkeit von staatlich garantierten Guthaben beurteilen zu können: Um 15 Prozent wird die Regierung in Athen die griechischen Renten kürzen müssen.

Aber die armen Deutschen haben ja genug. Auch nach Abzug einer Billion laufender Immobilienkredite und 500 Milliarden anderer Verbindlichkeiten verfügt die Volksgemeinschaft mit dem vorhandenen Immobilienvermögen immer noch über ein besenreines Gesamtvermögen von mehr als sechs Billionen Euro plus Außenpools, Wintergärten, iPads, Flachbildfernseher, Damenschuhe, Autos, Möbel, Bücher, Pfandflaschen, Bestecke, Schmuck, Streusandvorräte und Kunstsammlungen.

Das Geldvermögen hat sich in den vergangenen 20 Jahren damit deutlich langsamer entwickelt als die Bierpreise in Gaststätten: Die stiegen um 384 Prozent, während die Vermögen nur um 266 Prozent zulegten.

Oder im Handelsblatt-Knirpsenstadt-Deutsch einfacher ausgedrückt: Für ihre 1.750 Milliarden Euro Geldvermögen im Jahr 1991 hätten sich die Deutschen 2.69 Milliarden Glas Bier kaufen können. Für die 4.662 Milliarden Euro, die sie heute haben, gibt es nur noch 1,864 Milliarden Gläser.

Wohlstand ist möglich Je schlechter, desto gerechter

Samstag, 25. Februar 2012

Wer hat es gesagt?

Jeder, der es mit einer größeren Menge Volkes zu tun hat, ist dann und wann gezwungen, seine Zuflucht im Betruge zu nehmen.

Furcht vor der Fliese

Hier lief eines der schönsten romantischen Theatermärchen der Neuzeit, hier rockte der blinde Flipperkönig Tommy, hier klebte der hallesche Kachel Gott schon vor Urzeiten eines seiner imposanten künstlerischen Einzelstücke (oben). Doch nicht nur deshalb galt das Thalia-Theater in der ehemaligen Kulturstadt Halle zuletzt als unantastbar, vielmehr hatte die Stadt nach einer deutschlandweit vielbeachteten Auseinandersetzung mit den Theatermitarbeitern zugestimmt, der Kinder- und Jugendbühne gegen Zugeständnisse bei der Gehaltszahlung eine Existenzgarantie zu geben, die ausdrücklich auch für die Fliesung im Eingangsbereich des Theaterhauses gelten sollte.

Wie das aber ist mit staatlichen Garantien - nur ein Jahr später soll das Theater schon wieder geschlossen werden. Es müsse weiter gespart werden, heißt es im Rathaus, deshalb habe man beschlossen, bei den Schwächsten anzufangen und die Kinderbühne zu streichen. Jugendliche könnten auch Fernsehen, viele hätten jetzt auch iPhones und iPads, so dass sie bestimtme Theaterstücke bei Wikipedia oder der Bundeszentrale für politische Bildung nachschlagen könnten. Das empfehle auch das Bundesblogampelamt im mecklenburgischen Warin.

Theaterfreunde und Fliesenfans sehen sich allerdings dennoch um die Frucht des Kompromisses im vergangenen Jahr betrogen. Das Vorgehen der Stadt passe haargenau in die Fliesen-Vernichtungsstrategie, die vom Rathaus bereits seit Monaten verfolgt werde. Während andere Städte stolz seien auf ihre Fliesenkünstler, werde in der Metropole der mitteldeutschen Kachelkultur mit Kanonen auf Kacheln geschossen. "Es gibt keine Achtung, es gibt keine Rücksichtnahme auf kulturelle Werte", heißt es in einer Presseerklärung des Kachelkulturvereins e.V.(i.G.). Gemeinsam mit Theatermitarbeitern und -besuchern wolle man die Schließung jedoch nicht hinnehmen, sondern "energisch Front machen gegen die Amputation eines weiteren Stücks innerstädtischer Kultur".


Eigene Funde können wie stets direkt an politplatschquatsch@gmail.com geleitet werden, jeder Fund wird von uns auf Wunsch mit einem mundnachgemalten Kunstdruck der inzwischen von Kachel-Gegnern vernichteten Ur-Fliese prämiert.

Merkel und Stalin: Treibriemen aus Menschenfleisch

Bei der Charakterisierung des Stalinismus kann man eine Reihe von typischen Merkmalen anführen, schreibt Alexander Wolkogonow in seinem Buch, das „Stalin“ heißt wie sein Held. Eines von ihnen sei die "Alternativlosigkeit der Entwicklung". Wolkogonows Buch erschien 1989, vom Vorhandensein einer Angela Merkel ahnte der Autor vermutlich nicht einmal etwas.

Und doch trifft seine Stalinismusanalyse in verblüffend vielen Punkten auf die Jetztzeit zu, abzüglich natürlich der blutigen Methoden, mit denen Väterchen Stalin sein Reich regierte. Die Alternativlosigkeit zum Beispiel ist immer noch da, oder wieder. Und auch die Systematik, mit der mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Tod des roten Potentaten Ämter und Posten besetzt werden, gleich auf ein Haar der, mit der Stalin seinen Willen über Treibriemen aus menschlichem Fleisch bis in den letzten Winkel der Sowjetunion transportierte.

„Eine ganz kleine Clique“, nannte es Hitler später, als er von den Attentätern des 20. Juli sprach. Eine ganz kleine Clique aber war es auch bei Stalin und war es auch bei Hitler und war es bei Kohl und war bei Honecker und ist es bei Merkel, die die Geschicke des Landes lenkt. Demokratie? Ein Nebengeräusch in Zeiten, in denen nicht nur Minister, Staatssekretäre und EU-Kommissare, sondern auch Bundespräsidenten in den abgeschotteten Kungelrunden einer halben Busbesatzung von Multifunktionären ausgeschachert werden. Erich Honecker trennte sich während seiner fast 20 Jahre währenden Herrschaftszeit nur von Konrad Naumann, neu in seinen von Vorgänger Ulbricht übernommenen Führungskreis nahm er Schabowski und Krenz auf, das reichte.

Stalin wechselte seine zwei, höchstens drei Dutzend unmittelbaren Handlanger dreimal. Als erstes war da die Leninsche Garde, die er schnell abschaffte. Dann kamen Nachrücker wie Jeschow und Jegorow. Und schließlich ließ er auch die töten und umgab sich nocheinmal mit einer neuen Generation von Genossen wie Schdanow und Berija. Molotow und Woroschilow überlebten alle drei Phasen und am Ende sogar ihren Herren.

Was muss es sie gekostet haben? Was kostete es Albert Speer, im immerzu nur schrumpfenden inneren Kreis um Hitler wie alle Paladine erst diese, adann aber auch noch jede und noch diese Aufgabe zu übernehmen? Multittalentiertheit der führenden Figuren – sie ist ein ebenso imposantes Indiz für Totalitarismus wie die scheinbare Alternativlosigkeit jeder Entscheidung des Mannes oder der Frau an der Spitze: Weil die Führungsclique aus Gründen des Machterhaltes nach der Phase der Beseitigung aller innerparteilichen Gegner abgeschottet wird, wie es bei Hitler nach Röhm und dem England-Flug von Hess geschah, müssen die vorhandenen Kräfte immer breiter aufgestellt werden. Denn nur ihnen darf der Führer, der in der Mitte steht und die Linie vorgibt, wirklich vertrauen, denn sie haben bewiesen, dass sie Machtteilhabe wollen, nicht aber wirkliche Macht.

Bei Merkel war der Punkt erreicht, als Merz und Koch abgeschossen, Seehofer befriedet und Wulff verbeamtet worden war. Seitdem marschiert die eiserne Kanzlerin in einen Trichter aus abnehmenden Verschiebemöglichkeiten: Von der Multifunktionalität des innersten Kreises zeugen vielfältige Rochaden wie die des Innenministers auf den Finanzminuisterstuhl, die der Arbeitsministerin, die nun Familie macht, die des Innenministers, der sich um Verteidigung kümmert, und die des Gesundheitsministers, der in Wirtschaft macht.

Doch die Kraft ist weg, die Sorge vor dem Machtverlust durch Teilung der Macht hat zur Auszehrung der Macht geführt. Schon als ein Zentralbanker für Europa gesucht wurde, konnte Merkel nur auf einen mit allen Wassern gewaschenen SPD-Mann zurückgreifen. Und als es dann um die Nachfolge von Altbundespräsident Wulff ging, zeigte sich ihr ganzes personalpolitisches Elend: Sie hatte niemanden mehr in der Hinterhand. Keinen Trumpf. Ja, nicht einmal noch eine Lusche.

Personalpolitik aber ist Regieren, wie Wolkogonow in seiner Annäherung an Stalin ausführt. Wer die Kader stellt, bestimmt die Richtung, wer die Karrieren gründet, wird in Loyalität bezahlt. Der russische Revolutionär Georgi Walentinowitsch Plechanow, der die bolschewistische Revolution aus nächster Nähe erlebte, bemerkte schon bald nach der Übernahme der Macht, wohin der Hase lief. „Das ZK kassiert alle elemente, die mit ihm unzufrieden sind, setzt überall seine Kreaturen ein, und nachdem es alle komitees mit seinen Kreaturen aufgefüllt hat, sichert es sich eine untergebene Mehrheit auf den Parteitagen“, schrieb er. Auf diese Weise werde es in der Partei bald weder eine Mehrheit noch eine Minderheit geben: „Weil sich bei uns das Ideal des persischen Schahs verwirklichen wird.“

Freitag, 24. Februar 2012

In Wahrheit immer noch die Wahrheit

Elf Prozent der Deutschen fürchten, dass es keinen Unterschied macht, ob nun Joachim Gauck Bundespräsident wird oder ein lesbisches Eichhörnchen.

In Wahrheit ist das die Wahrheit, aber auch das macht keinen Unterschied.

Immer noch.

Dicke Luft nur in Deutschland

Sie nützen natürlich nichts. Aber die EU hat sie verordnet! Wo immer die "Feinstaubwerte" überschritten werden, von denen Oma in Bitterfeld und Opa in seinem Garten direkt unter den Karbidöfen von Buna noch gar nichts wusste, muss eine Umweltzone her. Die EU hat dazu Regeln verabschiedet, nach denen Städte "Luftreinhaltungspläne" erstellen müssen, um die Belastung mit feinsten Stäuben unter das von der Kommission in Brüssel festgelegte Maß zu veringern. Klare Sache: Zuviel Feinstaub an 17 Tagen ist in Ordnung, zuviel Feinstaub an 190 Tagen ist verboten.

Weil sich nun aber Feinstaubbesuch aus der Sahara nicht durch Fahrverbote für die Veteranen des DDR-Fahrzeugbaus von der Landung in deutschen Städten abhalten lassen, ist das Ende vom Lied immer unermessliches Leid. In einer mittelgroßen deutschen Stadt haben Autobesitzer eine knappe Million für Umschutzzonen-Einfahrtserlaubnisaufkleber ausgegeben. Der Steuerzahler hat seiner Kommune durchschnittlich 200.000 Euro für Schilder spendiert, mit denen die funkelnagelneue Umweltzone markiert wird. Und nach einiger Zeit kommt dann auch noch ein Schreiben der EU, die bemerkt hat, dass die Umweltzone gegen die Umwelt wirkungslos geblieben ist. Die Experten in Brüssel hatten die mehrjährige Schonzeit bei der Umsetzung der feinstaub-Richtlinie im letzten Sommer für beendet erklärt und für den Fall weiterer Verstöße "Sanktionen" (dpa) angekündigt. Unklar ist noch, wie die aussehen werden, vermutlich aber, so heißt es in Brüssel, müssten Städte, in denen die Feinstaubwerte sich nicht im Rahmen der Vorschriften hielten, Geldbußen zahlen.

Ein Konzept, das außerhalb von Deutschland offenbar nicht ganz überzeugt hat. denn wie die EU-eigene Seite Lowemissionzones zeigt, ist der Kampf gegen den Killer aus dem Nanobereich wie die Kriegsschuld ein rein deutsches Problem, abgeschmeckt mit ein wenig italienischem Aroma. Frankreich, die große Brudernation, verfügt ausweislich der EU-Angaben derzeit ebensowenig über eine Umweltzone wie Spanien, Griechenland, Polen oder die Slowakei. Großbritannien hat eine, ebenso wie Ungarn und die Tschechei, Dänemark hat drei, Schweden fünf, die Niederlande haben elf.

Deutschland aber schlägt sie alle. Hierzulande haben weit über 60 Städte Angst davor, von der EU-Kommission bestraft werden, weil aufwendig installierte Messstellen zeigen, dass die amtlich zugelassene Luftqualität nicht erreicht wird. Mindestens 100 Millionen Euro hat sich Deutschland die Vorbereitungen dafür kosten lassen. Geld, das Griechenland gespart hat: Hier gibt es einfach keine Messstellen. Und damit auch keinen Feinstaub. Und damit auch keine Notwendigkeit, Umweltzonen einzurichten. Und damit auch keine Strafen der EU.

Donnerstag, 23. Februar 2012

Rätsel der Mathematik: Herr Schäuble, wie haben Sie das gemacht?

Rätsel der Mathematik, Wunder der Wissenschaft. Als Europa vor zwei Jahren langsam begriff, dass Griechenland vor dem Staatsbankrott stand, hatte das Land unglaublich hohe Verbindlichkeiten. Die Gesamtschulden beliefen sich auf 300 Milliarden Euro – das waren damals, anno 2010, als Benzin noch 1,30 kostete, sagenhafte 112,6 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts.

Europa reagierte. Es wurden Rettungspakete geschnürt, schneller als eine Domina ihr Korsett bindet. Europa erliess Griechenland schon 2010 die Hälfte seiner Schulden – nach übereinstimmenden zeitgenössischen Berichten von Qualitätsmedien waren das allerdings nicht 150, sondern 100 Milliarden Euro. Doch Jahr 2011 bekam die Regierung in Athen noch einmal 100 Milliarden Euro.

In einem normalen deutschen Taschenrechner ergäbe sich mit Stand Januar 2012 eine einfache Substraktionsrechnung: 300 Milliarden minus 100 Milliarden minus weitere 100 Milliarden müsste eine griechische Restschuld von 100 Milliarden ergeben.

Müsste. Wäre hier nicht höhere Mathematik im Spiel. Denn Griechenlands Schulden betragen nach derzeitigen Angaben nicht 100, sondern 350 Milliarden Euro. Runde 50 Milliarden mehr als vor dem ersten Rettungspaket.

»Ich glaube, dass wir das insgesamt gut zustande gebracht haben«, kommentierte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble das erstaunliche Ergebnis. Herr Schäuble, wie haben Sie das gemacht? Und wie geht es weiter? Mit dem nächsten Rettungspaket bekommt Griechenland noch einmal 100 Milliarden Schuldenhilfe, zudem soll der Verzicht privater Gläubiger wie der staatlichen Hypo Real Estate Bank auf mehr als 50 Prozent ihrer Forderungen die griechischen Schulden um weitere 107 Milliarden reduzieren.

An der Kreidetafel einer Grundschulklasse hätte sich die Ursprungsschuld nunmehr in ein griechisches Staatsguthaben von sagenhaften 137 Milliarden Euro verwandelt. Im Europa der realen irrealen Zahlen deutet alles auf einen ganz anderen Gang der Dinge: Die Reduzierung von 300 Milliarden Schulden mit 200 Milliarden Hilfsgeld führte zu einer Erhöhung der Restschuld auf 350 Milliarden. Linear dazu wird die Reduzierung dieser Restschuld um 237 Milliarden zu einer Erhöhung der nunmehrigen Restschuld auf 395 Milliarden Euro führen.

Merkel: Die gelenkte Demokratie

Es kündigte sich schon als enges Rennen an, nachdem alle politischen Parteien die Ernennung des neuen Wulff einmütig im Hinterzimmer beschlossen hatten, um die Demokratie zu stärken. Postwendend geschah, worauf außer der wie immer weitsichtigen Bundeskanzlerin niemand gesetzt hatte: Das Volk im Lande Virtualien stand auf. Ein Sturm brach los. Der MDR musste eine Umfrage vom Netz nehmen, weil sie gegen den Konsenskandidaten einer ganz kleinen Clique ehrgeiziger, gewissenloser und zugleich unvernünftiger Politprofis ausgegangen war. #NotmyPresident twitterte es. KeinGauck, forderten Facebook-Nutzer.

Einmal mehr hatte Angela Merkel durch die Hintertür erreicht, was sie schon seit langem bezweckt. Die Demokratie in Deutschland, bis letzte Woche eine Angelegenheit, die Sigmar Gabriel, Thomas de Maiziere, der kleine Rösler und vier weitere Herren in abendlichen Talkshowrunden als Coverversion von „Dinner for One“ nachspielen, ergreift die Massen, schlägt hohe Wellen, peitscht an die Fassaden der Fernsehanstalten, als gäbe es noch Leben im Dunstkreis von politischem Aschermittwoch und permanenter Griechenlandrettung.

Die Menschen, in den zurückliegenden Jahren dank einer europäisch harmonisierten Zuschau-Demokratie dazu erzogen, Regiertwerden als unpolitischen Verwaltungsakt zu begreifen, sind wieder an Bord der Debatte, die längst eingeschlafen war. Aufruhr! Widerstand! Warum werden wir eigentlich nie gefragt?, wollen Leute wissen, die vor Wulff nicht einmal mehr die Tagesschau angeschaltet hatten.

Wenn es der Plan von Christian Wulff war, sich für dieses Ziel aufzuopfern, so muss sein Canossa-Gang zu Maschmeyer, Gerkens und Co. im Nachhinein heiliggesprochen werden. Wenn es Angela Merkel war, die den arglosen Nachwuchsmann aus Niedersachsen über Bande spielend zu diesem Zweck benutzt hat, ist die planerische Meisterleistung vielleicht noch höher einzuschätzen.

Das ist Staatskunst, wie sie Wilhelm II. vor dem I. Weltkrieg und Helmut Kohl zu Zeiten der Wiedervereinigung demonstriert hatten. Politisches Ballett in Vollendung, graziös und kraftvoll. Merkel beeindruckt mit einer konsequenten Umsetzung einer vom Segeln bekannten Taktik: Um voranzukommen, wenn der Wind von vorn weht, muss der Skipper auf dem Meer kreuzen. Um in der Politik zu erreichen, was man will, muss der Staatsmann das Gegenteil anstreben. Die lange Linie liegt offen zutage: Merkel installiert Wulff, um mit dem blassen Niedersachsen das totale Primat der Politik über alle anderen Lebensäußerungen zu beweisen. Bürger, du bist nichts als das Subjekt unserer Fürsorge, so lautete die Botschaft.

Mit dem von langer Hand geplanten quälend langsamen Sturz aber steuerte Merkel dann das eigentliche Ziel an: Den eingeschlafenen Wutbürger auf der Straße wecken, ihn für seine eigenen Angelegenheiten zu interessieren. Merkel weiß: Das funktioniert nicht bei komplexen Themen wie der Griechenlandrettung, Afghanistan oder der Gesundheitsreform. Es funktioniert wie nur über Personen.

Und eine allein reicht auch noch nicht, das lähmende Schweigen der Vielen zu brechen. Wulff wäre eine Episode der jenningerreichen deutschen Geschichte geblieben, hätte die sensible Kanzlerin ihre Aufstachelung der schweigenden Mehrheit zu mehr Teilhabe nicht noch weiter getrieben. Das aber tat sie. Auch der Nachfolger Wulffs wurde auf ihre Initiative hin demonstrativ auf dem sogenannten Wulff-Weg bestimmt: Kleine Kungelrunde. Eilige Entscheidung wie immer bei der Eurorettung. Alles muss fertig sein, bevor die Börsen in Fernost öffnen. Fertiges Ergebnis mit froher Botschaft pünktlich zur „Tagesschau“.

Erziehung durch Provokation, Demokratisierung durch den angedrohten Entzug demokratischer Privilegien, Volksherrschaft durch die Vorführung einer selbstgefälligen Hinterzimmer-Diktatur der Parteifunktionäre, darauf spekulierte die große Demokratin Merkel. Sie erklärt ihre Winkelzüge nicht, offenbart nicht, wie ihre gelenkte Demokratie von oben nach unten graswurzelt, um dann von unten nach oben Beteiligung zu generieren, weil sie dann ihre Wirkung verlören. Doch Historiker werden sie einst als große Volkserzieherin, ja, vielleicht sogar als wahre Wiederbegünderin der deutschen demokratischen Republik bezeichnen.

Calimero: Ringelrein der Gladiatoren

Mittwoch, 22. Februar 2012

Ein Herz voller Harmonien

Wo der Osten noch Osten ist, da lebt er nach wie vor, der echte Ostrock, der nicht von Mitteldeutschen aus dem Süden Schwedens, sondern von wahren Ossis wie Adam Kubiarczyk gemacht wird. "Ciag Dalszy Nastapil" heißt die Band, wie er uns verraten hat, es kann aber auch das Lied gewesen sein. The Kedziors, sagt Adam, der eine Art polnischer Michael Barakowski ist, seien seine frühere Band gewesen, dies hier sei ein Team, das fortgesetzt worden sein. Musiziert munter. Voll östlicher Seele. Ein Herz voller Harmonien. Nein, es wird nicht alles schlecht.

Ran an die Wahlurne!


Mit diesem Text hat PPQ-Autor PPQ vor einiger Zeit die Trophäe "Autor der Freiheit des Monats September 2011" der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung gewonnen. Doch jetzt geht es um mehr. "Wer wird Autor der Freiheit des Jahres 2011?" fragt die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung. Und damit nicht Knalltüten wie Hermann Otto Solms oder Harald Martenstein das Rennen machen, müssen alle PPQ-Leser hier an die Wahlurne treten und an der richtigen Stelle ein Kreuzchen machen. Sonst fangen wir - leider - wieder an, Ost-Rock zu posten ...

Gauck Opfer von gigantischer Granatensauerei

Alle Parteien waren dafür, die Führung des MDR war dafür, die alten Bürgerrechtler und die Junge Union, die Liberalen und die Sozialen, die Frauen, die Mänenr, die Alten, die Jungen, Künstler und Kulturschaffende, die Spitze des Bundes der Vertriebenen und die in der DDR verbliebenen, die Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes, die Redaktionen draußen im Land und die prekär beschäftigten freien Mitarbeiter in den Städten, die "Bild"-Zeitung und die Kanzlerin, viele Jugendliche und Kinderfunktionäre, Popmusiker, Pornodarsteller und Postmitarbeiter, Finanzmarktspezialisten, Funktionsträger der großen Massenorganisationen ADAC, Bund und Barmer. Jetzt aber deckte die "Berliner Zeitung" Ungeheuerliches auf: Versteckt im Untergrund gibt es eine krude Bewegung von Gauck-Gegnern.

Deutschland unter Schock. Der Konsens der Demokraten zerbrochen am engstirnigen Beharren einiger weniger auf einer sogenannten eigenen Meinung. Gauck, der Präsident aller Herzen, wird zum Opfer einer gigantischen Granatensauerei.

Die Nordis übernehmen die Macht

Es ist so weit und die taz hat es als erste gemerkt. "Die Kanzlerin ist es, der künftige Präsident auch", schreibt Anja Maier dort mutig: Norddeutscher! Die große taz-Frage, die wir gern weitergeben: "Sollen wir uns darüber jetzt freuen oder was? Man ahnt: Die sogenannten Nordis werden wieder was zu meckern haben". Der fundamentale Beitrag zur Nordi-Debatte, die eben erst begonnen hat:

Wenn am 18. März Joachim Gauck zum Bundespräsidenten gewählt wird, bekleiden gleich zwei Norddeutsche die beiden höchsten Ämter, die die Bundesrepublik zu vergeben hat. Angela Merkel und Joachim Gauck, die Physikerin und der Pfarrer, geboren in Hamburg und Rostock, werden fortan Seite an Seite die Geschicke der Regierung und des Staates führen. Bedarf es eines augenfälligeren Beweises dafür, dass die deutsche Einheit vollendet ist - wenn jetzt die Nordis den Laden komplett übernehmen?

Tatsächlich ist es aber so, dass Joachim Gauck kein Konsenskandidat ist. Im Gegenteil, so wie es eben nicht den Norddeutschen, die Norddeutsche gibt, so repräsentiert der Mann aus Rostock auch beileibe nicht alle seine Brüder und Schwestern. Dafür ist dieser seltsame Haufen immer noch zu gespalten. Nicht jeder Norddeutsche hat nun mal so eine vorzeigbare Biografie wie Pfarrer Gauck aus Rostock.

Viele waren einfach nur Mitläufer auf der Suche nach dem privaten Punk. Einige waren linientreue Idealisten, die das bessere Nachkriegsdeutschland "hoch im Norden" (Udo Lindenberg) aufzubauen versuchten. Wieder andere waren froh, wenn man sie in Ruhe ließ und die Versorgungsengpässe nicht allzu drückend wurden. Und dann gibt es noch die ehemaligen Bürgerrechtler, für Ironie und Leichtigkeit nicht eben bekannt.

Im Süden, in Sachsen, Bayern und Baden-Würtemberg, will man das lieber nicht zur Kenntnis nehmen. Da sind die meisten nach mehr als zwanzig Jahren Wiedervereinigungsgedöns froh, dass mit Joachim Gauck eine Art Supernordi den Bundespräsi gibt. Als grau gelockter Politstar vermittelt er ihnen das gute Gefühl, dass da drüben in den Wolfslandschaften kurz vor Polen wenigstens einer zu demokratischen Gepflogenheiten gefunden hat. Natürlich: ein Mann der Kirche. Die anderen - die gottlosen Hartz-IV-Bezieher, die Nazis und Kostgänger der ächzenden Sozialsysteme - kann man darob endlich mal verdrängen.

Erst letzte Woche hat Joachim Gauck in Karlsruhe dargelegt, woran es den anderen Norddeutschen mangelt. 22 Jahre nach der Vereinigung, so der 72-Jährige, gebe es "eine stärkere Trennung zwischen Nordeutschem und Süddeutschem als zwischen Ossi und Wessi". Hier die Touristengebiete an der Küste. Dort das abgeschlagene Hinterland voller Nichts. Und dann noch die Mentalität der Nils und Katrins, deren Grundlage eine "Prägung über Jahrzehnte ohne eigene Rechte, ohne das Training von Selbstverantwortung" sei. Lederhose geht nicht Platt, der maulfaule Friese versteht sich nicht mit dem plappenden Kaffeesachsen. Nach wie vor sei vieles, "was mit Freiwilligkeit, Selbstverantwortung und Eigenständigkeit zu tun hat, im Norden defizitär".

Man liest es und ahnt: Die Nordler werden wieder was zu meckern haben an ihrem Landsmann als Staatsmann. Und keiner im Süden wird kapieren, was die eigentlich wollen - jetzt, wo einer von ihnen ran darf. Das Grummeln über Gauck wird den mühsam geflickten Ruf des Norddeutschen aufs Neue versauen. Gerade im letzten Jahr war der Dioxin-Skandal in Norddeutschland Beleg für die These, denen da oben könnte man zwanzig Jahre die Subventionen hinterherwerfen, Sozialarbeiter schicken und die Bürgersteige vergolden - aber für ein bisschen Demokratieverständnis und Toleranz reiche es bei ihnen einfach nicht. In diesem geschlossenen Weltbild ist der Norddeutsche eine Art arme Verwandtschaft, deren ideologische Reife nahtlos vom FDJ-Lehrjahr in die NPD-Kaderschule führt.

Die Manager des Futterfett-Hersteller Harles & Jentzsch in Schleswig-Holstein, der Industrie- und Futterfette gemischt und damit Dioxin in die Lebensmittelkette gebracht hatte, sind nur der sichtbare Ausdruck der Menschenverachtung in einem Landstrich, dessen Naturschönheiten man zwar gern preist - wären da nicht die Menschen, die ihn bewohnen. Nämlich jene zähen Norddeutschen, die bleiben. Und die nicht dankbar sind. Für die Solimilliarden und die EU-Millionen. Die stattdessen bei der nächsten Gelegenheit gar nicht oder die Linken oder gar die Sozialdemokraten wählen.

Bei der Präsentation Joachim Gaucks als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten sagte Angela Merkel: "Wir beide haben einen Teil unseres Lebens im Norden gelebt, und unsere Sehnsucht nach Freiheit hat sich 1989/90 erfüllt." Gauck dankte ihr mit den Worten, ihm sei "am wichtigsten, dass die Menschen in diesem Land wieder lernen, dass sie in einem guten Land leben, das sie lieben können". Er kann es doch schließlich auch.

Alles neu, der Bart ist ab

"Die Partys sind nicht das Problem", befand die FAZ in der "Causa Wulff" (FAZ) seinerzeit vorausschauend. Was für ein Glück aber auch, denn sonst hätte womöglich noch jemand Fotos in den falschen Hals bekommen, auf denen der letzten Sonntag im Kreis der Parteispitzen gewählte neue Bundespräsident fröhlich an der Seite des Wulff-Vertrauten Carsten Maschmeyer posiert.

Die Unterschiede könnten nicht deutlicher sein. Wo Maschmeyer an der Seite von Altbundespräsident Wullf noch einen schmalen schnauzer trägt, präsentiert er sich neben Gauck bar jeder Gesichtsbekleidung. Transparent und offen lächelt der Unternehmer in die Kamera, ein Bein noch in der Wulff-Affäre, einen Fuß schon in der Tür des neuen Schlossherren.

Immer dabei Veronica Ferres, die mal Mitte zu und mal außen offen trägt, stets aber eine gute Figur macht. Warum nicht mal sie als First Lady? Wenn Gauck seine Fähigkeit zur Wahrnehmung der Freiheit durch Einsicht in die Notwendigkeit einer unerlässlichen Hochzeit ohnehin in Kürze einsehen muss, dann könnte der greise Newcomer auf der weltpolitischen Bühne statt der farblosen Journalistin Daniela Schadt auch gleich die schillernde Fernsehfrau nehmen.

Schließlich ist Deutschland der Auftrag, den beide teilen. Während Schadts Auftreten in den künftig zu besuchenden Ländern nach der flotten Verheißung durch Bettina Wulff nur enttäuschen kann, dürfte Ferres leicht in der Lage sein, unterschiedlichste Kulturen wie in Burkina Faso, Sambia und Sausi-Arabien gleichermaßen mit ihrem Charme zu verzaubern.

Die Ehe müsste zu diesem Zweck nicht einmal vollzogen werden, da sind Staatsrechtler sicher. Eine Scheinehe zum Zwecke gemeinsamer Repräsentation im Ausland sei absolut zulässig, so lange die noch bestehende Gauck-Ehe mit seiner ersten Ehefrau Hansi zuvor geschieden werde. Unter der Woche könne Veronica Ferres dann mit ihrem Carsten in Hannover leben und Joachim Gauck seine Fernbeziehung mit der geliebten Dani weiterführen. Nur zu Staatsbesuchen oder Empfängen in Berlin würde das Patchwork-Paar der gemeinsamen Arbeit nachgehen.

Dienstag, 21. Februar 2012

Die Retter aus dem Ruhestand

Zeichen, aber kein Wunder. Der 72-jährige Joachim Gauck wird neuer Bundespräsident. Der 73-jährige Otto Rehhagel zieht auch nach Berlin. Der eine soll die Hertha retten, der andere die Demokratie. Der eine spielte 1963 schon bei Hertha, als Heinrich Lübke in einer ersten Amtszeit seine Mitarbeit beim Aufbau der Heeresversuchsanstalt Peenemündezu im Präsidentenamt abbüßte. Der andere wurde Vater, als Walter Ulbricht gerade mit dem Mauerbau begann, und Missionar in Rostock, als Rehhagel seine Fußballschuhe auszog. Rehhagel, der Griechenland schon einmal gerettet hat, hat das Wembley-Tor dereinst nochlive gesehen, in Schwarz und Weiß auf auf 50 Zentimeter Röhre. Gauck, als Behördenchef nicht viel verbindlicher als "König Otto" auf dem Platz, erlebte die Einführung des "Trabant 601" als junger Kerl mit. Entschied sich aber aus moralischen Gründen, lieber einen VW-Bus aus dem Westen zu fahren.

Zwei Männer, eine Generation. Deutschlands Zukunft, die Kommentatoren sind sich einig, liegt in der Vergangenheitm, wie auch die tagesaktuell zur Amtseinführung platzierte Studie „Fortschrittsreport Altersgerechte Arbeitswelt“ beweist, die Sozialministerin Ursula von der Leyen in der "Bild"-Zeitung vorstellt hat. Danach steigt die "Produktivität eines Betriebes signifikant an, wenn der Anteil der älteren Beschäftigten wächst". Logisch denn, "Ältere haben mehr Erfahrung, machen deshalb weniger Fehler".

Gauck bedeute deshalb Neuanfang, sagt Cem Özdemir. Hertha brauche einen Neuanfang, schreibt die „Morgenpost“. Aus alt mach neu, empfiehlt die auf Recyclingbasteln spezialisierte Bastelfrau. Der 70-jährige Peter Ulrich Heuer aus Bad Salzuflungen lernt Keyboard, die 73-jährige Gesine Wessels gehört beim SV Strücklingen zu den eifrigsten Ablegern des Sportabzeichens, das schon DDR-Staatschef Ulbricht jung gehalten hatte. Die 87-jährige Brunhild Stuerckow arbeitet als Freelancerin im Internet. Und der 40-jährige Vitali Klitschko muss immer noch als Box-Weltmeister amtieren, weil kein Nachwuchs in Sicht ist.

Der demografische Wandel, vielbeschworen und nie verstanden, er ist an der Spitze der politischen Alterspyramide angekommen. War der Mauerfall noch Zeichen der Rebellion einer Jugend, der die nichtweichenwollenden Alten an der Staatsspitze die Karrieren verbauten, so orientiert sich Deutschland 22 Jahre später um: Aufbruch heißt Bewahren, Entwicklung heißt, auch mal einhalten können. Umkehr ist in, Alter erste Bürgerpflicht.

Es waren doch nicht alle schlecht! Ohne Greise geht es nicht. Wolfgang Schäuble wird demnächst 70, muss aber weitermachen. Wer sonst soll Griechenland retten? Den Euro? Europa? Peer Steinbrück könnte Kanzler - er würde mit 70 seine erste Amtszeeit beenden. Sollen die Ermittlungen gegen die Terrorbande NSU nicht scheitern, muss der Vertrag des im Sommer zur Verrentung anstehenden BKA-Chefs Jörg Ziercke natürlich bis zum Abschluss des Verfahrens verlängert werden. Ziercke wird mit 65 aus dem regulären Beamtenalter heraus sein, wenn Zschäpe vor Gericht steht. Aber 65 ist doch kein Alter! Konrad Adenauer war 73, als er zum ersten Mal Bundeskanzler wurde. Er war 87, als er aus dem Amt schied.

Das eröffnet der Republik, die stolz wie Bolle ist, wenn ihre höchsten Repräsentanten in kleinen Hinterzimmerklüngelrunden würdevoll ausgeschachert werden, weil das die Demokratie total stärkt, völlig neue Perspektiven. Hell aus dem dunklen Vergangnen, leuchtet die Zukunft hervor! Nach dem Platzen der schwarz-gelben Koalition übernimmt SPD-Urgestein Hans-Jochen Vogel eine geriatrische Rettungsregierung. Der Mann ist erst 86, ein Jahr älter als sein 85-jähriger Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher.


In einem Satz bei Die Anmerkung: Die Putinisierung Deutschlands

Umfrage wisch und weg

Nach der überraschend schnellen Einigung aller Parteien bis auf einige auf Joachim Gauck als neuen Bundespräsidenten wäre weiterer Druck von der Straße gar nicht mehr nötig gewesen. Volkes Stimme hatte nicht gesprochen, doch sie war erhört worden: Ein "Herzenspräsident" steht vor der Tür, beliebt wie Beckenbauer, porentief rein wie der Papst, ein "politischer Lehrer" wie Lenin und von jedermann und jeder Frau im Lande geliebt wie zuletzt der große Stalin. Was der nur im Osten schaffte, gelang Joachim Gauck im Handstreich auch im Westen: Jung und alt, konservativ und sozialdemokratisch, alle lagen ihm zu Füßen.

Der mitteldeutsche Staatsfunk MDR beschloss darauf, die Einigkeit aller auf Flaschen zu ziehen. Eine Umfrage! Eien Umfrage! Wir machen eine Umfrage schallte es durch die hochmodenen Sendehallen. Flink war ein Link freigeschaltet, auf dem das Stimmvieh seine Zustimmung artikulieren sollte. "Wir sind Gauck", hatte die "Bild"-Zeitung geschrieben, mit einem kräftigen "wir aber auch" wollte der Gebührenfunk sich in der Audienzanmelderliste des neuen ersten Mannes entsprechend engagiert in Erinnerung bringen.

Nur machte das Volk wieder nicht mit. Dieselben Leute, die Wulff verlässlich aus dem Amt gevotet hatten, waren auf mdr.de nun plötzlich dafür, den früheren Pfarrer nicht mit seiner Nachfolge zu betrauen. Satte 78 Prozent der 3.801 abgegebenen Stimmen sprachen sich unerhörterweise gegen Gauck aus, nur magere 19 Prozent wollen den Gottesmann als Hausherr im Schloss sehen.

Ein Hammer. Der MDR reagierte sofort. Und schaltete die Umfrageseite ab. Nur der tote Linkname gauck106.html verrät noch, worum es hier bis gestern ging. Nun haben wieder die namenlosen Gremien der Parteien das Wort, die einer Meinug oder - wie die "Bild"-Zeile verrät - gar keine sind. Sie werden unterstützt von den Redaktionen in den angeschlossenen Funkhäusern, die von eben jenen Gremien dabei überwacht werden, wie sie eben jene Gremien überwachen. Das Ende vom Lied ist der Nachfolger von Wulff: vielleicht nicht der Kandidat der Bürger. Aber ist der Kandidat "aller Parteien" (Bild). Und das reicht ja auch.

Montag, 20. Februar 2012

Wer hat es gesagt?

"Ich war der letzte Präsident, nach mir werden nur noch von Europa dirigierte Administratoren und Finanziers kommen."

Schicksalsstunden einer Schwatzbude

Ein Volk, ein Land, eine Stimme. In der Stunde der größten Krise der Demokratie haben Menschen, Medien und Parteien in umgekehrter Reihenfolge bewiesen, dass sie in der Lage sind sind, das in der gesungenen Verfassung vorgegebene große deutsche Lebensmotto Einigkeit und Recht und Freiheit nicht nur zu leben, sondern es einstimmig zu leben.

Kein Murren und kein Knurren ist zu hören in den Stunden nach den Stunden hektischer Krisendiplomatie, in denen Kanzlerin Angela Merkel versuchte, ihre Koalition zu retten. Während die FDP versuchte, ihr Image aufzubessern. Während die SPD versuchte, zu beweisen, dass Schwarz-Gelb am Ende ist und nicht einmal mehr das Personal für einen eigenen Bundespräsidentenkandidaten hat. Während die Grünen auch keinen hatten, aber bereit waren, für jeden zu stimmen, der sie den Kabinettsplätzen etwas näher bringt. Während die Linke gern auch gefragt worden wäre, ob sie dem späteren Konsenskandidaten zustimmen werden. Während die NPD zu überrascht war, um erneut ihren gewohnten braunen Barden in die Schlacht um die Macht zu werfen.

"Ende gut, alles gut", fasste Sigmar Gabriel die 60 Stunden dauernde Schicksalsstunde Deutschlands gewohnt philosophisch zusammen. Man hat sich auf einen sogenannten Kandidaten geeinigt, der damit allerdings auch schon gewählt ist, weshalb die Wahl eigentlich einer jener Akklamationen gleich, mit denen SED und KPdSU ihre jeweiligen Führer vom begeisterten Parteivolk küren ließen. Doch die Alternative wäre, so Gregor Gysi, "Parteiengezänk" gewesen. Auch Wolfgang Bosbach von der CDU war gegen "Parteiengezänk". Und selbstverständlich schloss sich Frank Steinmeier an: "Bloß kein "Parteiengezänk!"

Hat man nämlich erst einmal Parteiengezänk, dann wird das Parlament schnell zur “Schwatzbude", wie es einer der Vorgänger des eben zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff einst nannte. Und was dann? Diskussionen. Debatten. Argumente. Meinungsstreit. Im schlimmsten Fall erscheinen Zeitungen mit divergierenden Schlagzeilen, die eine große Qualitätsredaktion greift zu dem einen Foto, die andere nimmt lieber ein anderes. Die Menschen aber sind verwirrt. Wem soll m an noch glauben, wenn es auch einer einzigen Pressekonferenz mehrere Bilder gibt? Wäre es nicht viel schöner, lebte man nicht viel ruhiger, müsste man überall nur ein Foto sehen, immer gleich geschnitten, mit immer derselben Botschaft versehen. Auch diese mediale Fürsoge hat doch das Leben in der DDR so viel einfacher und ehrlicher gemacht: Jeder wusste, alles ist gelogen.

Wer wird Wulff? Geheimoperation Nachfolger

Bundessuchtbericht: Sport ist Mord

Etwa 26 Millionen Deutsche zwischen 14 und 69 Jahren gelten als sportsüchtig oder sportgefährdet. Diese erschreckenden Zahlen machte die Bundesregierung in ihrem jährlichen Suchtbericht öffentlich. Besonders betroffen seien Jugendliche und junge Erwachsene. Fünf Prozent der 14- bis 16-jährigen Mädchen und drei Prozent der gleichaltrigen Jungen hätten die Kontrolle über ihre Aufenthalte auf Sportplätzen weitgehend verloren. Als "problematisch" wird die Sportplatz-Nutzung von 1,4 Millionen unter 24-Jährigen eingestuft. Einem Kurs mit Werbeverboten, höheren Steuern auf Sportvereinsbeiträge oder härteren Strafen für Sportschuhverkäufe an Jugendliche erteilte die Bundesdrogensuchtbeauftragte Mechthild Dyckmans (FDP) eine Absage. Sportsucht soll nach ihrem Willen aber wie zuletzt die Buchsucht und die Shoppingsucht"offiziell als Krankheit eingestuft werden".

Denn die Fakten sind erschütternd, die der Deutsche Sportbund im Rahmen einer Studie der Hohenmölsener Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie geliefert hat: Hatte der zentrale Verband der Sporttreibenden in Deutschland bei seiner Gründung 1950 noch nur 3,2 Millionen Mitglieder, stieg diese Zahl schon 1960 auf 5,2 Millionen und erreichte 1970 schon zehn Millionen. Auch die Zahl der Vereine, die sogenannten Freizeitsportlern, aber auch auf absolute Leistungen fixierten Professionellen wie Mezit Özil, Jan Ulrich und Magdalena Neuner Unterschlupf boten, stieg von 29.486 auf 39.201.

Trotz milliardenteurer volkswirtschaftlicher Schäden durch gebrochene Knochen, gerissene Sehnen und gedehnter Bänder wurde die Sportgefahr jahrzehntelang verharmlost. Weil es keine Warnungen der Behörden vor dem Sporttreiben gab, stieg die Zahl der in Vereinen organisierten Gelegenheitsläufer, -Fußballer und Tennisspieler allein bis zum jahr 2005 mehr als das Achtfache gegenüber 1950. Die Mitgliederdichte im Verhältnis zur Bevölkerung betrug 2003 bereits 33 Prozent, das heißt, jeder dritte Deutsche trieb organisiert Sport - 1950 war es noch nur jeder 14 gewesen. dabei ist die Dunkelziffer nach Angaben von Experten noch weit höher. Viele sogenannte Freizeitsportler seien nicht organisiert und in den Sportdatenbanken deshalb nicht erfasst. Auch Besucher von Fitnesscentern gingen ihrer Sucht oft ohne behördliche Aufsicht nach.

Die Folgen der Sportsucht aber sind fatal. 1,3 Millionen Sportverletzungen werden jährlich bei den Krankenkassen angezeigt. Arbeitsuasfälle und Versorgungskosten in Höhe von rund 1,6 Milliarden Euro jährlich belasten die deutsche Wirtschaft. Andere Berechnungen sprechen sogar von 17 Milliarden.

Auch wenn es sich bei diesen Zahlen nur um Hochrechnungen handelt, will die Bundesregierung ihre Präventionspolitik radikal ändern. Die Sport-Sucht bildet einen Schwerpunkt der künftigen "Strategie zur Sucht- und Drogenpolitik" der Bundesregierung, die jetzt vom Kabinett verabschiedet wurde und den alten Aktionsplan aus dem Jahr 2003 ablösen soll.

Nach Worten von Mechthild Dyckmans geht es unter dem neuen Motto "Sport ist Mord" zunächst um Aufklärung für Eltern und Jugendliche über verantwortlichen Umgang mit Sport-Angeboten. Ebenso dringlich sei es, Sportabhängigkeit als Suchterkrankung anzuerkennen, denn nur dann finanziere die gesetzliche Krankenversicherung die Therapie der Betroffenen. Für den Herbst kündigte die Drogenbeauftragte eine Tagung zum Thema Sport-Abhängigkeit an. Als weiteren Schwerpunkt der neuen Drogenpolitik nannte Dyckmans die Behandlung betagter Suchtkranker. Aufgrund besserer medizinischer Versorgung würden exzessiv Sporttreibende mittlerweile immer älter. Medizinische Einrichtungen, Pflegedienste und Heime stellt dies vor ganz neue Herausforderungen, etwa bei Bewegungsangeboten im Altenheim.

Archiv: Wenn Dummheit wehtun tut

Sonntag, 19. Februar 2012

Ehrensold in Undankbarkeit


Die Jahreszeiten wiederholen sich. Der ADAC-Tunneltest wiederholt sich. Die "Blume des Jahres" kehrt in neuer Gestalt ebenso wieder wie der "Käfer des Jahres", die "mächtigste Frau der Welt" und der erolgreichste Bambi-Film bei der Berlinale, der völlig überraschend zwölf Grammys gewonnen hat, was ihn zum Favoriten für die Europameisterschaft im Sommer macht. Geschichte wiederholt sich. Akkorde wiederholen sich. E-Moll, A-Moll und D mit einer Lücke mittendrin, aus der die Menschen winken, die uns fehlen werden.

Christian Wulff zum Beispiel, der erste aller Bundespräsidenten, die das Staatstheater nicht als leere Worthülse aus der Bundesworthülsenfabrik, sondern als bundesweites Unterhaltungsangebotfür alle Bürger begriff. Als Unterhaltungskünstler war Wulff allen seinen Vorgängern weit überlegen. Wo die allenfalls aller paar Jahre mal eine Ruck-Rede hielten und im Alltag kaum im Amt wahrnehmbar waren, setzte sich Christian Wulff als Dauerbrenner fest in den Herzen und Hirnen der Deutschen. Wulff amüsierte, Wulff integrierte, ja, Wulff parodierte in seinen letzten, seinen besten Tagen sogar das ganze steife, längst apolitische gewordene Politkabarett, das die Berliner Bühne füllt wie öliger Schleim eine Wanne, in der Fische ausgenommen werden.

Seit Wulff seine Demission erklärt hat, ist das vorher so kalte Deutschland kuschelig warm geworden. Soziale Kälte? Erderwärmung! 25 Grad plus in einer Woche. Das Land ein Platz to be, an dem sich leben lässt.

Sein Ehrensold aber wird in Undankbarkeit ausgezahlt. Spät erst, viel später, wenn der magere Knochen der Nachfolgediskussion abgenagt ist, wird das Volk begreifen, was ihm mit dem Abgang des schillernden schnäppchenjägers aus Großburgwedel verloren gegangen ist. Die Soldaten schleichen heimwärts, das Land liegt still, wir trinken den letzten Wein auf die Vergänglichkeit. Das alles, weiß der Dichter, der als Justin Sullivan singend durch die Welt zieht, ist nur der Anfang.

Der Anfang vom Ende.


Across the land the air is still
The leaves are falling golden one by one
Like the paper money falls
Or the soldiers stealing homeward
There is only beginning
And there is beginning of the end
All the peoples are moving
Like the waters of a great flood

And everything is beautiful
Because everything is dying

So we went down to the beach
And built a fire to remember
We took the last bottle of wine
And drank a toast to mortality
And we scrawled across the cold wet sand
With our bare feet ‘We Told You So'
And watched the waves steal it away
I caught you smile and I heard you say

Everything is beautiful
Because everything is dying

So who wants to live forever
When these moments will only come the once?
Staring into the embers of the fire...

And everything is beautiful
Only because everything is dying

Wer wird Wulff: Operation Nachfolge

Es ging dann doch schneller als politische Beobachter in Berlin geglaubt hatten. Unter dem Druck, in spätestens 30 Tagen einen Nachfolger für den zurückgetretenen Christian Wulff zu wählen, mit dem alle Parteifunktionäre aller Parteien in Deutschland leben können, haben die Spitzen von Schwarz-Gelb nach Informationen aus Koalitionskreisen bereits in der Nacht zum Sonntag an einer Nachfolgelösung für den zurückgetretenen Bundespräsidenten gearbeitet.

Nachdem am Nachmittag ein Vorbereitungstreffen von Angela Merkel, FDP-Chef Rösler und dem amtierenden Bundestagspräsidentenvertreter Horst Seehofer ein Anforderungsprofil erarbeitet hatte, ging es in der Nacht im Kanzleramt an die Feinarbeit. Für die "Operation Nachfolge" war zuvor mit mehreren Maschinen der Bundesflugbereitschaft ein Spezialistenteam aus Schweden und den USA eingeflogen worden. Nach der "Sportschau" operierte ein Team aus Merkel, Rösler und Seehofer dann, stundenweise assistiert von Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin, Cem Özdemir und Gregor Gysi, der allerdings nur zugelassen war, um drei Liter Arbeiterblut für die Operationsphase zu spenden.

"Es ging darum, aus dem vorhandenen Material ein wirklich überzeugendes Angebot an die Parteien zu machen, mit dem auch das Volk leben kann", hieß es im Erich-Ollenhauer-Haus, in dem Sympathisanten die OP in einer Live-Übertragung aus dem Kanzleramt verfolgten. Es war eine Premiere, nicht nur für Deutschland, denn es ging darum, die moralische Integrität von Bischöfin Margot Käßmann mit der väterlich-strengen Kinnpartie von Wolfgang Schäuble zusammenzunähen. Mit dem Hinterhaupt von Gerhard Baum, der auf Betreiben der Liberalen noch am Nachmittag überraschend in den Kandidatenkreis aufgenommen worden war, wurde weiterhin das präsidiale Auftreten von Franz Beckenbauer durch Transplantation von dessen Stirn- und Augenpartie auf den künftigen Kandidaten transplantiert. Auf Wunsch der CDU stellte die beliebte Familienministerin Ursula von der Leyen ihre populäre Flugfrisur für die Geheimoperation zur Verfügung, Bundestagspräsident Norbert Lammert spendete seine einmaligen Fähigkeiten als Moderator und Vermittler. Von Altkanzler Helmut Schmidt wurden die Raucherhände verwendet, die der Gestalt des neuen Mannes an der Staatsspitze nach Aussage von Präsidentenplanern eine "Prise altväterlicher Strenge, gemischt mit sozialdemokratischem Konservatismus" verleihen sollen.

Niemand habe sich der großen nationalen Aufgabe verweigert, hieß es aus dem OP-Team. So gelang es, auch den umweltpolitischen Ruf des früheren Bauministers Klaus Töpfer auf den Konsenskandidaten zu transplantieren. Dazu hätten die Spezialisten unter persönlicher Leitung von Angela Merkel (Foto oben im OP_Saal) Töpfers prägnante Wangenwarze auf die Jochbeinpartie von Margot Käßmann genäht - eine Operation, die so zuvor noch nie versucht worden war. Um die Volksnähe des neuen Mannes, der nach Informationen aus Anästhesistenkreisen zumindest in der Unterleibspartie auch eine Frau sein wird, noch direkter auszuarbeiten, seien im Morgengrauen dann wie geplant große Teile der Nasenpartie des zuletzt bei der Präsidentenwahl gescheiterten Pfarrers Joachim Gauck mit einem neuartigen Knochenkleber auf die noch offene politische Mitte geklebt worden. Auch diese OP-Phase, die aufgrund der vielen Nervenenden, die neu verkoppelt werden mussten, bei Experten als besonders diffizil gilt, sei "hervorragend" verlaufen. Der präsidiale Patient sei verbunden und ruhiggestellt worden. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut.

Eine Woche lang soll der Konsenskandidat jetzt noch geschont werden, um der Öffentlichkeit Gelegenheit zu ausgiebigen Spekulationen um den neuen Mann oder die neue Frau zu geben. Es folge eine Rekonvaleszenz, während der auch eventuell notwendige Begradigungen am neuen Gesicht und erste Laufübungen ohne Rückgrat absolviert werden sollen. Am übernächsten Wochenende würden dann die Verbände abgenommen, bereits am Samstag darauf werde sich Klaus-Franz Ursula Lammert-Käßmann dann bei Markus Lanz´ erster "Wetten, dass..."-Sendung unter dem Motto "Wir werden Präsident" dem Volk vorstellen. Bis dahin werde auch seine politische Agenda erarbeitet und zwischen Spitzen der Parteien des demokratischen Blocks abgestimmt sein.

Samstag, 18. Februar 2012

Wulff-Nachfolge: Konsens im Chor

Wäre es damals der Tatortkommissar Ehrlicher geworden, Deutschland hätte heute noch einen Bundespräsidenten. Statt wie Köhler zu gehen, wäre Sodann geblieben und es wäre nie zu Wulff gekommen. Zu spät für Reue, aber nicht früh genug, einen Nachfolger zu suchen, der alles mitbringt, was Christian Wulff sich erst von Freunden borgen musste. Wichtig ist, sagt Frank Steinmeier, der sich sich selbst auch gut als Bundespräsidenten vorstellen könnte, dass der neue Mann auch ein Frau sein könne, Hauptsache, sie erfreue sich der Zustimmung einer breiten Mehrheit der Bevölkerung. Für einen parteienübergreifenden Kandidaten, der möglichst als einziger Anwärter für das höchste Amt im Staate antritt, ist auch der große sozialdemokratische Bruder CDU. Kanzlerin Angela Merkel, die inzwischen alles selber machen muss, suche „einen Konsens-Kandidaten“ berichtet die "Welt". Einen, mit dem auch Cem Özdemir leben kann, der „so schnell wie möglich ein parteiübergreifender Kandidat oder eine Kandidatin vorgeschlagen“ haben will. Das könne auch Frau Käßmann sein,.

„‎Brüder, in eins nun die Hände, Brüder, die Scherben verlacht“, singt ein großer Chor aus Konsensdemokraten, zu dem sich auch der Linke Gregor Gysi gesellt. Diesmal solle „kein Parteiengezänk“ stattfinden, sondern „der Versuch unternommen werden, dass sich alle Parteien und Fraktionen im Deutschen Bundestag auf eine gemeinsame Kandidatin bzw. einen gemeinsamen Kandidaten verständigen“, sagt der in der sicheren Gewissheit, dass ein "Konsensdemokrat" parteipolitisch den Machtverlust von Angela Merkel symbolisieren würde. Dann könne auch wieder wie damals in der DDR im Block über den Betreffenden, der selbstverständlich auch eine Betreffende sein könne, abgestimmt werden.

Die Geschichte zeige in der Tat deutlich, dass wirkliche Demokratie sich nicht verwirklichen lasse, wenn jeder mitschwafelte, sagt der Prozesspolitologe Erwin Schauf vom Wulfenbütteler Institut für Institutionenforschung (IFI). Die Geschichte habe gezeigt, dass Regierungssysteme, in denen Verantwortliche wie in der ehemaligen DDR, in Kuba oder Nordkorea nicht durch Wahlen, sondern durch Hinterzimmerabsprachen zwischen informell Mächtigen bestimmt werden, personalpolitisch vergleichsweise ungleich stabiler sind. „Während sich hierzulande kaum ein Spitzenpolitiker mehr als ein Vierteljahrhundert an der Machtausübung beteiligen kann“, rechnet der Experte vor, „sind in Systemen, die auf Absprache statt auf Abstimmung setzen, 25 Jahre das Minimum, das einem Spitzenmann zur Verfügung steht.“

Schauf nennt solche Systeme „andersdemokratisch“, sieht Deutschland aber auf einem guten Weg dorthin. Wulff, der wie schon sein Vorgänger in einem „kleinen Konsens“ der Regierungsparteien ernannt und so schließlich auch abgenickt worden sei, habe hier „Türen des tieferen Verständnisses“ geöffnet. Breite Kreise in den Parteien seien einig darüber, dass eine dritte Präsidentenpleite hintereinander verhängnisvoll wäre. „Also wird man sich zusammenraufen und ein Person küren, gegen die niemand etwas haben kann.“ Dabei könne es sich auch um Margot Käßmann handeln, die im Volk ein hohes Ansehen genieße. Sie könne das Vertrauen der Bevölkerung in das Amt, das Wulff beschädigt hinterlassen habe, wiederherstellen, wenn es den Parteien gelinge, sich schnell auf eine gemeinsame Wahlplattform zu einigen. Mit „Wählt die Kandidatin der Nationalen Front“ stehe für den Akt Mitte März ein historisch bewährter Wahlslogan zur Verfügung.

Leser wählen: Auf dem Bundespräsidentenkarussell