Samstag, 31. Dezember 2022

2022: Die Letzten machen das Licht aus


Es war schließlich eine Zeitenwende, wie sie niemand vorhersehen konnte. "Klebebilder", für frühere Generationen etwas, das sich aus Schokoladentafeln oder Kaugummipackungen nehmen und in Sammelordner streicheln ließ, veränderten sich in einem Maße, als habe der Papst verkündet, Buddhist werden zu wollen. Klebebilder, das waren nun Aufnahmen von jungen oder sich für jung haltenden Menschen in Warnwesten aus Qualherstellung in Bangladesh, die sich mit Hilfe von hochkomplexen chemischen Verbindungen auf Erdölbasis auf Straßen klebten, um das Klima durch den sofortigen Erlass eines Gesetzes zum "Essenretten" zu retten. Über sich reden wollten sie auch noch lassen, was die Einführung eines Billigfahrscheines für die Bahn anbelangt, die nie kommt und wenn, dann zu spät.

Das Jahr, in dem die Satire die Wirklichkeit überholte, es liegt schon länger zurück. Es wurde seitdem immer düsterer ringsum, die Straßen leerten sich, die Taliban des einen Denkens, das allein richtig sei, erlangten die Deutungshoheit über alles und nahezu jeden. Sie konnten erzählen, was sie wollten, es konnte Unsinn sein oder gänzlich verrückt, in Erwartung eines kommenden Erlösers hing die Mediennation an ihren Lippen. Wer erinnert sich nicht noch gern Martin Schulz, den die Rolle zuerst zugedacht war? Ein Männlein, dem in Sachsen die Bezeichnung "Wicht" hinterhergeflüstert wurde.   Schulz war die Probe aufs Exempel: Lässt sich behauptete Wirklichkeit von der Realität lösen? Und wenn ja, wie weit?

Es geht, und es geht sehr, sehr gut. Mit dem Start der Corona-Jahre blieb vieles zurück, was bis dahin als zivilisatorische Errungenschaft galt. Dafür hielten Schwarz und Weiß Einzug, Glaube und Verdammung. Jeder musste Team dies oder Team das sein und wer nicht hört, muss fühlen. Dass konservative Kräfte, Hetzer, Hasser und Zweifler sich nach dem "Gestern als gelobtem Land" (PPQ) sehnen würden, war aus den Festsälen der Demokratie zu sehen. Es würde nicht einfach werden, den aufgehobenen Ausnahmezustand zu verlängern, wenn alles vorüber ist, selbst hier nicht, in einem Land, das tut, was man ihm sagt.

Dann aber kam der Krieg und das Erschrecken und die Verkündung der Zeitenwende, der engen Gürtel, des Zusammenstehens und der Rettungsversprechen. 2022, das Jahr, dem wenig zugetraut worden war, weil es nichts weiter hätte sein sollen als die Weiche zwischen Pandemienotstand und Klimarettungsregime, entpuppte sich als veritable Überraschung. Die Roten riefen zu den Waffen, die Grünen machten in Braunkohle, die Gelben griffen in die Kassen, als sei da noch etwas herauszuholen. Man bekämpfte die Inflation, die es eben noch gar nicht gegeben hatte, durch Geldausgeben und Preistreiberei. Man freute sich über die höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten, aber ganz still. Man kaufte Panzer, Flugzeuge, LNG-Terminals und arabische Scheichs ein und beschwor das Durchhalten auch bei bitterer Kälte.

Alles wird gut, denn schlimmer kann es nicht werden. Trotzdem zeigt der Rückblick auf die letzten zwölf Monate eine imponierende Systematik inmitten dessen, was im Alltag als Kakophonie aus Größenwahn, Anmaßung, Selbsthass und religiöser Verblendung wahrgenommen wird. Ist das nicht typisch deutsch, so ist es doch hier in seiner reinsten Form zu beobachten. 

JANUAR: Es ist der letzte Monat, in dem die Bedrohung von Demokratie und nationaler Sicherheit noch von innen kommt. Unmittelbar nach den neuen, erneut sehr klugen Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz, die wie in alten Merkel-Zeiten als Notstandsparlament und Überregierung funktioniert, finden sie statt, die illegal aus DDR-Zeiten herüberkopierten Montagsdemos, bei denen Nazis und Kleinbürger, Querdenker und Impfgängster, Väter, Mütter und als Schutzschild mitgeführte Kleinkinder auf den Straßen und Plätzen des Landes für ihre angeblich so kostbaren und angeblich so bedrohten "Grundrechte" demonstrieren. Um über ihre wahren Absichten hinwegzutäuschen,  verhalten sie sich friedlich, doch die Zeiten der Nachsicht sind vorüber. Jeder dürfe alles sagen, aber dazu müsse er sich nicht gleichzeitig an verschiedenen Orten versammeln, verkündet die Innenministerin. Das geht auch daheim, das geht auch, ohne dass man seine Ansichten an die groß0e Glocke hängt.

Der Kanzler stellt eine neue Impfkampagne vor, die mit Plakaten gegen die Pandemie anspritzen soll. Für alles, was bis dahin nicht gut gelaufen ist, findet der "Spiegel" eine Entschuldigung organischer Natur. Scholzens früherer Konkurrent Armin Laschet findet eine Anschlussverwendung als einer von 20 Vizestellvertretern im Europarat. Am Vorabend des Krieges muss sich Nation wenigstens um den beliebten Rheinländer keine Sorgen mehr machen, ebenso von der Warteliste sind Yasmin Fahimi und Andrea Nahles, Karl Lauterbach regiert sein Reich der Fantasien, Katrin Göring-Eckhardt sucht einen Parlamentspoeten, das Bundesimpfziel wird weit verfehlt, aber erreicht. Das fängt alles sehr gut an.

FEBRUAR: Auf einmal ist er da, der "erste Krieg in Europa seit", wie es die EU gern nennt, die bei ihrer Zählung immer darauf bedacht ist, alle anderen Kriege in Europa seit außen vorzulassen. Die "Fortschrittskoalition", die sich eigentlich hatte über vier Jahre hinweg ausgiebig dem Umbau des Landes und der Umerziehung seiner Bürger hatte widmen wollen, ist auf einmal zum Regieren gezwungen. Schlafen gegangen in der Illusion, seine Träume von Energieausstieg, Klimarettung und Kulturrevolution verwirklichen  zu können, erwacht man in einer Realität, von der im Wahlkampf nie die Rede gewesen war. Der Schock ist an den ersten Reaktionen abzulesen: Strategie- und konzeptlos werden Schieber zugeschoben, Regler heruntergedreht und Vorhersagen wie die gemacht, dass Russland schon in Kürze pleite sein und seine Angriffe einstellen müsse. Die Leichtmatrosen auf der Brücke rufen "die härtesten Sanktionen aller Zeiten" (Scholz) aus, die in den folgenden Monaten noch sieben oder zwölfmal verschärft werden werden. 

Die "Letzte Generation" hat am Tag des Kriegsausbruchs ihren ersten richtig großen Auftritt, als ein Häuflein ihrer Mitglieder in Berlin ein Haus mit Essen bewirft. Die Linksjugend fordert, sich Russland sofort zu ergeben, der Finanzminister beginnt mit dem Versprechen, bald erste Entlastungsversprechen prüfen zu wollen. Am 24. Februar endet in Deutschland offiziell die Corona-Pandemie: Zum ersten Mal seit März 2020 berichtet die amtliche "Tagesschau" nicht über Inzidenzzahlen, Impferfolge und Sterbestatistiken. In den folgenden Wochen bleibt es dabei. Es ist wirklich vorbei.

MÄRZ: "Mehr Fortschritt" hatten sie "wagen" (Willy Brandt) wollen, für "Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit", die neuen Leute auf den Regierungsbänken. Aber wusch, schon mitten in den Flitterwochen kam die Wirklichkeit zu Besuch: Der Krieg, dieser brutale Erzieher, verwandelte  die Schicksalsfragen von eben über Nacht in Marginalien. Klimarettung, Impfpflicht,  Chancengerechtigkeit, Gendersprache, alles, was die Nation "gespalten" (Der Spiegel) hatte, es erschien mit einem Male  belanglos zu sein. Wochen, wenn nicht sogar Monate wird es dauern, bis die Mediengesellschaft aus diesem Loch heraus und zurück zu alter Form findet. Im März aber ist alles möglich: Flugzeuge kaufen, die Artenvielfalt europaweit pausieren lassen, Appelle an den nationalen Durchhaltewillen und statt des Kniefalls von Warschau der Hofknicks von Doha, wo der grüne Klimaminister um fossiles Erdgas betteln muss.

Nicht alle Tabus fallen. Selbst Erdgas zu fördern, das kommt weiterhin nicht infrage. Auch der Klimakampf muss weitergehen bis zum Endsieg über die Temperaturen. Dafür wird das "Z" verboten, irgendetwas muss man ja machen, wenn man schon keine "Schwerewaffen" (Baerbock) liefern kann. 5.000 Helme tun es auch und im Windschatten des  Streit darüber, ob das wirklich reichen wird, schraubt die EU an Chatkontrolle, Aufhebung der Privatsphäre und Übergabe der Gesamtverantwortung nach Übersee.

APRIL: Es ist ein ganz starkes Zeichen gegen den Krieg, gegen Putin, verweigerte Schwerewaffenlieferugen und die Uneinigkeit des Westens bei der Sicherung von gemeinsamen Einkaufskontingenten an Freiheitsgas in der arabischen Welt, als Bundesinnenministerin Nancy Faeser 72 nach dem Erlass der „Anordnung über die deutschen Flaggen“ (FlaggAO) Erlaubnis erteilt, künftig neben der Bundesdienstflagge und der Europaflagge auch die sogenannte Regenbogenflagge an Verwaltungsgebäuden zu hissen. Die Welt schaut für einen Moment auf dieses Land, diese Stadt, diesen Mut, diese stolze Armee. Deutschland schickt Geparden an die Ostfront, leichte Schwerewaffen und gegendert. Deutschland diskutiert engagiert den sofortigen Ausstieg aus russischem Öl, russischem Gas und russischem Diesel. Die Letzte Generation dreht Pipelineventile zu, sympathisch. Stillstand? Können wir. Die Preise steigen, die Staatsbank gewinnt. Patrick Lindner, der Finanzminister, tritt nur noch mit fiebrig glänzenden Augen auf. Der Euro sackt stabil nach unten weg, der BFC Bayern wird wie immer Meister. Aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) kommen neue Vokabeln wie "Ringtausch".

Auf den billigen Plätzen stirbt die zur "Linkspartei" umbenannte SED einen stillen, unbeachteten Tod, weil die lange Zeit für vernünftig gehaltene Entspannungspolitik sich als fataler Irrweg herausgestellt hat. Anführer müssen jetzt auch Krieger sein, Krieger wie Olaf Scholz und Ursula von der Leyen und Christine Lambrecht, schmutzig, aber entschlossen, ungeduscht, aber siegesgewiss.

MAI: Zeitenwende. Gerade noch hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm versprochen, die Brücke vom fossilen ins runderneuerbare Zeitalter aus Gas bauen zu wollen. Nun aber wird schon weitergedacht, denn wenn nicht jetzt, wo alle woandershin schauen, wann denn dann? Den Rückbau der Gasnetze jetzt anzugehen, schlägt Klimawirtschaftsstaatssekretär Patrick Graichen den Netzbetreibern vor - ungleich weniger beachtet als die Pipelineanschläge der Letzten Generation. Doch es wird warm in Deutschland, der erste Kriegssommer verspricht noch einmal schön zu werden. Der Kanzler fliegt nach N*ger, in ein Land, dessen Name in Deutschland nicht ausgesprochen werden darf. Wieso dorthin und nicht nach Peking, nach Washington, Mexiko oder Schweden, niemand weiß es, vermutlich werden Benin-Bronzen übergeben oder es wird den knapp 200 deutsche Soldat*innen, die das bitterarme Land, viermal so groß wie Deutschland, im Rahmen der "Mission Gazelle" seit 2018 gegen den Terror der IS schützen, auf die Schultern geklopft.

Erfolgreich. Der Mai bringt diesmal kein Bilderberg-Treffen, es ist wohl alles gesagt, durchgeplant und abgesprochen. Nicht mehr geredet wird auch über das "Klimageld", das die Fortschrittskoalition versprochen hatte, dafür werden die Zügel bei der Meinungsfreiheit angezogen. Um die Trümmertruppe Bundeswehr fit zu machen für die Landesverteidigung weit über N*ger und Mali hinaus, denkt sich Olaf Scholz abends daheim ein Sondervermögen aus. Es wird nicht das letzte bleiben, denn bis hin zum Mieter*innengehalt, das je nach Zahlungsaufgabe ausfällt, haben sie noch viel vor in Berlin.

JUNI: Beim G7-Gipfel sind die Herrenmenschen unter sich. Keine Frau mehr, nirgendwo. Merkel ist im Ruhestand, Ursula von der Leyen darf wieder nur auf einem Sofa Platz nehmen, das diesmal sogar im Vorzimmer steht. Es gibt hier schon keine Masken mehr, keinen Abstand, dafür jede Menge einreihiger Anzüge und nur ein Thema: Wie bezwingt man den Russen. Die Welt, sie dreht sich zurück, sie wird, wie sie James Brown in seinem gleichnamigen Hit von 1966 beschrieben hat, zu einer "Man's World", einem Ort der Eingeschlechtlichkeit, der keine Diversität und keine Vielfalt kennt, nur einen Feind. Deutschland bekämpft ihn mit seinen eigenen Waffen: Es ist das Jahr der Signale, der Symbole und Zeichen, nichts bedeutet oder bewirkt etwas, aber es füllt Spalten und TV-Talkshows. Mehr kann niemand wollen, dem es vor allem darauf ankommt, dass nicht über das gesprochen wird, was von Bedeutung wäre.

Olaf Scholz ist jetzt schon die bessere Merkel, weil er noch weniger spricht. Und die Ampel ist eine viel hübschere große Koalition, weil sie ganz und gar symbolisch wirkt und sich zu allen doch noch notwendigen Entscheidungen von der normativen Kraft des Faktischen tragen lässt. Dann eben kein Braunkohleausstieg, der aber doch weitergilt, nur späterwann. Dafür noch einen Moment lang raus dem Atom zum Jahresende wegen Fukushima.  Auch das wird noch kippen, aber so langsam wie ein Berg, der eines morgens woanders liegt. Bis dahin wird gerettet, dass es kracht, und wer noch nicht gerettet ist, der bekommt bald ein Neun-Euro-Ticket. Geht doch.

JULI: Olaf Scholz selbst gelingt eine Pioniertat. Zum Endspiel einer WM der "Frauenfußballerinnen" (ZDF) "fährt" (Kanzleramt) der Kanzler nach London, über Nacht. Die Einzelheiten bleiben geheim, doch die "Reise" (Kanzleramt) ähnelt vom Ablauf her der des Phileas Fogg: Kaum ist der Kanzler fort, ist er schon wieder zurück, obwohl in der Zwischenzeit gar keine Züge nach London gefahren sind. ÖPNV kann so viel! Die ersten machen schon das Licht, weil es noch lange hell ist, die EU zahlt ihren Mitarbeitern einen vollen Inflationsausgleich, der Kanzler empfiehlt für die Heimatfront allerdings eher einen "Pakt", zum gemeinsamen Verzicht. Es geht doch, wenn man nur will wie verschiedene  Ministerpräsidenten im Selbstversuch beweisen: Wer zwei Minuten duscht statt elf, der spart 80 Prozent Energie, wer eine Minute duscht statt 100, der spart sogar 99 Prozent. Um den stählernen Sparwillen der Massen zu stärken, beschließt der Klimaminister Zimmerdurchgänge in allen Haushalten, bei denen Fachexperten der Gasinnung die Heizkörper amtliche entlüften werden. Zudem wird eine Gaspreisentlastungsumlage verkündet. Damit die Preise nicht weiter steigen, sollen sie erhöht werden, damit mit den Mehreinnahmen preissenkende Maßnahmen finanziert werden können.

Stößchen, heißt es derweil an der Ostfront Ostflanke, überhaupt ist alles wieder nicht so schlimm gekommen wie man dachte. Die Krise als Chance betrachtend, sieht Olaf Scholz nun die Möglichkeit, ohne "rote Linien" zu regieren. Watt mutt, dat mutt, und dann wird es auch gemacht, jedenfalls wenn die EU nach Monaten der sorgfältigen Prüfung zugestimmt hat, dass Deutschland die Reste seiner staatlichen Souveränität nicht schon wieder übel missbraucht. Deutschland schützt sich und das Klima, nicht nur hierzulande, am Brennpunkt der Heißzeit. Deutschland entfaltet Rettungsschirme und es hat Wissenschaftler, die angesichts der Milliarden, die wie von Zauberhand aus den Geldbörsen der Bürger verschwinden, tröstende Worte finden: Das Geld ist nicht weg, es hat jetzt nur ein anderer.

AUGUST: Ein letzter Tanz auf dem Vulkan, auf schmelzenden Gletschern und austrocknenden Flüssen. Die Letzte Generation beginnt mit flächendeckendem Stauterror, die ersten Preise für Premiumwaren sinken bereits wieder. Der Krieg, er rückt in den Hintergrund wie alle anderen Kriege es vor ihm schon taten. Es gibt keinerlei Frontberichterstattung, keine Bilder von Gefechten, keine großen Bewegungsschlachten wie 80 Jahre zuvor. Warum also noch dorthin schauen? Lieber spricht Deutschland über Winnetou und der Kanzlernde richtet seinen Blick in einer ferne Zukunft, wenn die ganze Welt EU-Mitglied geworden ist. Der Euro erreicht parallel den niedrigsten Tauschwert seiner kurzen Geschichte, die emsig umherfliegenden Klimaschützer aber ruhen in sich. Wo sie sich unbeobachtet fühlen, um geben nur von Vertrauten, Freunden und gleichgesinnten Journalisten, lassen sie die Masken fallen, nicht einmal im Glauben, sie seien etwas Besseres, sondern in der festen Gewissheit.

Für den Pöbel ist die Gefolgschaft gemacht, er hat zu spuren. Mit Blick auf den Winter werden die Regeln neu geschrieben. Es wird wegreformiert, was Generationen von Arbeitern und Angestellten seit Bismarck erkämpft hatten. Einen Federstrich, mehr braucht es nicht, weil immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass vieles bisher sicher nicht falsch war, denn es war richtig. Allerdings ist nun das Gegenteil noch richtiger. Wer meckert, ist "bescheuert" (Der Spiegel), wer jammert oder sich beklagt, hat einfach noch nicht verstanden.

SEPTEMBER: Langsam, ganz langsam entwickeln die Sanktionen "maximale Wirkung" (Ursula von der Leyen) . Bang richtet sich der Blick auf den Winter, der "Blackout" wird beschworen, ein Trommelfeuer aus Sparappellen geht nieder. Es kommen Zweifel auf, ob der Energieausstieg wirklich eine gute Idee gewesen ist und wer für das alles verantwortlich gewesen sein wird. Die Putinflation steigt auf stabil 10 Prozent, die EZB, die, so lange sie existiert, viele Inflationsziele hatte, aber so wenige davon erreicht hat dass verglichen damit selbst deutsche Klimaziele punktgenau getroffen wurden, dreht an der "Zinsschraube" (DPA), kauft aber parallel weiterhin bei ihren Eigentümern ein, um die flüssig zu halten. Es sind die letzten Tage der deutschen Menschheit angebrochen, heißt es auf den Straßen, die von der Letzten Generation klebenderweise blockiert werden. Fußbodenpumpe, Wärmeheizung und Elektromobilität geraten durch die hohen Strompreise in Gefahr, nach dem Auslaufen von Spritrabatt und Neun-Euro-Ticket wird gerade auch niemand gerettet. 

Wenigstens werden die Prepper rehabilitiert, die das alles schon immer gewusst haben wollen. Ihre unsolidarische Vorratswirtschaft ist nun Staatspolitik, jeder soll, jeder muss an sich selbst denken, auch wenn der Fall der Fälle so unwahrscheinlich ist wieder Ausbruch eines Krieges mitten in Europa es in den Jahren war, in denen die EU - nach Abzug aller kriegerischen Auseinandersetzungen, in die verwickelt war und ist - Jahrzehnte des Friedens garantiert hatte. In Afrika, wo alle Fluchtursachen insoweit beseitigt sind, dass keine Rede mehr von ihnen sein muss, wächst die Hoffnung: Die ARD berichtet von einem Erfinder, der einen energieerzeugenden Strahlenfernseher entwickelt hat. Deutscher Erfindergeist setzt auf das Kirschkernkissen als Großspeicher für die kalte Jahreszeit, eine bekannte Technologie, die wie die kleinen elektrischen Speicher nur noch großtechnisch ausgerollt werden muss.

OKTOBER: Trotz Zeitenwende - die versprochene Einheitszeit für ganz EU-Europa kommt wieder nicht. Zuwenig Kraft hat die Gemeinschaft, zu viele Quertreiber und Egoisten sind unter ihrem Dach versammelt. Einigen kann man sich auf Völkermord und neue, ehrgeizige Ausstiegspläne. Diesmal ist der Verbrenner dran, so haben es die "EU-Entscheider" (DPA) beschlossen und so wird es gemacht. Kommando zurück dagegen beim Atomausstieg, jenem deutschen Sonderweg zur Klimarettung. Aus Angst vor dem Blackout kommt es zum Verlängerungsbeschluss: Ein paar dürfen weiterlaufen, im Restbetrieb. Das modernste aber geht zum Jahresende vom Netz, wenn das Wetter mitspielt, wird das dicke reichen, wenn nicht, gibt es Notfallpläne, die europaweit volle Gasspeicher und Notstromaggregate für Gemeinschaftseinrichtungen, Wärmestuben und Daunenhosen für Frauen und Kjnder vorsehen.

Die Mühen des Heute halten die Visionäre in Berlin und Brüssel nicht ab, zwischen zwei Rettungspaketversprechen schon mal eine "moderne Ukraine" zu planen. Die Letzte Generation geht nun gezielt gegen die Hinterlassenschaften früherer Generationen vor: Alte Bilder und Kunstkitschkrempeldinge aus vergangenen Zeiten werden mit Lebensmitteln attackiert, zum Wohlgefallen der Medien, denn endlich ist wieder was los, wo doch mit Lauterbachs Corona-Warnungen kein Klick mehr zu generieren ist. Das "Lagerfeuer der Vernünftigen", es brennt auf kleiner Flamme, einer jener Teelichtöfen, die später im Jahr auch bei Friedrich Merz später ein heimeliges Licht spenden werden. 

NOVEMBER: Es wird dunkel im Land, aber neue Abenteuer warten. Wie wird der Winter werden,m ungeduscht und mit hydraulisch geprüften Heizungen? Wird sich ein neues Staatsbürgerschaftsrecht einführen lassen, ohne dass es wieder so viel Geschrei gibt? Der heiße Herbst, er ist vorüber, ehe er begonnen hat. Stattdessen startet die WM und Deutschland muss sich um Katar kümmern, ein Land, dem es noch an vielem mangelt, was hierzulande selbstverständlich ist. Der mit großen Hoffnungen gestartete Feindflug der deutschen Nationalvertretung an den Persischen Golf endet mit einer in allen deutschen Medien global beachteten Schweigegeste, die "One Love"-Binde, die die Innenministerin bei einem Frontbesuch mutig auf der Tribüne trägt, bekommt später im Museum für Deutsche Geschichte einen Ehrenplatz. Es ist schon wieder G7-Gipfel, direkt nach dem großen Klimagipfel in Ägypten, der auf den Berg der bisher beschlossenen 7.686 Klimabeschlüsse  zwei funkelnagelneue stapelt. Aufmerksam schauen die Führer der freien Welt auf einen Mann, der entscheiden muss, wie es weitergehen scholz.

Wie gehabt. Solidarisch frieren nicht mehr nur die Armen und die Armutsgefährdeten des früheren Mittelstandes, solidarisch frieren nun auch die Chefetagen. Die Bürgerinnen und Bürger nehmen es stoisch zur Kenntnis, aus Long Covid  ist eine neue Krankheit geworden, die von der Wissenschaft den Ehrennamen "Apathistis" verliehen bekommt.

DEZEMBER: Es wird kalt, aber ohne jeden Grund. Es besteht jedoch kein Grund zur Besorgnis, denn in diesem Monat ist alles frei, der Staat zahlt Strom und Gas und bald auch Bürgergeld. Weitergehende Pläne sehen vor, dass auch gesundes Essen geliefert wird, einer ZDF-Umfrage zufolge würden das alle lieben. Die Sparbefehle werden nicht überall getreulich umgesetzt, doch angesichts der vollen Speicher ist das eine lässliche Sünde. Wer sich so viele Verdienst um den Schutz des Gemeinwesens vor Hetze, Hass und Zweifel verdient hat wie die vielen, vielen Gemeinsinnsender, den schützt der kollektive mediale Wille zuverlässig vor allen Versuchen, ihn  verfassungsschutzrelevant delegitimieren zu wollen. 

Für die EU endet das Jahr mit einem weiteren Triumph: Nach Monaten frucht- und ergebnisloser Verhandlungen schafft es die Gemeinschaft, sich auf eine Gaspreisbremse mit atmendem Deckel zu einigen, der ab dem 15. Februar bei einem Preis von 180 Euro pro Megawattstunde auf den Topf gedrückt wird. Die Zustimmung des EU-Parlamentes gilt wie immer als "Formsache" (DPA). Deutschland flankiert den Einstieg in die neue Ära mit der Einführung einer einfacheren und niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeit für Denunziant*innen, zugleich wird die einrichtungsbezogene Impfpflicht auslaufen und das Thema Arbeitsbedingungen in Katar für immer begraben. Die letzte Generation macht das Licht aus, das Wetter spielt bisher mit. Ab morgen geht es weiter, auf zu Ufern, um den wegschwimmenden Fellen in Ruhe zuschauen zu können.

7 Kommentare:

  1. Geschätztes Team*) von PPQ,

    angesichts Ihrer umfassenden, treffsicheren, nichts vergessenden und nichts ungewollt beschönigenden oder verharmlosenden Jahreszusammenstellung lüpfe ich meinen Homburg und stammle nur ergriffen: »Chapeau! Touché!«

    Sie gestatten, daß ich Ihren Artikel auf dem LePenseur-Blog anzitiere und verlinke? Ihre gütige Erlaubnis präsumierend, danke ich für herrliche Stunden, die ich im zu Ende gehenden Jahr bei der Lektüre Ihrer Artikel verbrachte und freue mich auf ebensolche im kommenden Jahr, das ja sonst wenig Lichtblicke zu bringen verspricht ...

    Guten Rutsch ins Neue Jahr

    wünscht

    LePenseur

    ---

    *) bzw. Autorenkollektiv (so hieß es doch früher bei Ihnen in der Zone, nicht?)

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  2. Liebes Autorenkombinat PPQ,

    in Ihrem Jahresrückblick haben Sie eine ganze wesentliche Erneuerung im Dezember übersehen. Als interessierter Leser Ihrer Kolumne fühle ich die Verpflichtung, neue Entwicklungen bei Strom und Energie weiterzugeben, nicht zuletzt, um Sie auf dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik zu halten, der vielleicht noch nicht überall bekannt. Es geht um das vieldiskutiere und oft falsch verstandene Thema Energie.

    Sicher sind Sie der Meinung, Energie könne z. B. in Kilowattstunden gemessen werden. Das war bis vor wenigen Tagen auch nicht falsch; ob es heute noch richtig ist, kann ich abschließend nicht sagen, aber es ist definitiv obsolet. Wirtschafts- und Klimaminister Habeck hat eine neue, progressive Einheit eingeführt, die künftig angewendet werden soll, besonders im Umgang mit fortschrittlichen Kommunikationspartnern. Die neue Einheit ist die

    Klimawattstunde

    siehe

    https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/klima-nachhaltigkeit/robert-habeck-ist-unzufrieden-mit-dem-oekostrom-ausbau-18558906.html

    Leider hat er noch nicht mitgeteilt, wie sie definiert ist, doch das wird er sicher bald nachliefern. Vermutlich wird etwas mit Klima darin vorkommen, vielleicht – nur ein Beispiel – bei welcher Stunde des Klimas irgend-watt mit Energie passiert ist.

    Diese Definition scheint weit hergeholt, ist aber durchaus realistisch, denn Windmühlen produzieren gemäß Habeck neben Energie auch Klima (gleicher Artikel). Ich kann deshalb die Definition präzisieren:

    Eine Klimawattstunde ist das in einer Stunde durch Windräder erzeugte Klima!

    Jetzt werden Sie fragen, was hat das watt in diesem Begriff zu suchen? Natürlich kann es entfallen und wird im Zuge der Weiterentwicklung des Wortes auch entfallen. Habeck hat nur deshalb watt belassen, um eine sanfte Transition und eine Gewöhnung an die neue Einheit zu ermöglichen. Später, wenn die Energiebürger reif sind für einen vollständigen Übergang, wird die Energie in

    Klimastunden

    angegeben. Damit wird die Energiewende weiterentwickelt und abgerundet. Indirekt ergibt sich aus Habecks Forschungsergebnissen, daß andere Energieumwandlungsverfahren kein Klima erzeugen, eventuell sogar vernichten.

    Ich wünsche dem Kombinat ein weiteres, erfolgreiches Aufblühen in 2023.

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  3. @Le Penseur

    Zirkel schreibender Arbeiter, das ist wohl ungefähr in etwa das, was Sie womöglich meinen.

    Einen entspannenden und spannenden Jahreswechsel allen PPQlern.

    Gottlob ändert sich ab morgen nichts.

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  4. 'Festsäle der Demokratie' klingt fast wie 'Sportpaläste der Demokratie'.

    P.S. ich glaube auf der Achse hat irgendjemand mal geschrieben, dass der letzte das Licht nicht ausmachen muss, weil es im Energiewendeland vorher von selbst ausgegangen ist.

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  5. Sehr schön zusammengefasst, vieles hatte ich schon wieder vergessen. Eine Sache fehlt noch, ein kleines bischen Korruption im EU - Parlament. Bestechliche Politiker, ich bin erschüttert.
    Ein stehender Begriff bei Mark Twain war: " Er lügt wie ein Kongressmann ". Also nichts neues unter der Sonne.

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  6. Danke PPQ für ein weiteres Jahr mit Ihrem fantastischen Blog.
    Ich bin ein Riesenfan von Ihnen!

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  7. ich auch - Bernd schaut sich oft die Bilder auf PPQ an und mag die Bilder .

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